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Christa Ludwig wird 80

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Wien (ddp). Nicht nur für den Dirigenten Leonard Bernstein war sie die Beste. Fast 50 Jahre lang begeisterte Christa Ludwig ihr Publikum. Mit ihrem gewaltigen Stimmumfang beherrschte die Sängerin ein Repertoire, das vom Alt bis in die Sopranlagen reichte.

Beethovens Leonore und die Marschallin aus dem «Rosenkavalier» sang sie genauso wie Mozarts Dorabella oder die Färberin aus der «Frau ohne Schatten». Und sie war eine begnadete Liedsängerin. Am Sonntag (16. März) feiert die Wahl-Wienerin ihren 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass sprach ddp-Korrespondentin Christa Sigg sprach mit der früheren Mezzosopranistin.


ddp: Frau Ludwig, haben Sie sich heute schon eingesungen?

Ludwig: Nein, mein Hund ist leider gestorben, der hat sonst mit mir gesungen. Aber im Ernst, 1994 habe ich wirklich aufgehört.

ddp: Und Sie singen nicht mal zum Spaß?

Ludwig: Nein! Ich habe genug gesungen in meinem Leben, fast 50 Jahre lang. Und jetzt habe ich keine Lust mehr.

ddp: Als Sängerin mussten Sie sich ja auch immer einschränken. Welche Ausschweifungen gönnen Sie sich denn jetzt?

Ludwig: Ich rede! Sehr zum Leidwesen meines Mannes. Früher musste ich doch immer auf meine Stimmbänder aufpassen.

ddp: Ihre Stimme hat jedenfalls ziemlich lange durchgehalten.

Ludwig: Ja, und das einzige, worauf ich wirklich stolz bin, ist die Reaktion nach meinem letzten Schrei als Klytämnestra in Wien. Da schrieb ein Kritiker: «Ja, warum hört Sie denn auf zu singen?»

ddp: Und jetzt sind Sie wirklich im Ruhestand?

Ludwig: Na, viel Ruhe habe ich nicht. Ich führe das Leben einer ganz normalen Frau, lese, wasche, bügle... Und endlich kann ich auch mal für meine Freunde kochen.

ddp: Wären Sie Chemikerin geworden, dann hätten Sie dafür mehr Zeit gehabt.

Ludwig: Ach, ich fand die Chemie als junges Mädel doch nur so aufregend, weil ich in meinen Chemielehrer verliebt war. Dann kam der Krieg, da war nicht mehr an Studieren zu denken. Man musste Geld verdienen. Und das einzige, was ich konnte, war singen. Also habe ich in den Offizierscasinos der Amerikaner gesungen - für Zigaretten, die wieder auf dem Schwarzmarkt verscherbelt wurden. 1945 kam dann ein erstes Engagement in Gießen, ein Jahr später schon die Oper in Frankfurt. Da war ich gerade mal 18.

ddp: Und haben dann eine rasante Karriere gemacht.

Ludwig: Heute geht das schneller. Wenn einer mal schön gesungen hat, ist er gleich ein Star. Dann wird er hochgepusht, singt unentwegt und verdient eine Menge Geld - das war bei uns noch ganz anders. Wir konnten Erfahrungen sammeln und reifen.

ddp: Wenn man Ihre Aufnahmen hört, fällt einem dieser unglaubliche Sinn für den Klang auf. Das hat Sie vermutlich mit Karajan verbunden?

Ludwig: Ja, natürlich. Nehmen wir zum Beispiel Mahlers «Lied von der Erde». Im «Abschied» gibt es eine Stelle, da hört das Cello-Solo auf, und ich fange mit demselben Ton an. Karajan sagte zu mir: «Christa, schau\'n Sie, dass sie den Cello-Klang nachmachen." Genauso hat er das Orchester aufgefordert, auf den Sänger zu hören. Diese Homogenität, die bei Karajan entstand, ist wirklich einzigartig.

ddp: Sie haben eigentlich mit allen großen Dirigenten gearbeitet. Mit wem war\'s denn am stimmigsten?

Ludwig: Da gab es gleich drei: Als ich Mitte 20 war, kam Karl Böhm, die Präzision in Person. Ein bisschen später, mit 30 Jahren, habe ich viel mit Karajan gemacht. Und als ich dann etwa 40 Jahre alt war, kam Leonard Bernstein, der die Tiefe der Musik suchte. Für mich war das die ideale Reihenfolge.

ddp: Und Sie wussten immer, was zu Ihnen passt und wann Schluss ist.

Ludwig: Oh ja, eine Karriere macht man vor allem im Kopf!

ddp: Oder gibt es doch eine Rolle, die sie sich nicht verzeihen?

Ludwig: Ich wollte keine frustrierte Sängerin sein, die meint, etwas versäumt zu haben. Also habe ich manches probiert, selbst die Ariadne. Aber ich merkte, dass die Partie für einen absoluten Sopran ist. Wenn es nicht meine Cup of tea war, hab ich\'s wieder gelassen.

ddp: Gibt es Partien, die Sie sich verkneifen mussten?

Ludwig: Ich hätte gerne die Elektra, die Isolde und die Brünnhilde auf der Bühne gesungen. Doch mit meinen Stimmbändern wäre das nicht gut gegangen. Die waren einfach zu zart, aber dadurch auch besonders modulationsfähig, so dass ich Lieder singen konnte.

ddp: Wenn Sie heute Anna Netrebko oder in Ihrer Stimmlage Elena Garanca hören - was hat sich im Vergleich zu früher geändert?

Ludwig: Gar nix. Die Garanca liebe ich ja heiß und innig. Jetzt bin ich gespannt, wie sich die Stimme noch entwickelt. Sie hatte auch Schwierigkeiten mit der Höhe und musste wie ich jeden halben Ton dazulernen. Aber sie singt wirklich wunderbar, und sie ist intelligent.

ddp: Würden Sie aus heutiger Sicht alles wieder so machen?

Ludwig: Nein, ich würde nicht wieder Sängerin werden.

ddp: Wie bitte?

Ludwig: Auch nicht Chemikerin. Ich wüsste nicht was. Aber der Sängerberuf hat mich immer fürchterlich enerviert. Denn als Perfektionistin war ich die personifizierte Angst.


»Saeculum Glashütte Original-Musikfestspiel-Preis« für Christa Ludwig
(nmz-BL) - Wie heute bekannt wurde, wird Christa Ludwig mit dem diesjährigen »Saeculum Glashütte Original-Musikfestspiel-Preis« geehrt. Die Sängerin erhält diese Ehrung in einem Festkonzert der Dresdner Musikfestspiele, das der aus Rumänien stammende Pianist Radu Lupu am 23. Mai in der Semperoper gestalten wird.

Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wurde 2004 von der Uhrenmanufaktur Glashütte Original gestiftet und ging bisher an den Dirigenten Kurt Masur, den Choreografen John Neumeier, den Regisseur Joachim Herz sowie an den Violinisten Gidon Kremer.

Der »Saeculum« wird grundsätzlich für ein Lebenswerk mit herausragenden künstlerischen Leistungen und besonderes gesellschaftliches Engagement verliehen. Als Laudator für die Preisverleihung am 23. Mai wurde der Münchener Kulturpublizist Joachim Kaiser gewonnen.