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Neu gegründete Chorakademie Dortmund

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Für die Chorakademie am derzeit noch im Bau befindlichen Konzerthaus Dortmund haben der künstlerische Leiter und sein Team 88 Grundschulen besucht und vielversprechende Talente gefunden. 21 Chöre sollen entstehen.

Dortmund (ddp-nrw). Wer eine Akademie für Chorsänger gründen will, der muss bisweilen auch gegen Vorurteile ankämpfen. "Eine Schulleiterin hat uns gesagt: \'Kinder singen keine klassischen Lieder!\'", sagt Zelja Davutovic. Der künstlerische Leiter der neu gegründeten Chorakademie Dortmund und sein Team haben sich dennoch nicht abschrecken lassen - und in den vergangenen Monaten eine herkulische Aufgabe gemeistert. Für die Chorakademie am derzeit noch im Bau befindlichen Konzerthaus Dortmund haben sie seit März dieses Jahres 88 Grundschulen besucht und in zahlreichen Proben vielversprechende Talente herausgesiebt.

Von der Resonanz der Dortmunder Schulen war die Leitung der Chorakademie angenehm überrascht worden. "Nur acht Schulen haben sich geweigert. Alle anderen haben mitgemacht", berichtet Geschäftsführer Lars Kersting. Rund 20 000 Grundschüler hat die Chorakademie in Absprache mit der Schulverwaltung und dem Kulturministerium in den vergangenen Monaten vorsingen lassen. Zuerst in größeren Gruppen, dann in kurzen Solopartien. Die etwa 1000 ausgewählten Schüler sollen nun in einem zwölfwöchigen Projekt für die weitere Arbeit in der Akademie qualifiziert werden.

Die Aufgabe der Akademie ist für Davutovic vor allem Nachwuchsförderung. "Die großen Chöre überaltern. Das kann nur durch Nachwuchs verhindert werden", erzählt der in Kroatien geborene Akademieleiter, der in Weimar Kirchenmusik, Chorleitung und Cembalo studiert hat. Die Kernzelle der Akademie ist dabei der 1995 von ihm gegründete Monteverdi-Junior-Chor, der bereits bei Opern- oder Operetten-Aufführungen im Dortmunder Theater mitwirkte und auf sich aufmerksam machte.

Das Engagement für den Chorgesang ist nach Ansicht Davutovic\' gerade im Zeichen der verheerenden Ergebnisse der PISA-Studie wichtig: "Wer musikalisch ausgebildet wird, der hat oft eine bessere Gedächtnisleistung und auch eine größere Sozialkompetenz als derjenige, dem dies nicht vermittelt wird." Zugleich sei der Chorunterricht in den Schulen erschreckend zurückgegangen. "Derzeit gibt es nur etwa zehn voll ausgebildete Musiklehrer und höchstens 15 Schulchöre in Dortmund", bedauert er. Dabei sei es wichtig, gerade in früher Jugend die musikalische Basis zu legen. "Bis zum zwölften Lebensjahr muss den Kindern die klassische Musik nahe gebracht werden. Danach ist es oft zu spät."

Das für etwa 48 Millionen Euro gebaute Konzerthaus bietet nun die imposante Kulisse für bessere Chorzeiten in Dortmund. 21 Chorgruppen sollen in der Akademie dauerhaft ausgebildet werden - die Palette wird vom engagierten Hobbysänger bis zum künftigen Profi-Vokalisten reichen. Vor allem das regionale Umfeld spricht für das Konzept: "Unser Einzugsgebiet reicht von Soest bis ins Rheinland. So etwas kann in Europa kaum eine Region bis auf London aufweisen", erklärt Davutovic. Neben den Proben im Chor gibt es für jede Sängerin und jeden Sänger zudem musiktheoretischen Unterricht und Stimmbildung. Und auch nach dem Stimmbruch sollen Trainer die Grundlagen dafür vermitteln, dass das Singen nicht aufgegeben werden muss.

Zur Eröffnung des Konzerthauses wird der Monteverdi-Junior-Chor und der Kinderchor am 13. September die 3. Sinfonie Mahlers anstimmen. "Gerade das neue Konzerthaus wird dazu beitragen, dass wir immer wieder Nachwuchs für unsere Chorakademie bekommen", freut sich Kersting. Und neben dem Singen soll in der Akademie auch das Zusammenleben gepflegt werden - die Eltern sollen regelmäßig in die Veranstaltungen ihres musikalischen Nachwuchses eingebunden werden.

Bislang konnten die Sänger allerdings noch nicht die neue Akustik des Konzerthauses nutzen - hier hat derzeit noch das Sinfonieorchester die Priorität zum Einspielen. Deshalb üben die Chöre derzeit noch in einem kleinen Proberaum der vierten Etage des Service- und Business-Centers des Konzerthauses. Dort hatten sie allerdings schon erste Zuhörer: So lauschten die draußen sitzenden Besucher eines nahe gelegenen Rock-Cafés den Ton-Übungen zum Einsingen - und stimmten spontan in das akustische Getriebe ein. So viel Zuspruch von unerwarteter Seite spornt denn doch an.

Michael Bosse