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Robert HP Platz. Foto: Ricordi/Harald Hoffmann
Robert HP Platz. Foto: Ricordi/Harald Hoffmann
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Mehr als ein Traum

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Robert HP Platz wird 70 und wird gefeiert – in Köln und anderswo
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Musik von Robert HP Platz, Konzerte, die seine Handschrift tragen, atmen eine eigene Stimmung. Eine Erfahrung, die jetzt ganz unvermittelt wieder da war zur Ouvertüre von „RHPP70“, Kürzel für den kleinen-großen Geburtstagsparcours für Robert HP Platz, den in Köln lebenden, aus Baden-Baden stammenden, in der Welt weit herumgekommenen Komponisten und Kompositionslehrer, Dirigenten, Ensemblegründer, Buchautor.

Mit der Kunststation St. Peter, der ehemaligen Taufkirche von Peter Paul Rubens, war der Rahmen für einen Tonkünstler mit starker Affinität zur Malerei denkbar optimal gesetzt. Manchen anderen hat diese Kirche schon in Verlegenheit gestürzt – nicht so Robert HP Platz. Verteilung von Akteuren, von Instrumenten, von Zuhörern, Positionierung von Mikrophonen – all dies verriet den Raumsinn des Musikers. Eintretend hatten wir das unbestimmte Gefühl, als habe der Jubilar irgendwo über dem Eingang eine bekannte Dante-Textbotschaft aufgehängt, nur, dass die deprimierende Durchsage über dem Tor zur Hölle stimmungsaufhellend umgekehrt war: Lasst alle Trübsal fahren! 

Was daran die Besonderheit ist? Öffnen nicht alle Konzerte Innenräume, in denen wir uns rekreieren, verzaubern, bereichern lassen? – Das ist ganz sicher so und für den Konzertbesucher eine geläufige Erfahrung. Nur, bei Robert HP Platz-Konzerten kommt etwas hinzu. Nicht umsonst hat der Komponist das Krisen-Vokabular der neuen Musik für sich stets abgelehnt. Wo andere „Dilemma“ gesehen, gerufen, beschworen haben, einen Mangel an gesellschaftlicher Verbindlichkeit, an Übersichtlichkeit beklagt haben, hat Robert HP Platz im Gegenteil Diversität gesehen, Ausfächerung, Reichtum. Krisen, sagt Platz, gehören zur Ökonomie – die Kunst hat damit nichts zu tun. Aus diesem Glauben hat der 1951 in Baden-Baden zur Welt gekommene Fortner- und Stockhausen-Schüler Robert HP Platz seine Musik, seine Konzerte entstehen lassen. Und wie kein Zweiter versteht er es, die schwierigsten Innenräume, die der Konzertbetrieb kennt, den Kirchraum wie etwa den der Kölner Kunststation St. Peter, zu füllen, zu erfüllen. Krise? Corona? – Durften draußen bleiben. Drinnen war die Welt anders. Drinnen war Gegenwelt, war Utopie.

Letzteres war das Wort, das Platz moderierenderweise selber benutzte, seinem in Uraufführung zu erlebenden „Sonnengesang“ mit auf die Reise gab. Für ihn sei dieser aus vier „autarken“ Kompositionen bestehende Zyklus für Männerchor, für Männerchor plus Bariton, für Tenor solo, für Kontrabassflöte eine „ökumenische Utopie“. Man konnte das tatsächlich so hören und für die Zeitspanne eines Konzerts (wenn auch um den Preis der Textunverständlichkeit) der Meinung sein, die Spaltung der (religiösen) Welt in christlich, muslimisch, jüdisch sei in diesem auskomponierten Versöhnungsgestus aufgehoben. Schließlich, mit „più di un sogno“, mit dem Titel für das dieses drei Sonnengesänge umhüllende Stück für eine Kontrabassflöte – absolut genial in diesem Raum –, hatte dieses Konzert, hatte dieses Fes­tival und vielleicht auch darüber hinaus dieses gut und gern fünf Jahrzehnte währende Komponieren eine Überschrift, ein Motto gefunden: Mehr als ein Traum.

Den Kompositionsschülern aus der Robert HP Platz-Klasse an der Musikhochschule Würzburg hatte die Veranstaltungsdramaturgie ein eigenständiges Entrée zum Platz-Festival eingeräumt, inklusive Aufzeichnung durch WDR 3. So ließ sich im Kielwasser das Schwimmen üben, dazu in den Platz-Konzerten lernen, was es bedeutet, Netzwerke zu haben, Netzwerke abrufen zu können.

Für die Ausführung von „Branenwelten 6“ für Klavier und Midiflügel stand neben Clara Sophia Murnig erlesene Pariser IRCAM-Technik zur Verfügung; Roberto Fabbriciani, der Solist von „piú di un sogno“ war eigens aus Florenz angereist; mit Anima Mundi, mit dem Asasello Quartett, mit dem kolossalen Wagner-Tenor Corby Welch waren Ausführende aus der allerers­ten Reihe versammelt. Nicht sparen an der Qualität! Mehr sein als nur ein Traum. So geht das. Le più vive congratulazioni!

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