Leider, teilte Jimmy Somerville mit, würde er zu ihrem Konzert nicht kommen können. Ernsthaft enttäuscht war Mystéfy damals nicht. Zum einen handelte es sich zu jener Zeit noch um einen relativ kleinen Auftritt der Sängerin in Bremen, wo sich derartige Prominenz wohl kaum zeigen konnte. Zum Anderen war die Absage mit dem Versprechen Somervilles verbunden, auf dem nächsten Album der Sängerin höchstselbst mitzuwirken.
Dass dies auf „Spark Within“ tatsächlich eingelöst wurde, ist der alten Bekanntschaft zwischen beiden zu verdanken: In ihrem „anderen Leben“ arbeitete Mystéfy nämlich als Fernsehpromoterin und betreute jahrelang – richtig – eben auch den ehemaligen Sänger von Bronski Beat und den Communards.
Doch Somervilles Intermezzo für einen Song, so schön es auch sein mag,ist längst nicht alles, was auf diesem rund geschliffenen, luftigen Album hervorsticht: es ist der ungekünstelte, intensive Jazzgesang von Mystéfy, der auf Anhieb überzeugt. Veröffentlicht auf Michael Reinboths DJ-Label „Compost Records“, enthält die CD gemäß Mystéfys eigener Deutung „neue Standards“, die sie gemeinsam mit Roberto di Gioia geschrieben und mit eigenen Texten versehen hat.
nmz Online: Die Liebe hat dich ins kanadische Ottawa verschlagen. Wie stark unterscheiden sich Kanada und Deutschland aus deiner Insider-Perspektive voneinander?
Mystéfy: Sehr! Du machst dir wirklich kein Bild, es ist eine unfassbare Natur! Ich war ja schon immer ein Naturkind, bin mit drei Katzen aufgewachsen und hatte Pferde. Allerdings nur zur Pflege, eigene Pferde konnten wir uns nicht leisten. Die Natur gab mir schon immer eine große Inspiration und Erdung. Hier in Ottawa hast du selbst in der Stadt einen, wie man dort sagt, „Green Belt“. Es gibt riesengroße Parks, wo du wirklich stundenlang spazieren gehen kannst. Man sieht Otter, Rehe, Füchse – ich habe auch schon einen Biber gesehen! – und die abgefahrensten Schildkröten. Das genieße ich. Es bereitet mir ungeheure Freude und deshalb komme ich dort auch besser zur Ruhe. Das ist einfach eine klasse Geschichte.
nmz-Online: Da werde ich ja neidisch, wenn ich das mit Berlin vergleiche…
Mystéfy: (lacht) Ja, da sieht man, glaube ich, nicht mal eben so einen Biber beim Spaziergang, nicht?
nmz-Online: Du verfügst ja über ein ganzes Spektrum kreativer Fähigkeiten. Im Internet findet sich eine Kurzgeschichte von dir mit dem Titel „Dindi“, du malst – und das nicht nur als Hobby – du bist, wie man weiß, Sängerin und du schreibst deine eigenen Texte. Was inspiriert dich für diese ganz unterschiedlichen kreativen Kanäle?
Mystéfy: Das kommt wie ein Schub. Ich spüre manchmal einfach den Drang etwas zu tun, etwa unbedingt ein Bild malen zu müssen. Es ist dabei nicht so, dass ich sofort wüßte, was ich da malen würde. Sondern es ist wie bei einem Kochtopf, irgend etwas da drin brodelt. Plötzlich ist klar, das „muss jetzt raus“. Und dann nehme ich mir eine weiße Leinwand oder ein Blatt Papier und fange an. Und so entsteht etwas Neues, Interessantes. Entsteht so eine Geschichte, dann sind es Erlebnisse, die ich niederschreibe. Ein Tagebuch habe ich schon immer geführt, merkwürdigerweise von Anfang an auf Englisch. Dazu existieren fast 100 Seiten einer Autobiographie, die sich unter anderem mit einer großen Liebe von mir beschäftigt… Alles funktioniert nach dem gleichen Prinzip – etwas drängt nach außen. Beim Singen ist es dasselbe! Ich habe eine Eingebung, eine Melodie, ein Song, oder bestimmte Lyrics tauchen spontan an die Oberfläche. Sie fallen mir beispielsweise unter der Dusche ein, dann muss ich sie sofort festhalten. Für mich ist das der natürliche Weg, auf dem solche Dinge passieren.
nmz-Online: Aus dem Promotiontext ist zu entnehmen, es handle sich bei „Spark Within“ insgesamt um ein sehr persönliches Album. Fühlst du dich nicht verletzbar, wenn du so viel Persönliches von dir preisgibst? Machst dich das nicht angreifbarer?
Mystéfy: Nein, seltsamerweise gar nicht! Allein, weil ich nicht das Gefühl habe, mich für etwas schämen zu müssen. Weil es bei mir nichts gibt, was ich verbergen müsste. Nichts, was mir peinlich wäre. Das heißt ja auch nicht, dass ich hier meine intimsten Geschichten auftischen würde – nichts in der Richtung! Aber es ist allein deshalb ein persönliches Album, weil es sich mit einigen meiner alten Beziehungen beschäftigt. Oft ist es so, dass ein Song für mich ein Abschließen mit einem Thema bedeutet. Nicht immer, allerdings: Mit dabei ist auch ein Song darüber, wie ich meinen Mann kennen lernte, wegen dem ich nach Kanada ging – für ihn habe ich das Stück „Eye Candy“ geschrieben.
Interview: Carina Prange
CD: Mystéfy – „Spark Within“ (Compost Records CPT 290-2)