Hauptrubrik
Banner Full-Size

Ehrendoktorwürde für Orhan Pamuk

Publikationsdatum
Body

Gut drei Monate später als ursprünglich vorgesehen hat der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin erhalten.

Berlin (ddp-bln). Etwas verlegen steht der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk am Freitag auf der Bühne des Max-Kade-Auditoriums der Freien Universität Berlin (FU). Er lächelt schüchtern und verbeugt sich. Behutsam präsentiert er die Urkunde, die ihm die Ehrendoktorwürde der FU verleiht. Eigentlich hatte der gefeierte Autor schon im Februar diese Würdigung erhalten sollen. Aber der Schriftsteller kam damals nicht wie geplant nach Berlin. Er sagte seine Reise nach Deutschland ab, nachdem der vermeintliche Drahtzieher des Mordes an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink, mit dem Pamuk befreundet war, im Januar vor einem türkischen Gericht auch ihm gedroht hatte.

Diese Drohung thematisiert indirekt in seinem Grußwort der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Nach seiner Auffassung sei Pamuk - mit einem Bein in der westlichen und dem anderen in der türkischen Kultur - auch unweigerlich ein politischer Autor. Pamuks Feinde seien auch «unsere Feinde» und die Feinde eines türkischen EU-Beitritts, mahnt Wowereit. Es sei daher Aufgabe des Westens, bedrohte Autoren in seine Mitte aufzunehmen. Es wäre eine nur allzu humane Sicht, wenn Pamuk die Welt verbessern wolle, in dem er die Geschichte sprechen lasse, fügt der Politiker hinzu.

Weniger über das Politische und mehr über seine Arbeit als Schriftsteller äußert sich dagegen der Geehrte selbst. Es interessiere ihn, was die Menschen um ihn herum bewege, was sie berühre. Der Ehrendoktor der Philosophie werde, so erzählt er, das Kind in sich bewahren, das ihm unentwegt Fragen stelle und ihn permanent antreibe, neugierig zu bleiben.

Im Urkundentext der Fakultät heißt es, Pamuk habe mit seinem Werk die türkische in die moderne Weltliteratur geführt. Dabei habe er sich erfolgreich des komplexen Themas der türkischen Identität angenommen. Gert Mattenklott, Literaturprofessor und Initiator der Preisverleihung, hob hervor, mit Pamuk begrüße die akademische Gesellschaft aber nicht den «Vorzeigetürken», sondern den lebenskundigen und sprachmächtigen Dichter. Der Erste Vizepräsident der FU, Klaus Hempfer, unterstrich, Pamuks in mehr als 45 Sprachen übersetztes Werk biete einen Blick auf die Türkei mit den Augen eines vermeintlich Außenstehenden. Das sei im Kern Pamuks Leistung als Schriftsteller.

Pamuk wurde 1952 in Istanbul geboren und wuchs in einer gutbürgerlichen, säkularisierten Familie auf. Er studierte Architektur und Journalismus, und lebte in den 80er Jahren zeitweise in den USA, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. 2005 hatte Pamuk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten, 2006 folgte der Literaturnobelpreis.

In seiner Heimat musste sich Pamuk wegen des Vorwurfs der «Beleidigung des Türkentums» vor Gericht verantworten. Er hatte auf den bis heute in breiten Teilen der türkischen Öffentlichkeit geleugneten Völkermord an den christlichen Armeniern im Osmanischen Reich verwiesen, dem über eine Million Armenier zum Opfer fielen.