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Eine Gebrauchsanweisung für Geigenschulen

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Der Solist und Violinpädagoge Wolfram König legt sein opus summum vor
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Wolfram König: Schlüssel zum Violinspiel (Apollon Schriftenreihe Musikpädagogik, Bd. 2), Apollon Musikoffizin Austria, 118 S., DVD, € 29,60, ISBN 9-120014-7710-12

Wolfram König ist ein leidenschaftlicher Violin-Pädagoge. In seinem Buch „Schlüssel zum Violinspiel“ fasst er alles zusammen, was er in einer langen und erfolgreichen internationalen Karriere als Solist, Kammermusiker und vor allem als gefragter Pädagoge erfahren und systematisiert hat. Seine Ausführungen sind demgemäß seine ganz persönliche Sicht der Dinge, und er scheut sich auch keineswegs, die Unterschiede seiner Sicht zu althergebrachten Methoden bekannter Geigenpädagogik-Größen in zum Teil deutlich polemischen Abgrenzungen zu profilieren, wobei er auch durchaus eigene geschmackliche Vorlieben (zum Beispiel zum Vibrato und zum Portamento) zur Diskussion stellt.

Für jeden interessierten Geiger ist die Auseinandersetzung mit diesem Buch auch dann ein Gewinn, wenn er dem Autor nicht in allen Details seines methodischen Aufbaus folgen will. Ein Großteil des Buches ist der systematischen Aneignung der Spielbewegungen beim Geigen gewidmet, allerdings immer mit dem Ziel einer überzeugenden musikalischen Interpretation. Mit Hilfe einer flankierenden DVD kann man sich das zunächst „verbale“ Verständnis seines Textes optisch einleuchtend bestätigen lassen. Wolfram König strebt eine möglichst einfache, leicht nachvollziehbare Sequenz von Lernschritten an. Hierzu führt er einige eindrucksvolle methodische, suggestive Ausdrücke in den Aufbau seiner Methode ein, wie beispielsweise die so wichtige „Denk‑Reihenfolge“, ein nützlicher Begriff in Anbetracht der Begrenztheit unserer Wahrnehmung und unserer Denkgeschwindigkeit. Interessante Detailbeobachtungen finden ihren Niederschlag in handhabbaren Begriffen wie „Ruck“, „Einschrauben der Finger“, „Schlüsselstrich“ und ähnlichen; diese Chiffren sind dann immer wieder als Referenz verwendbar, wenn es um kompliziertere Bewegungskombinationen geht. Dabei ist die doppelte Blickrichtung seiner Ausführungen überzeugend: Unsere Bewegungen, ja unser ganzes künstlerisches Spiel ist immer als Ganzheit zu verstehen.

Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zu der Notwendigkeit, beim Üben zunächst auch kleinste Details bewusst zu machen und als Gewohnheit zu erwerben. Ausführlich und anschaulich beschreibt er das oft so kontrovers diskutierte Thema der Vibrato-Bewegungen: Mit seiner Methode scheint dieses Problem ein für allemal lösbar zu sein. Ein kleiner Einwand sei hier angebracht: Die Spielbewegung des Vibrato wird oft so interpretiert, dass die obere (stegnähere) Position des Fingers auf dem Griffbrett den „eigentlich“ wahrgenommenen Ton erzeugt.

Untersuchungen zeigen jedoch, dass unser Ohr den statistischen Durchschnitt aller umspielten Tonhöhen, also die Mitte der Vibrato-Bewegung, als den „gemeinten“ Ton wahrnimmt. Es besteht so gesehen eine Diskrepanz zwischen dem Bewegungsgefühl und unserer Tonhöhenwahrnehmung. Hier ist vielleicht die Bemerkung angebracht, dass auch ein stark vibrierter Ton sehr genau in seiner („statistisch“) erzeugten Tonhöhe wahrgenommen wird, dass also die allgemeine „Volksweisheit“, dass das Vibrato die Intonation verschleiere, nicht aufrechtzuerhalten ist.

Auch für das zentrale Thema des Lagenwechsels stellt Wolfram König methodisch einen sehr genau passenden „Schlüssel“ zur Verfügung. Die ausführliche Beschreibung der verschiedenen Stricharten wird immer sinnvoll musikalisch‑artikulatorisch begründet und abgeleitet. Bei der Beschreibung des Ganzbogenstrichs räumt er mit dem unsinnigen Begriff des „Armgewichts“ auf, der immer noch durch die Streichermethodik geistert. Ebenso wendet er sich gegen eine übertriebene methodische Zerstückelung von organischen Bewegungen. Auch seine Warnung vor sinnloser Wiederholung entspricht den neuesten Erkenntnissen der Lernforschung. Konstruktiv für alle Streicher sind seine Empfehlungen zur Intonation: Es gibt keine festen Plätze auf dem Griffbrett für einen bestimmten Ton, sondern immer nur intonatorische Abstände, die sich nach dem harmonischen-melodischen Kontext ebenso wie nach den spezifischen Intonations-Eigenheiten kammermusikalischer Mitspieler wie Bläser oder Klavier richten müssen. „Schlüssel zum Violinspiel“ ist keine Geigenschule, sondern eine sehr hilfreiche „Gebrauchsanweisung“ für Geigenschulen!

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