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Er ist «ein Fremdling überall», so sieht er das zumindest selbst. In 17 Ländern soll er gelebt haben. Eine künstlerische Heimat hat George Tabori seit 2000 im Theater am Schiffbauerdamm - Berliner Ensemble (BE) in Berlin gefunden.
Berlin (ddp). In Berlin wohnt er auch mit seiner dritten Ehefrau, der Schauspielerin Ursula Höpfner. Seine Sehnsucht gehört jedoch Wien. «Ich vermisse Wien, das Wiener Theater, das Wiener Publikum, vielleicht auch die Nähe zu Ungarn, zu Budapest», sagte der gebürtige Ungar mit britischem Pass kurz vor seinem 90. Geburtstag in einem Interview.Den Runden feiert Tabori am Montag trotzdem in Berlin. Das BE und der ZDF-Theaterkanal haben Freunde und Kollegen «des ältesten Theatermachers der Welt» eingeladen und eine große Geburtstagsfete organisiert. Zu den Gästen gehören unter anderen Senta Berger, Wolf Biermann, Andre Eisermann, Jürgen Flimm, Imre Kertesz, Johannes Rau und Hanna Schygulla. Sie alle feiern einen Menschen, «an den sich jeder irgendwo andocken will», wie Dramatikerin Elfriede Jelinek einmal schrieb, jemanden, «zu dem man gehören möchte, sobald man ihn sieht».
George Tabori - schon zu Lebzeiten eine Theaterlegende - wurde 1914 in Budapest als Sohn eines Journalisten geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er ebenfalls als Journalist und Übersetzer. 1936 emigrierte er nach London und war unter anderem als Auslandskorrespondent in Bulgarien und der Türkei tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte er in die USA über, wo er 20 Jahre blieb. Hier traf er auch Bertolt Brecht.
1968 ging Tabori nach Deutschland und inszenierte am Berliner Schiller-Theater sein Auschwitz-Stück «Die Kannibalen». Das deutsche Theater sei damals «das beste Theater der Welt» gewesen, sagt er.
Seither arbeitet Tabori vorwiegend im deutschsprachigen Raum, er inszenierte an den Münchner Kammerspielen, der Berliner Schaubühne, in Bochum und Wien. Mit kleinen Schauspielgruppen versuchte er, die Idee von einem «menschlicheren Theater» zu verwirklichen. Bekannt wurde sein «Bremer Theaterlabor». Von 1987 bis 1990 leitete er das Wiener Theater «Der Kreis». In Wien feierte er 1987 auch einen großen Erfolg mit der Uraufführung seiner Hitler-Farce «Mein Kampf».
Einen richtigen Theaterskandal hat Tabori, der Theater nicht für das Publikum, sondern «mit den Schauspielern» macht, sich nur einmal geleistet. Im Juli 1987 wurde seine Inszenierung von Franz Schmidts Oratorium «Das Buch mit den sieben Siegeln» in Salzburg wegen «obszöner Szenen» abgesetzt. «Das war der einzige Skandal in meinem Leben», betonte der Regisseur danach. «Ich bin nicht für den Skandal.»
Seit dem Jahr 2000 inszeniert Tabori nun am BE. Intendant Peymann kennt er aus Wien. Schon als Burgtheater-Chef hatte Peymann häufig Tabori gespielt und auf die Frage, warum er so oft dessen Stücke wähle, einmal geantwortet, «weil ich ihn liebe». Am Geburtstag - direkt vor der Fete - hat auf der BE-Probebühne Taboris Stück «Purgatorium» Premiere.
Als «Reisenden ohne Heimat», als Philosophen und Komödianten hat vor einigen Jahren das für ORB, ORF und 3sat produzierte Porträt «George Tabori - der Schriftsteller als Fremder» den Theatermacher und Autor beschrieben. Tabori erzählt darin sehr Persönliches, von seiner Familie, die zum großen Teil in Auschwitz umkam, von seiner ersten Liebe Eva und seinem ersten schriftstellerischen Versuch: Mit 16 schrieb er eine Geschichte über seine Schreibmaschine. Die wollte, dass er bedeutende politische Artikel verfasst, er aber schrieb Liebesgeschichten.
An seinem Geburtstag will Tabori die Geschichte von der Schreibmaschine vortragen, verriet er der «Süddeutschen Zeitung". Schließlich markiere sie so etwas wie den «Geburtstag des Schriftstellers Tabori».
Die Gala zum Jubeltag wird live im ZDF-Theaterkanal übertragen. Am Mittwoch wird sie um 22.25 Uhr bei 3sat wiederholt.
Ulrike Geist