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Von der Knochenflöte bis zur Glasharmonika

Untertitel
Über eine neu gegründete Zeitschrift zur Instrumentenkunde
Publikationsdatum
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musica instrumentalis. Zeitschrift für Organologie, hrsg. vom Germanischen Nationalmuseum in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Instrumentenkunde in der Gesellschaft für Musikforschung sowie der Gesellschaft der Freunde alter Musikinstrumente e.V. Zürich (GEFAM), Band 1, 1998. Einzelpreis 57 Mark, im Abonnement 45 Mark. linie.gif (77 Byte) Dass Musik zum Erklingen eines „Instruments“ bedarf, sei es der menschlichen Stimme, eines Musikinstruments oder einer elektronischen Klangquelle, ist eine Binsenweisheit. Um so merkwürdiger ist es, dass sich die Musikwissenschaft im Allgemeinen wenig mit den Instrumenten beschäftigt, Instrumentenkunde in Studium, Lehre und Forschung vielmehr häufig noch immer als Randgebiet angesehen wird. Das neue Jahrbuch „musica instrumentalis“ will dem abhelfen. Es versteht sich als Organ zur Publikation von Forschungsergebnissen der Organologie in deutscher Sprache ohne Beschränkung auf eine bestimmte Instrumentengruppe oder Epoche. Es gibt in Deutschland zwar einige spezialisierte, jedoch keine allgemeine organologische Zeitschrift mit wissenschaftlichem Anspruch. Wie der im Untertitel verwendete Begriff „Organologie“ zeigt, sollen Musikinstrumente in einem größeren Kontext betrachtet, der Blick auf das Instrument als Klangwerkzeug gerichtet werden, das nicht nur und erst der Ausführung von Musik dient, sondern bereits wesentlichen Anteil an deren Entstehung hat. Das Instrument soll als Ausdruck und Zeugnis kultureller Epochen und Ideen begriffen werden. Herausgegeben wird das Jahrbuch vom Germanischen Nationalmuseum (als Sammlungs- und Forschungsstätte zur Kulturgeschichte und Heimat einer der größten Sammlungen historischer Musikinstrumente in Deutschland in gewissem Sinne dazu prädestiniert) in Kooperation mit der Fachgruppe Instrumentenkunde in der Gesellschaft für Musikforschung sowie der Gesellschaft der Freunde alter Musikinstrumente e.V. Zürich (GEFAM; von Thomas Drescher in einem Beitrag vorgestellt); Redakteur ist Frank P. Bär, der Leiter der Sammlung historischer Musikinstrumente im Germanischen Nationalmuseum. In großem Format (22 x 27 cm), auf hochwertigem Papier, mit modernem Layout und zahlreichen Abbildungen gedruckt, ist die Zeitschrift ästhetisch sehr ansprechend gestaltet und lädt zum Lesen und Blättern in besonderem Maße ein. Der Ende September 1998 zum Kongress der Gesellschaft für Musikforschung in Halle erschienene erste, 172 Seiten umfassende Band gibt einen Eindruck von der Vielseitigkeit und geografischen wie zeitlichen Spannweite der Themen, die – hoffentlich – auch in Zukunft zu erwarten ist. Die Auswahl der Autoren zeigt zugleich, dass organologische Forschung nicht nur in den Universitäten und Hochschulen sowie Museen und Privatsammlungen, sondern auch in den Restaurierungswerkstätten und in der praktischen Musikausübung stattfindet. Zwischen der Rekonstruktion jungpaläolithischer Knochenflöten (Wulf Hein) und der Glasharmonika bei Richard Strauss (Konstantin Restle) ist einiges geboten: John Henry van der Meer gibt einführend einen Überblick über die Entwicklung der organologischen Forschung in den deutschsprachigen Ländern, Ellen Hickmann erläutert die Wandlungen des Begriffs „instrumentum musicum“ und damit zugleich die unterschiedlichen Betrachtungsweisen von Musikinstrumenten, Frank P. Bär die Anfänge der Lagenstimmungen von Instrumentenfamilien in der Musiktheorie des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, Rainer Weber behandelt mit den Säulenblockflöten eine besonders wertvolle Instrumentengruppe des 16. Jahrhunderts, Sabine Katharina Klaus geht anhand von Anzeigen in den „Ulmischen Intelligenzblättern“ dem Klavierbauer Johann Matthäus Schmahl (1734–1793) nach und gewinnt neue Anhaltspunkte für die Zuschreibung von Instrumenten, Enrico Weller gibt einen Abriss der Gesellschaften und Innungen der Blasinstrumentenmacher im Vogtland. Daneben berichten einige Beiträge von umfangreichen Aktivitäten in Museen: Christiane Rieche schildert die Erfassung der Musikinstrumente in Museen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, Brigitte Bachmann-Geiser liefert eine Bibliografie zu Schweizer Musikinstrumentensammlungen sowie – als Vorgeschmack auf ihren im Entstehen begriffenen „catalogue raisonné“ – eine Check-Liste der europäischen Musikinstrumente des Bernischen Historischen Museums und Veronika Gutmann berichtet vom Stand der Vorarbeiten für das neue Musikmuseum in Basel, das im ersten Quartal des Jahres 2000 eröffnet werden soll. Ergänzt werden die wissenschaftlichen Beiträge durch den Nachweis neu erschienener Monografien zur Organologie sowie „Nachrichten aus öffentlichen Sammlungen“. Letztere bergen die Chance, die Museen mit ihren vielfältigen Aktivitäten und den in ihnen verwahrten Schätze als Quellen musikhistorischer Erkenntnis mehr in den Blickpunkt zu rücken und einem größeren Kreis wahrnehmbar zu machen. Dem neuen Jahrbuch ist zu wünschen, dass es sich zu einem Forum organologischer Forschung entwickelt und diesen bisher noch abseits stehenden Bereich auch einer größeren Fach- und Nichtfach-Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu bringen vermag.

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