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Zehelein: Theaterzuschauer sind keine Konsumenten

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Mannheim - Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein (73), will Theaterzuschauer nicht als Konsumenten verstanden wissen. «Die Sprache der Ökonomie dringt ein in die Sprache der Kunst und der Kulturförderung», sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Mannheim. Das Kosten-Nutzen-Denken dürfe nicht alles bestimmen. «Nur weil Zuschauer Theaterkarten kaufen, sind sie noch lange keine Verbraucher oder Konsumenten.»

 
 
Intendanten und Direktoren der deutschen Theater und Orchester treffen sich von Freitag (13. Juni) an für zwei Tage in Mannheim. Bei der Jahreshauptversammlung des Bühnenvereins geht es um das Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Ökonomie.
 
«Das ökonomische Denken bestimmt heute fast alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Daseins», kritisierte Zehelein. «Es ist die Rede von Kapazitätsstärkung, von Anpassung an die Marktentwicklung und von neuen Geschäftsmodellen wie zum Beispiel im Kulturförderungsprogramm der EU "Kreatives Europa 2014-2020".» Das habe es so früher nicht gegeben. «Jetzt haben wir es mit einer neuen Totalen zu tun, der sogenannten Kreativwirtschaft.»
 
Es werde nicht mehr getrennt zwischen profitorientierten Unternehmungen und künstlerischer Praxis. Letztere dürfe nicht als Dienstleistung behandelt werden, warnte Zehelein. «Denn eine Dienstleistung ist ja eine Aktivität mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung von Konsumenten.» Darum könne es bei Kunst nicht gehen. «Sondern hier geht es um die Chance, unseren Lebenszusammenhang, unser gesellschaftliches Sein anders zu denken, anders zu sehen, anders zu erfahren als jene vorgeformten, vorgeprägten Modelle, die der Markt uns feilbietet.» 
 
 
Interview:
Der Nachrichtenagentur dpa sagte Präsident Klaus Zehelein, warum Zuschauer auf keinen Fall Kunden seien.
 
Frage: Ein Schwerpunktthema der Jahreshauptversammlung ist das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Kunst. Wie sehen Sie das?
 
Antwort: Das ökonomische Denken bestimmt heute fast alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Daseins. Die Sprache der Ökonomie dringt ein in die Sprache der Kunst und der Kulturförderung: Es ist die Rede von Kapazitätsstärkung, von Anpassung an die Marktentwicklung und von neuen Geschäftsmodellen wie zum Beispiel im Kulturförderungsprogramm der EU «Kreatives Europa 2014-2020». Das gab es so früher nicht. Jetzt haben wir es mit einer neuen Totalen zu tun, der sogenannten Kreativwirtschaft. Es wird nicht mehr getrennt zwischen profitorientierten Unternehmungen und künstlerischer Praxis.
 
Frage: Sie wollen in diesem Zusammenhang auch das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA ansprechen. Was ist Ihnen dabei wichtig?
 
Antwort: Die öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur steht auf dem Spiel. Die künstlerische kulturelle Praxis darf nicht als Dienstleistung behandelt werden. Denn eine Dienstleistung ist ja eine Aktivität mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung von Konsumenten. Und darum kann es bei Kunst ja wohl nicht gehen. Sondern hier geht es um die Chance, unseren Lebenszusammenhang, unser gesellschaftliches Sein anders zu denken, anders zu sehen, anders zu erfahren als jene vorgeformten, vorgeprägten Modelle, die der Markt uns feilbietet.
 
Frage: Wo verkommt denn Kunst in Deutschland zur Dienstleistung?
 
Antwort: Es gibt Kulturmanager, auch manche gedankenlose Theaterleute, die beispielsweise nicht von ihrem Publikum sprechen, sondern von Kunden. Die Sprache ist verräterisch. Dabei haben wir einen öffentlichen Auftrag, weshalb wir auch durch die öffentliche Hand finanziert werden. Künstlerische Arbeit eröffnet die Möglichkeit, der Welt neu zu begegnen, um andere Perspektiven zu entdecken, als unsere Erwartungshaltungen uns suggerieren mögen. Das Kosten-Nutzen-Denken darf nicht alles bestimmen. Dagegen müssen wir uns verwahren. Nur weil Zuschauer Theaterkarten kaufen, sind sie noch lange keine Verbraucher oder Konsumenten.
 
Frage: Wie verbreitet ist das Denken über die Zuschauer als Konsumenten?
 
Antwort: Diese Fehlentwicklung ist noch nicht so weit fortgeschritten, als dass wir auf verlorenem Posten stünden. Deshalb auch reden wir in Mannheim über die Spannung zwischen Ökonomie und Kunst.
 
ZUR PERSON: Klaus Zehelein (73) ist seit 2003 Präsident des Deutschen Bühnenvereins und seit 2006 Präsident der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München. Zuvor war er 15 Jahre lang Opernintendant an der Staatsoper Stuttgart und arbeitete seit 1967 als Dramaturg in Deutschland, Belgien und Österreich. 
 
 
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