In den einzelnen Ausstellungshallen der Internationalen Musikmesse Frankfurt scheinen parallele Welten zu herrschen. Auf der einen Seite die Tradition, auf der anderen die digitale Welt von morgen, trotzdem gibt es auch befruchtende Berührungspunkte. Der folgende Streifzug durch die Neuheiten der Musikwelt zeigt anhand ausgewählter Beispiele, dass der Erfindergeist sowohl im traditionellen Instrumentenbau als auch in der Computertechnologie weiter ungebrochen ist. Manches erscheint eher skurril, anderes dagegen hat durchaus seinen Nutzwert.
Nach einem anstrengenden Tag auf der Musikmesse würde man sich eine wohltuende Massage wünschen, die das verspannte Verhältnis zum geschundenen Körper wieder normalisiert. Auch der Musiker kennt diese Beschwerden, die sich aufgrund ungünstiger Haltung regelmäßig einstellen.
Abhilfe dafür verspricht der so genannte Massagefinger von Katharina Apostolidis. Durch Anlehnen des Rückens an eine leichte Holzkonstruktion, die bequem an diverse Rahmen oder Gestelle fixiert wird, kann man auf den schmerzenden Muskel einen sanften Druck ausüben, bis sich die Verspannung löst. Den Massage-Finger kann man zum Beispiel über den Rücken gleiten lassen, indem man sich auf und ab oder seitlich bewegt. Assoziationen mit Schwarzkitteln, die sich an ihrer Lieblingseiche die Schwarte kratzen, sind rein zufällig, aber nicht auszuschließen.
Wieder entspannt kann man sich dann den anderen Entdeckungen des Tages widmen. So wurde von der deutschen Firma Wersi eine Tastatur vorgestellt, die man auf Taschenformat zusammenrollen kann. An beliebigen Plätzen mit entsprechender Unterlage lässt sich die über fünf Oktaven reichende schwarz-weiße Gummimatte auslegen – Kopfhörer anschließen und ab geht die Post. Die integrierte Sound-Konsole ermöglicht eine Auswahl an 128 Klängen und 100 verschiedenen Rhythmen. Allerdings bedarf es ein gutes Maß an Anschlagskraft, um dem Instrument die entsprechenden Töne zu entlocken. „Keys to go“ nennt sich dieses Taschenkeyboard und so geht man ein Stockwerk höher und findet dort ein nahezu identisches Modell eines taiwanesischen Ausstellers vor. Der Unterschied besteht darin, dass lediglich 37 Tasten, dafür aber zusätzlich eine USB-Schnittstelle vorhanden sind. Das Kästchen zur digitalen Klangbearbeitung befindet sich auf der linken Seite, bei dem deutschen auf der rechten. Das Motto lautet auch hier: „anywhere and anytime“.
Behaglichkeit und Komfort für den modernen Musiker liegen auch anderen Ausstellern am Herzen. Roger Zanetti aus der Schweiz hat das kleinste Alphorn entwickelt, das keine klanglichen Abstriche verspricht, dafür aber entscheidende Vorteile beim Transport aufweist.
Traveller Guitar aus Kalifornien wirbt mit seinen in den Ausmaßen minimalistischen Modellen damit, dass man das Teil sogar mit auf den Mount Everest oder in die Wüste bequem mitnehmen kann, um auch an diesen Orten seiner Musikleidenschaft nachzugehen.
Der Koreaner Nam Soo Jung hat in jahrelanger Tüftelei einen elektrischen Seitenwender entwickelt, der es dem Tonkünstler erlaubt, ohne Pause vom Blatt zu spielen. Der mit einem Silikonaufsatz bestückte Greifarm liegt auf der zu blätternden Seite auf, während zwei weitere Stäbchen (keine Essstäbchen wohlgemerkt) das Notenheft in Position halten. Beim Blättern schnappen diese zurück, um nach dem Wendevorgang wieder in die Ausgangsstellung zu gehen. Die Bedienung kann wahlweise per Fußschalter oder für die Umgewöhnungszeit per Hand durch Knopfdruck erfolgen. Der MusicTurnerTM ist durchaus eine gelungene Sache, die dem Musiker gute Dienste erweisen kann. Einzig im pianissimo könnte es während des automatischen Umblätterns zu störenden Motorengeräuschen des Gerätes kommen. Daran wird aber noch gearbeitet, wie Herr Jung erklärt.
Eine Generation weiter ist das koreanische Produkt MuseBook®, das „eine neue Ära der digitalen Notenmusik“ einleiten soll. Statt dem üblichen Notenheft stehen auf dem Pult wahlweise ein oder zwei Bildschirme, auf denen die vorher eingescannte Partitur erscheint.
Wie bei dem Seitenwender wird das Umblättern mit Hilfe eines Fußschalters eingeleitet. Die neueste Entwicklung geht sogar so weit, dass das System die gespielten Noten erfasst und selbstständig die nächste Seite aufruft. Die Notenerkennung kann digital oder analog über Mikrofon erfolgen. Mittels eines elektronischen Schreibgerätes erlaubt das Produkt auch handschriftliche Notizen in der Partitur. Der Anblick dutzender von Flachbildschirmen, die auf den Pulten der Musiker und des Dirigenten in den Konzertsälen der Welt vor sich hin flimmern, ist wohl eher gewöhnungsbedürftig.
Der Einfluss der digitalen Revolution auch auf traditionelle Bereiche des Musikinstrumentenbaus ist bekanntlich keine Neuheit. So bietet Schimmel schon seit längerem einen klassischen Konzertflügel an, der gleichzeitig stumm geschaltet werden und über Kopfhörer oder PC laufen kann. Für empfindliche Nachbarn durchaus geeignet.
Selbst der ansonsten traditionsbewusste spanische Gitarrenbauer Conde Hermanos hat sich den Wünschen der Kunden gebeugt und eine klassische Gitarre mit integrierter Midi-Konsole in sein Programm mit aufgenommen.
Aber auch die traditionelle Bauweise kann sich weiterhin behaupten. 50 bis 70 Stunden handwerkliche Arbeit stecken in den Blechblasinstrumenten des Herstellers Amrein aus Lübeck, bevor sie ihre hohe Qualität auf der Bühne beweisen können. Für ihre innovative Weiterentwicklung bekam die Quartposaune des Hauses Amrein im Jahre 2001 den Musikinstrumentenpreis.
Die Zupfinstrumentenwerkstätte Dieter Hopf aus Taunusstein schafft es, ohne digitale Technik die Klangeigenschaften der Instrumente zu verbessern. Sie konnte durch bauliche Veränderungen eine größere Schwingfläche des Korpus der neu vorgestellten „Wunderton“-Gitarre erreichen, die Dieter Hopf zusammen mit dem Gitarrenbaumeister Martin Duwe entwickelte. Die Firma Neupert aus Bamberg spezialisiert sich auf historische Instrumente und stellt auf der Messe ein neues Cembalo vor, das auf der Grundlage eines zweimanualigen 16‘-Cembalo aus dem Jahre 1734 gefertigt wurde. Angepasst an die moderne Praxis des Musizierens wird ein nahezu authentisches Klangbild angestrebt, wie es zur Zeit von Johann Sebastian Bach üblich war.
Beide Bereiche sind also in der Lage, Innovationen zu bieten und auf dem Musikmarkt zu bestehen. Das zeigen nicht zuletzt die Besucherzahlen der Messe, die gegenüber dem Vorjahr um rund 1 Prozent gestiegen sind und die Umsatzerhöhung um durchschnittlich 3,5 Prozent für das Geschäftsjahr 2004, womit der Bundesverband der Deutschen Musikinstrumentenhersteller (BDMH) aufwarten kann. Trotz der anhaltend schwierigen Bedingungen sind dies vielleicht hoffnungsvolle Zeichen für die Zukunft.