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Berlin (ddp). «Das Komponieren ist nicht nur mein Beruf, es ist mein Leben.» Für Aribert Reimann ist es in erster Linie die Musik, aber gleich danach die Literatur, der seine Liebe gehört. Besonders als Opernkomponist fand Reimann mit Werken wie «Das Schloss», «Lear» und «Bernarda Albas Haus» breite internationale Anerkennung.
Heute gehört der in Berlin geborene Reimann zu den bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten. Am 4. März begeht er seinen 70. Geburtstag. Gefeiert wird dieser Tag in München durch die Bayerische Akademie der Künste und die Hochschule für Musik in München mit einer «Aribert-Reimann-Nacht».
Die ersten größeren Auftritte absolvierte Reimann 1958 als Student mit gut 20 Jahren. «Mein erstes Bühnenstück \'Stoffreste\', das ich mit Günter Grass gemacht habe, kam 1959 in Essen raus», sagt er im ddp-Gespräch. Doch zuvor schon hatte sich der junge Mann als Liedbegleiter einen Namen gemacht. Als Pianist war er vor allem als Begleiter von Sängern wie Dietrich Fischer-Dieskau oder Elisabeth Grümmer gefragt. «Ich komme aus einem musikalischen Elternhaus, und ich fing schon mit zehn Jahren an zu komponieren», erzählt er. Doch ein Wunderkind sei er nicht gewesen. Der Doppelweg als Komponist und Interpret sei ihm immer sehr wichtig gewesen, auch um «von der eigenen Musik immer wieder wegzukommen».
Reimann war erst 29, als seine erste Oper uraufgeführt wurde. «Ein Traumspiel» nach August Strindberg hatte 1965 in Kiel Premiere, sein vorerst letztes Werk war «Bernarda Albas Haus» 2000 in München, von der Zeitschrift «Opernwelt» als «Uraufführung des Jahres» ausgezeichnet.
Immer waren es literarische Vorlagen von antiken, romantischen und zeitgenössischen Dichtern, die ihn zur Komposition anregten. «Christa Wolfs \'Kassandra\' zum Beispiel hat mich sehr beeinflusst für meine Oper \'Troades\', auch \'Medea\' und \'Kein Ort, nirgends\'«, sagt er. Er habe Christa Wolf auch mal gesagt, dass sie ihn immer als Schatten begleitet habe.
Ein Lieblingsstück unter seinen eigenen Kompositionen hat Reimann nicht. «Wenn ein Stück geschrieben ist, dann ist es fertig. Ich könnte mich nicht heute noch einmal so tief da hineindenken, um einen zweiten Aufguss zu machen«, sagt er. Deshalb gebe es von seinen Arbeiten auch keine «revidierten Fassungen».
Die Kompositionen Reimanns entstehen in erster Linie für Auftraggeber. «Oft ergab es sich so, dass der Auftrag auch etwas war, was ich sowieso gerne machen wollte.» Bei der Oper sei das anders. Da gebe es gar keine Auflagen und man entscheide sich selber für einen Stoff. Jetzt habe er wieder einen Opern-Auftrag, aber Näheres wolle er dazu noch nicht sagen.
Seit der Uraufführung von »Bernarda Albas Haus« 2000 hat Reimann vorwiegend Orchesterstücke und Kammermusiken komponiert. »Ich brauche immer einen längeren Abstand zur Oper.« Heute ist Reimann längst an einem Punkt angelangt, wo er oft Nein sagen muss. »Ich kann einfach nicht alle Aufträge erfüllen«, sagt er.
Selbst zum entspannten Musikhören, so bekennt der Komponist, habe er kaum Zeit. »Ich bin dann immer zu sehr involviert, auch wenn es die Musik anderer Komponisten ist.« Seine Inspirationen holt sich Reimann außerhalb der Musik. »Manchmal ist es Literatur, manchmal sind es Bilder, manchmal sind es Klangvorstellungen, die plötzlich da sind, die aber nicht aus einer anderen Musik kommen.« Es gebe aber auch politische Eindrücke, die etwas in ihm auslösten.
»Es gibt keinen Beruf, der einsamer ist als der eines Komponisten, Malers oder Schriftstellers«, sagt Reimann. Für das Komponieren ziehe er sich immer sehr zurück. »Ich lebe dann ganz abgeschottet, stelle Klingel und Telefon ab und höre in meinem Arbeitsraum wirklich nichts."
An einen Ruhestand mag der bald 70-jährige Komponist nicht denken. »Dieser Zwang zum Ruhestand trifft uns Künstler ja kaum. Wir können schreiben oder komponieren, bis wir umfallen.«
Angelika Rausch