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Rostropowitsch wird 80

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Botschafter am Cello- Der russische Dirigent Mstislaw Rostropowitsch feiert am Dienstag seinen 80. Geburtstag - Neue Platten erschienen

Berlin (ddp). Ein Politiker wollte er nie sein. Und doch gab es im Leben des Cellisten Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch immer wieder Situationen, in denen er mehr war als ein Musiker von Weltrang. Nach dem Fall der Berliner Mauer saß er an einem kalten Herbsttag, dem 11. November 1989, am Checkpoint Charlie und spielte auf seinem Cello eine Solosuite von Bach - «zum Gedenken an diejenigen, die hier ihr Leben ließen». Am Dienstag wird der Musik-Botschafter aus Russland 80 Jahre alt.

Präsident Wladimir Putin will Rostropowitsch, der sich gerade erst von einer Leberoperation erholt, mit einem Empfang im Kreml ehren - eine versöhnende Geste für den 1927 in Baku, dem heutigen Aserbaidschan, geborenen Künstler. Denn dessen Verhältnis zum Staat war nicht immer das Beste. Als vielfach ausgezeichneter Musiker genoss Rostropowitsch in den 50er und 60er Jahren zwar höchstes Ansehen und damit auch so manche Privilegien in der Sowjetunion.

Doch als er sich 1971 für den in Ungnade gefallenen Schriftsteller Alexander Solschenitzyn einsetzte, kam der Lenin- und Stalin-Preisträger selbst in Konflikt mit dem Regime. Es folgte ein zweijähriges Auftrittsverbot und schließlich im Mai 1974 die Emigration in den Westen. Vier Jahre später wurde dem Künstler und seiner Frau, der Bolschoi-Primadonna Galina Wischnewskaja, sogar die Staatsbürgerschaft entzogen.

So bedrückend dies auch für den zum Dirigenten avancierten Rostropowitsch war, seine Karriere erlitt keinerlei Einbruch. Im Gegenteil: Er feierte im Westen einen Erfolg nach dem anderen. 1977 wurde er Chefdirigent des Washington National Symphony Orchestra. Damit ging für den neben dem Spanier Pablo Casals wichtigsten Cellisten des 20. Jahrhunderts mit 50 Jahren ein Lebenswunsch in Erfüllung - zumal er mit seinem Instrument alles erreicht hatte.

Schon als 13-Jähriger gab er mit dem a-Moll-Konzert von Camille Saint-Saens sein Debüt. Am Moskauer Konservatorium studierte er ab 1942 nicht nur bei seinem Onkel Kozolupov Cello, sondern zusätzlich Klavier und Komposition und schließlich Orchestrierung bei Dimitri Schostakowitsch.

Der ehrgeizige Rostropowitsch war nicht nur am Konservatorium bekannt für seine Disziplin. In einem besonders kalten Winter soll der Student die Kuppen seiner Wollhandschuhe abgeschnitten haben, um die Saiten besser greifen zu können. Und dass da einer war, bei dem technische Brillanz und hohes künstlerisches Einfühlungsvermögen zusammentrafen, sprach sich bald herum.

Schostakowitsch, Sergej Prokofjew und Alfred Schnittke, mit denen er auch befreundet war, schrieben Stücke für ihn, später auch Benjamin Britten oder Pierre Boulez. Weit über 200 Werke dürfte er zur Uraufführung gebracht haben. Doch bei aller Liebe zum Zeitgenössischen führte ihn der Weg immer wieder zurück zu Johann Sebastian Bach, dessen Sarabande aus der d-Moll-Suite er mehrfach als das «genialste Werk» überhaupt bezeichnete.

Furore machte Rostropowitsch mit Prokofjews «Sinfonia concertante», aber auch dem üblichen Cello-Repertoire von Schumann bis Dvorak, und ab Mitte der siebziger Jahre immer häufiger als Dirigent. Seine Prokofjew-Einspielungen zählen zu den Referenz-Aufnahmen, hoch gelobt wurde außerdem seine Interpretation von Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk».

Zu seinem 80. bringt die Plattenindustrie Verschiedenes auf den Markt, darunter eine Doppel-CD mit einer persönlichen Auswahl – etwa den Konzerten von Schumann und Saint-Saens -, die durch Bonustracks aus dem Privatarchiv des Cellisten ergänzt werden. Einen Überblick über seinee Karriere als Solist, Kammermusiker und Dirigent gibt die Geburtstags-Edition «The Glory of Rostropowitsch» mit acht CDs.

Damit dürfte man den mit Preisen und Ehrungen hoch dekorierten Künstler nicht mehr wirklich beeindrucken. Das eigentliche Geschenk bekam Rostropowitsch schon 1990: Unter Michail Gorbatschow erhielt er die russische Staatsbürgerschaft zurück.


Christa Sigg