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Rachmaninows Nachlass - Kremlchef Putin ringt um russische Kultur

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Moskau - Von einer einmaligen Chance, das Schaffen des weltberühmten Komponisten und Pianisten Sergej Rachmaninow als russisches Kulturerbe zu sichern, ist in Moskau die Rede. Kremlchef Wladimir Putin hat das Kultur- und das Außenministerium angewiesen, in der Gemeinde Weggis in der Schweiz (Kanton Luzern) den Ankauf des Anwesens samt Archiv des Weltstars auszuloten.

 

Wie aus Putins Anordnung auf der Internetseite des Kreml hervorgeht, verkaufen die Erben den Nachlass samt der Villa im Bauhausstil. Rachmaninow (1873-1943) hatte Russland einst in den Wirren der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 verlassen. Er lebte im Exil in der Schweiz und in den USA, fühlte sich aber stets als Russe, wie etwa der Starpianist Denis Mazujew in russischen Medien betonte. Der Russe dankte am Donnerstag im Staatsfernsehen Putin für seinen Einsatz für das Kulturerbe.

70 Jahre nach dem Tod des Stars der klassischen Musik, der als US-Bürger starb, wollen die Russen Rachmaninow nun auf diesem Weg wieder zu einem der Ihren machen. Eine gute, aber «teure Idee», meinte Kulturminister Wladimir Medinski unlängst in der Zeitung «Iswestija».

Im vergangenen Jahr hatte sich der russische Staat schon das Archiv des sowjetischen Kultregisseurs Andrej Tarkowski («Iwans Kindheit», «Stalker») bei einer Auktion in London gesichert - und das Erbe nach Russland zurückgeholt. Seit Jahren bemüht sich das Riesenreich darum, weltweit «seine Kulturschätze» einzusammeln.

Minister Medinski stört im Fall Rachmaninow, dass der Künstler im Westen oft als Amerikaner wahrgenommen werde. Das sei «beleidigend, unrichtig und zutiefst ungerecht», meinte der Funktionär. Der Künstler habe im Zweiten Weltkrieg Geld von seinen Konzerthonoraren an die Rote Armee überwiesen. «Für uns ist wichtig, dass Rachmaninow immer ein zutiefst russischer Mensch war. Er träumte davon, nach dem Krieg nach Russland zurückzukehren», sagte Medinski.

«Deshalb wäre der Erwerb der Villa für Russland sehr wichtig», betonte Medinski. Das Anwesen liegt im Ort Weggis-Hertenstein am Vierwaldstättersee, wie Gemeindepräsident Kaspar Widmer der Nachrichtenagentur dpa sagte. Heute sei dort ein Park mit einer Büste des Künstlers nach Rachmaninow benannt. Mit Rücksicht auf die Privatsphäre der Familie äußerte er sich nicht zum Verkauf des Hauses. Auch der Nachlassverwalter hielt sich bedeckt - «zu den aufwendigen Verhandlungen».

Rachmaninow lebte von 1929 bis 1939 mit seiner Familie in der eigens für ihn gebauten Villa «Senar» und schrieb dort nach Gemeindeangaben unter anderem seine «Paganini-Variationen». Den Namen des Hauses bildete das Ehepaar Sergej (Se) und Natalja (Na) aus seinen Vor- und dem Familiennamen (Se+Na+R).

Nach dem Tod des Enkels Alexander Rachmaninow im November 2012 werde der Nachlass nun verkauft, hatte Mazujew unlängst bei einem Treffen mit Putin erzählt. «Die Verwandten Rachmaninows könnten zulassen, dass das alles bei einer Auktion unter den Hammer kommt. Ich mache mir ernsthafte Sorgen, weil es einmalige Manuskripte, einzigartige Noten und unbeschreibliche Briefe gibt sowie einen Flügel. Alles ist erhalten, wie es war», warb Mazujew.

«Wenn dies zum Eigentum Russlands wird, denke ich, wird das eine Pilgerstätte, ein Ort für einzigartige Meisterkurse, Festivals und Wettbewerbe», meinte Mazujew. Auf die Frage des Präsidenten, wie viel das kosten werde, nannte er 18 Millionen Franken (14,6 Mio. Euro). «Wir werden sehen, was wir machen können», antwortete Putin.

Ulf Mauder

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