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Abschlusspräsentation der drei Gruppen im Konzertsaal der Bundesakademie.Foto: Nico Pudimat
Abschlusspräsentation der drei Gruppen im Konzertsaal der Bundesakademie.Foto: Nico Pudimat
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Neue Wege für Entdecker*innen

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Community Music: Modellprojekt der Bundesakademie Trossingen
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Ein gemeinsames Stück entwickeln, mit Klang und Stimme, mit Bewegung, mit Sprache und szenischen Elementen: Das ist die Idee von Community Music. Die Teilnehmenden handeln, unabhängig von ihrem individuellen Hintergrund, gleichberechtigt und bringen ihre persönlichen Fähigkeiten, Fragen und Ideen ein. Die Arbeitsweise ist offen – für Menschen verschiedener Altersgruppen und kultureller Hintergründe, in der Wahl der Künste, der Methoden und der Örtlichkeiten.

Community Music: eine Frage an tradierte Strukturen

„Community Music baut überwiegend auf Situationen non-formaler oder informeller Bildung auf. Die Teilnahme ist freiwillig und es liegt kein curricular festgelegtes Programm musikalischer Bildung zugrunde, so dass für die Teilnehmenden Gestaltungsraum gegeben ist“ (Alicia de Banffy-Hall, Burkhard Hill (2017): Community Music: Eine Einführung. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE)

Unterricht an (Musik-)Schulen richtet sich meist nach einem festgelegten Curriculum, Musizieren in Chören oder Orchestern ereignet sich oftmals in einem tradierten Setting. Die Idee der Community Music, den musikalischen Prozess gleichwertig neben den dabei entstehenden sozialen Prozess zu stellen, hinterfragt bestehende Strukturen, muss sie aber nicht zwangsläufig als für die Community Music ungeeignet ausschließen.

Pilotphase des Modellprojekts

Die Bundesakademie führt derzeit das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderte Projekt „Community Music“ durch. In der Pilotphase des Projekts initiierte und begleitete die Bundesakademie Community-Projekte in drei Gruppen aus der Region: zwei Grundschulklassen (Klassen 2 und 4) mit gesetzter Klassenstruktur und eine offene Gruppe aus Jugendlichen und Erwachsenen. Eine filmische Dokumentation steht auf der Website der Bundesakademie zur Verfügung.

Grenzen überschreiten

Community Music basiert auf einem demokratischen Ansatz: Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Bildung, unterschiedlichen Geschlechts und Einkommens, mit oder ohne Behinderung, jung oder alt, mit oder ohne musikalische Vorkenntnisse gehen selbstbestimmt und gleichberechtigt in der Gruppe mit Musik um, unterstützt von Community Musicians. Unsere Erfahrung in den Klassen wie auch in der offenen Gruppe zeigt: Der gleichberechtigte Umgang, das Agieren auf Augenhöhe ist ein Prozess und muss erlernt, erarbeitet werden.

Innovative Handlungsfelder

Sobald eine Gruppe selbstbestimmt agiert, kann sie auf Hilfe von außen verzichten. Um ihr diesen Zustand zu ermöglichen, braucht sie Unterstützung und Begleitung, vielleicht anfangs sogar „achtsames Leiten“. Der fortwährende Veränderungsprozess in der Gruppe fordert von Community Musicians ständige Anpassung. Jedes Treffen wird zu einer Entdeckung und zu einer Herausforderung an spontanes Handeln im Einklang mit der inneren Haltung. Entscheidend ist, dass die*der Community Musician auf ein großes Handlungsrepertoire zurückgreifen kann.   

Anknüpfend an die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit in der Pilotphase hat die Bundesakademie die zweiphasige Weiterbildung „Community Music“ (ab April 2020) konzipiert. Die Weiterbildung vermittelt Künstler*innen und Pädagog*innen aus Musik und Bildender Kunst, Tanz und Bewegung, Literatur und Sprache all jene Kompetenzen, die zum Initiieren und Begleiten von Gruppen notwendig ist. Neben dem Erwerb von Handwerkszeug z.B. zur elementaren Gruppenimprovisation werden auch grundsätzliche Voraussetzungen beleuchtet: Mit welchem Menschenbild gehe ich auf eine Gruppe zu, wie gehe ich mit Störungen oder Verweigerung um, wie kann ich Sinn stiften, ohne sofort eine Aufführung anzuvisieren?

Innovativer musik­pädagogischer Ansatz

Ein zentraler Begriff im Diskurs über Veränderungsprozesse in der Gesellschaft ist der Begriff der „attitude“ – Haltung. Menschenbild und Haltung wirken sich direkt auf das Agieren der*des Community Musician aus und beeinflussen damit die Interaktion in der Gruppe. Die Community Music rückt auf Basis der Freiheit von jedweder Diskriminierung und der Partizipation aller Menschen Prinzipien wie kulturelle Demokratie, Gleichwertigkeit von Prozess und Produkt, Inklusion und Empowerment in den Mittelpunkt der musikpädagogischen Arbeit. Community Music eröffnet auf diese Weise ein weites Feld, in dem Menschen Zugang zu Musik und Kultur bekommen, die sich von den traditionellen Angeboten nicht angesprochen fühlen – begleitet von Community Musicians, die die Lust verspüren, zusammen auf Entdeckungsreise zu gehen.

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