Hauptrubrik
Banner Full-Size

Regisseur Joachim Herz wird 80 Jahre alt

Publikationsdatum
Body

Auch im hohen Alter gönnt sich Joachim Herz keine Ruhe. An seinem Ehrentag ist er Gast einer Podiumsdiskussion über Opernregie in Mannheim.

Berlin (ddp). Noch immer ist er viel auf Vortragsreisen und als Gastprofessor unterwegs, ob in Japan, den USA, in Wien und Salzburg. Am Dienstag wird Herz, einer der großen Musiktheater-Regisseure des 20. Jahrhunderts, 80 Jahre alt.

Der gebürtige Dresdner lebt seit 1982, als er als Chefregisseur an die Staatsoper berufen wurde, wieder in der Elbestadt. Bereits von 1945 bis 1951 hatte er an der dortigen Hochschule für Musik - unter anderem Klavier - und an der Humboldt-Universität in Berlin studiert.

In den drei großen ostdeutschen Musikmetropolen Berlin, Dresden und Leipzig und darüber hinaus weltweit hat Herz seine Spuren hinterlassen. In Berlin begann der auch als Pianist, Kapellmeister und Musikwissenschaftler Ausgebildete nach dem Start an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul vor mehr als 50 Jahren unter dem großen Vorbild Walter Felsenstein an der Komischen Oper. Joseph Haas\' «Die Hochzeit des Jobs» war seine erste eigenständige Inszenierung. 1976-81 lenkte er als Intendant die Geschicke dieses Hauses.

Dazwischen liegen 19 Jahre als Operndirektor in Leipzig mit dem herausragenden Ereignis der ersten entmythologisierten Inszenierung von Wagners «Ring des Nibelungen» in einer Maschinenwelt der Entstehungszeit der Tetralogie - eine wichtige geistige Vorarbeit zweifellos für Patrice Chereaus Bayreuther «Ring». Felsenstein sagte immer, Herz habe auch unter Bedingungen des normalen Theaterbetriebs die Richtigkeit der Theorie und Praxis des realistischen Musiktheaters bewiesen, nicht zuletzt am Werk Richard Wagners.

Der vor 40 Jahren entstandene DEFA-Film «Der fliegende Holländer», der manche Deutung dieser Wagner-Oper auf der Bühne vorwegnahm, wird noch heute bei Aufführungen im In- und Ausland als Sensation für diese Zeit betrachtet.

In Biografien der DDR-Zeit wurde meist unterschlagen, dass Herz von 1956 bis 1959 an der Kölner Oper tätig war, zuletzt als Oberspielleiter. Eine der Herz-Inszenierungen steht noch immer - und dies seit 26 Jahren - auf dem Spielplan, an der Welsh Opera in England, mehrfach vom Regisseur mit dem Ensemble selbst überarbeitet: «Madam Butterfly» von Puccini. Auch an der Komischen Oper Berlin gab es 227 Aufführungen davon.

Zu den großen Häusern, an denen Herz zu Gast war, gehören auch Moskaus Bolschoi-Theater und dass Teatro Colon in Buenos Aires. Leipzig holte ihn nach der Wende noch einmal für etwas Besonderes: Ligetis «Le Grand Macabre».

Auch heute ist der Regie-Veteran im neuen Schaffen auf dem Laufenden: Parallel zur Uraufführung Ende Mai von Friedrich Schenkers «Faustus»-Oper mit dem Text von Hanns Eisler in Kassel sprach der Vollblut-Theatermann in einer Evangelischen Akademie über die «Faust»-Oper von Alfred Schnittke.

Eine wichtige Uraufführung der eigenen Theaterzeit war 1978 «Das Land Bum-Bum» von Georg Katzer mit dem Text von Rainer Kirsch, gleichnishaftes Abbild eines Überwachungsstaats, den, wer wollte, als stasigeprägt erkennen konnte. Sympathie brachte das Herz, der nie Parteimitglied war, bei den DDR-Oberen nicht ein, die ihn bald in seinem Amt an der Komischen Oper fallen ließen.

Klaus Klingbeil