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Stellung beziehen, Präsenz zeigen …

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Kommentare und Stellungnahmen zum Editorial von Chefredakteur Theo Geißler, nmz 5/02
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Als Musikerin, Lehrerin für Violine, Viola und Kammermusik, Redakteurin der ESTA-Nachrichten und neuerdings Abgeordnete der ESTA bei den NGOs (Non-Governmental Organisations) des Europa-Rats in Strasbourg, habe ich sehr viel Verständnis für Ihren Zorn und Ihre Wut, der Sie im Leitartikel der nmz 5/02, „Blut und Blödel“ Ausdruck verleihen.

Als Musikerin, Lehrerin für Violine, Viola und Kammermusik, Redakteurin der ESTA-Nachrichten und neuerdings Abgeordnete der ESTA bei den NGOs (Non-Governmental Organisations) des Europa-Rats in Strasbourg, habe ich sehr viel Verständnis für Ihren Zorn und Ihre Wut, der Sie im Leitartikel der nmz 5/02, „Blut und Blödel“ Ausdruck verleihen. Allerdings bin ich zutiefst erschrocken über Ihren Abschluss-Satz: „Es ist – zum Amoklaufen.“ Bitte so nicht. Natürlich ist die Musik und die Kultur in unserer Gesellschaft im Moment unter „ferner liefen.“ eingestuft. Dies ist aber nicht mit Zorn in der Schmollecke, unter gleichgesinnten Freunden, zu verändern.

Haben Sie den genannten Herren Rau (der übrigens ein Musikfreund ist), Vogel, Schily (soviel ich weiß Klavierspieler), Schröder, Stoiber, Westerwelle... noch kein kostenloses Abo der nmz geschickt? Warum nicht?

Ich ging letzte Woche mal beim Bildungsforum Baden-Württemberg vorbeischauen, sagte mal dem Ministerpräsidenten, der dort zuhörte, Guten Tag und Ministerin Schavan, die ich persönlich kenne und die möglicherweise in Zukunft noch größere Aufgaben auf Bundesebene mitzugestalten hat, und schrieb ihr anschließend einen Brief.

Wenn wir alle, jeder Einzelne an seiner Stelle im Musikleben, uns bewusst würden, dass wir viel offensiver in eine uns vielleicht fremde Öffentlichkeit gehen müssten, uns auch vielleicht zusammentun müssten, etwa einen jungen Filmregisseur zu gewinnen, witzigen, anregenden, lustigen und hochqualifizierten Instrumental- oder Ensemble-Unterricht, auch vielleicht für Erwachsene, zu filmen und an Arte zu verkaufen oder anregen bei den Fernsehanstalten, große Wettbewerbe (Riesen-Events!) filmend oder fernsehend zu begleiten, wie es dies wohl in Brüssel beim Reine-Elisabeth-Wettbewerb schon gab, oder wenn wir persönliche Kontakte zu Politikern – die nun mal demokratisch gewählt sind, und daran ändern wir sicher nichts – mehr suchen und pflegen würden, würde vielleicht das Bewusstsein über die Wichtigkeit der Musik als Element der Gestaltung und Nahrung von Leben in seiner fruchtbaren Weise und unter Umständen. sogar als Lebenshilfe mehr ins öffentliche Bewusstsein dringen. Die Zeit mit ihren tief erschreckenden Ereignissen scheint mir günstig für solches Sich-Einmischen zu sein.
Im Übrigen sollten wir in Deutschland uns ganz klar sein, dass wir im internationalen Vergleich doch so paradiesische Verhältnisse haben, dass Musiker aus der ganzen Welt in unser Land drängen.

Den Politikern gegenüber müsste immer wieder argumentiert werden, dass, wenn es mit der Wirtschaft und damit dem Geldbeutel und dem Lebensstandard der Bürger schlechter gehen sollte, die Kultur – und die Musik im Besonderen – gerade wichtiger wird und es sich nicht lohnt, die relativ kleinen Beträge in den öffentlichen Haushalten zu kürzen, im Gegenteil. Man muss nur die Leute fragen, die die Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt haben und die den Hunger der wirklich Not leidenden Menschen damals nach Musik noch in Erinnerung haben.


Fehlende Sensibilität

Dieser Artikel lässt jegliche kulturelle Sensibilität des Autors vermissen. Die Verbindung von Blut und Blödel auf dem Hintergrund einer furchtbaren Tragödie ist hochgradig geschmacklos. Insbesondere der Ausruf „Es ist – zum Amoklaufen.“ ist nicht hinnehmbar. Hiermit fordere ich Sie auf, in der nächsten Ausgabe diese Äußerung zurückzunehmen und sich für die journalistische Entgleisung zu entschuldigen. Falls es nicht geschieht, sehe ich mich außer Stande, diese Zeitung weiterhin zu abonnieren. Ich werde sie umgehend kündigen.


Schlagzeilen machen

Abgesehen vom zu erwartenden Verhalten des Fernsehens, der „Bild“-Zeitung und des einen oder anderen Politikers habe ich bisher überraschend wenig Geschmacklosigkeiten nach dem Massaker von Erfurt gehört. Jetzt habe ich den Leitartikel Ihres Herausgebers gelesen.

Können Sie angesichts von 17 toten Menschen nicht einfach erst mal den Mund halten und ein bisschen nachdenken, statt sofort wie gehabt larmoyant und bärbeißig auf die Kulturpolitik zu schimpfen, diesmal zur Abwechslung mit dem willkommenen Anlass eines Blutbades?

Sie beschweren sich über Kulturlosigkeit und wählen eine Schlagzeile wie diese. Sie klagen Verantwortung ein und beenden Ihren Artikel mit „Es ist – zum Amoklaufen.“ Das glaub’ ich nicht, dass Sie das fertig bringen: einem Menschen in den Kopf schießen. Davon sprechen Sie aber. Und selbst wenn man im Augenblick ein Bonmot zu dem Thema akzeptieren könnte, dann müsste es doch ein wesentlich besseres sein.

Wenn ich im Wirtshaus solches Gerede höre, bezahle ich und gehe. Das tue ich auch jetzt: ich bitte Sie, mir die neue musikzeitung nicht mehr zuzusenden (trotz meiner DTKV-Mitgliedschaft). Ab sofort. Die in der Kündigungsfrist verbleibenden Ausgaben bezahle ich, möchte sie aber nicht in meinem Haus sehen. Guten Tag.


Enttäuschung

Da war ich doch etwas enttäuscht ob Ihres Versuches, mal ganz schnell mittels des seriösen Mediums nmz die ganz große Verantwortung für die Einzeltat eines verstörten uns suchenden Menschen zu finden; natürlich, die Politiker die sich da „vor die Kameras“ drängen. Meine Frage: was unterscheidet Sie in Ihrem politisierten Leitartikel von den von Ihnen unterstellten „Ewigvorderen“?

Ich kann mir vorstellen, dass es für viele in unserem Lande lebenden Menschen ein Zeichen der Beruhigung nach solch einem schrecklichen Ausbruch der Gegengewalt und auch der direkten, stellvertretenden Anteilnahme aller anderen mitfühlenden Menschen in Deutschland für die vielen Opfer und weiterhin Betroffenen ist, wenn sich nur kurz später Bundeskanzler und Innenminister in die Öffentlichkeit stellen, um Dinge zu sagen, die viele mitfühlen. Es ist ihnen meiner Meinung nach sehr hoch anzurechnen, sofort und vor Ort Stellung zu beziehen, stellvertretend Präsenz zu zeigen und in einer klaren und ehrlich-sachlichen Art die Menschen zu unterrichten, soweit dies möglich war. Gerade diese Unmittelbarkeit ließ ihnen doch die Möglichkeit, dass eine Republik zuhört, und zwar in voller Länge. Interpretationen der Medien suchen solchesgleichen bei fast allen Informationssendungen zu Tagesmeldungen.
Ich denke, viele Menschen waren mit diesen Statements sehr zufrieden, weil sie eben das Gefühl hatten, klar und sofort unterrichtet zu werden.

Zu den Show-Auftritten der Politiker möchte ich Ihnen anmerken, dass wohl eine große Bevölkerungsmehrheit auch an dieser Form der Präsenz Anteil nimmt, und sehr gut zwischen dem wahren Menschen und einem gespielten „Kamera-Smiling“ unterscheiden kann. Ich kann einen Menschen, den ich auch in anderen Situationen als nur Bundespressekonferenz erleben kann, wesentlich besser einschätzen, als eben jene, die von ihren Beratern zu den ausgesuchten Anlässen, eben im Stimmenfang, delegiert werden, um lediglich in der Wählergunst zu punkten. Da, und dies ist der Grundtenor meines Empfindens, sollten wir sehr deutlich zu unterscheiden wissen, oder uns anstrengen, dies zu erlernen.

Einige vergessen manchmal, dass diese Republik nicht nur aus Eliten besteht, die soziale und gesellschaftliche Hürden überspringen, beziehungsweise sich nie damit ernsthaft auseinander setzen mussten und müssen, kaum die Frage stellen müssen, ob sie geliebt und respektiert und vor allen Dingen ernst genommen werden.

Schröder und Schily haben versucht, da zu sein, wo es an diesem Tage gebrannt hat. Politpoker und Profilierung zu unterstellen, halte ich für sehr anmaßend und schlichtweg unrichtig. Dies war nach meiner Einschätzung ein wichtiges Signal der beiden Regierungsmitglieder.

Empfand beim Studieren Ihres Artikels, dass es mehr darum ging, Ihr Thema in eine Quasi-Dokumentation der jüngsten Anlässe einzuflechten. Dies ist Ihnen sicher gut gelungen. Man kann natürlich auf den jeweils vorbeirauschenden Wellen sein Schild hochhalten, mit einer gewissen Kaltschnäuzigkeit. Meines Erachtens eine große Ignoranz gegenüber dem tatsächlich Vorfallenden. Der Apfel, Wahrheiten, die oftmals viel einfacher sind, als der intellektualisierte Geist sich das wünscht, zu ignorieren, fällt da nicht weit vom Stamm des Baums. Danke für Ihren Ausflug ins Boulevard der Upper-Class.


Vielen Dank für Ihren Kommentar „Blut und Blödel“ in der aktuellen nmz. Sie sprechen mir aus der Seele und haben es auf den Punkt gebracht. Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack! Sie haben Recht: Es ist wirklich zum Amoklaufen. In der Hoffnung, dass die Musikbranche nie aufgibt, verbleibe ich, mit freundlichen Grüßen

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