Im Juni 2018 startet der Klassische B-Kurs an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung mit neuen Dozentinnen und Dozenten. Kerstin Hädrich hat dem Team ein paar Fragen gestellt. Kerstin Hädrich: Was reizt Sie vier daran, in einer Weiterbildung zu unterrichten, die über einen langen Zeitraum von knapp zwei Jahren geht?
Cornelius Trantow: Chorleitung ist ein hochkomplexes Fach, bei dem eine ganze Reihe verschiedener Fähigkeiten gefordert sind. Diese Kompetenzen zu erwerben und zu integrieren, ist ein spannender Prozess, der dauert und nicht auf Anhieb zum Erfolg führt. Es ist spannend für mich, auf einer Fortbildung nicht nur punktuell Impulse setzen zu können, sondern die Studierenden über eine längere Zeit begleiten und unterstützen zu können.
Hayat Chaoui: Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, ist eine Berufung. In diesem Fall handelt es sich um Musiker/-innen, die neben ihrem normalen Job die Mühe auf sich nehmen, eine Ausbildung zu absolvieren, also um besonders engagierte und motivierte Menschen, die auch zu meiner eigenen Begeisterungsfähigkeit gut passen. Ich hoffe, dass wir uns mit unserer musikalischen Leidenschaft anstecken können.
Ines Kaun: Diese Weiterbildung ist wie ein Studium für Berufstätige, man kann hier auf hohem Niveau unterrichten. Die Studierenden haben Praxiserfahrungen und leiten eigene Chöre, außerdem ist viel eigene Vorbereitung auf die Kursphasen erforderlich. Somit kann man immer wieder Lernimpulse und Anregungen geben und eine längerfristige Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten begleiten.
Mikko Sidoroff: Diese Arbeit in Wolfenbüttel ist eine wunderbare Chance, wirklich tief und intensiv in die Chorarbeit einzutauchen. Ich freue mich darauf, die ganze Gruppe kennenzulernen! Und was für mich immer wichtig ist, ist dass das auch für mich eine wunderbare Gelegenheit ist, selbst zu lernen. Ich sehe mich eher als einen Begleiter, nicht als eine Autorität, die die „Wahrheit“ sagt. Studierende sind die besten Lehrer!
Hädrich: Herr Trantow, Sie sind Professor für Chorleitung. Was erwarten Sie sich von unseren Teilnehmenden hier, was denken Sie, wird diese von Ihren Direktstudent/-innen unterscheiden?
Trantow: Ich bin sehr gespannt, welche unterschiedlichen Vorerfahrungen die Teilnehmenden mitbringen werden. Von den Studierenden an der Musikhochschule bin ich bereits gewohnt, dass dort sehr unterschiedliche Fähigkeiten vorhanden sind. Deshalb ist moderner Chorleitungsunterricht meiner Ansicht nach stets individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Teilnehmenden zugeschnitten und innerhalb der Gruppe binnendifferenziert.
Hädrich: Frau Chaoui, Sie arbeiten in vielen tollen Projekten, die besonders transkulturell ausgerichtet sind. Was können die Teilnehmer/-innen eines klassischen Chorleiterkurses von Ihnen in dieser Hinsicht lernen?
Chaoui: Musikvermittlung bedeutet nicht zwangsläufig, sich auf unser westlich orientiertes musiktheoretisches und -praktisches Wissen zu verlassen. Es bedeutet ein ständiges „Learning by Doing“ und manchmal auch den Mut, unkonventionelle Wege zu beschreiten. Ganz besonders in der Arbeit mit Randgruppen, mit Gruppen, die nicht unbedingt dem Establishment angehören. Dazu möchte ich Mut machen, Anregungen geben und in den Austausch gehen.
Hädrich: Frau Kaun, Sie arbeiten normalerweise sehr viel mit Profisänger/-innen zusammen. Was interessiert Sie an der Arbeit mit den Multiplikator/-innen für die Chorbasis, was können Sie den Teilnehmer/-innen mitgeben?
Kaun: Die Chorarbeit bleibt auf jeder Ebene dieselbe, nur die Phasen der Konzertvorbereitung sind anders verteilt. In jedem Fall braucht man die gleichen Fähigkeiten, wie gute Ohren, ein gutes Verständnis von Stimme und wie man mit ihr umgeht und eine genaue musikalische Vorstellung, wie man ein Stück gestaltet. Ich möchte den Teilnehmer/-innen gerne mitgeben, wie man sich schnell auf unterschiedliche Ensembles einstellen kann und einen Chor dort abholt, wo er sich gerade befindet.
Hädrich: Herr Sidoroff, wie ist Ihre Wahrnehmung nach anderthalb Jahren in Deutschland – was unterscheidet die finnische von der deutschen Chorlandschaft? Was vermissen Sie hier? Was würden Sie aus dem deutschen Chorleben gerne nach Finnland bringen?
Sidoroff: Deutschland ist ein Land der Traditionen. Hier haben die größten Komponisten gelebt und gearbeitet, wie zum Beispiel Bach, Mendelssohn und Brahms, und das finde ich wunderbar. Die Tradition der Romantik ist erstaunlich, und die Musik von Bach ist einfach das Beste, was es gibt!
Aber vielleicht kann die Tradition manchmal auch eine kleine Bürde sein. Finnland hat ja gar keine so großartige Musikgeschichte (außer Sibelius natürlich), aber im zeitgenössischen Musikbereich ist Finnland wirklich fortgeschritten. Wir haben unglaublich begabte zeitgenössische Komponist/-innen, die sehr gute Chormusik schreiben. Dazu kommt, dass viele Chöre in Finnland aktiv Kompositionsaufträge geben. Das halte ich für einen großen Vorteil, und ich möchte deutsche Chöre ermutigen, mehr zeitgenössische Musik zu bestellen und aufzuführen!
Hayat Chaoui studierte Gesang an der HfMT Köln, singt im Oratorienfach und arbeitet mit der interkulturellen Jazz-Formation Ufermann. Sie ist Fachbetreuerin Gesang mit dem Schwerpunkt interkulturelle Musikpädagogik an der Musikschule Wuppertal und leitet den internationalen Frauenchor WoW – Women of Wuppertal.
Ines Kaun studierte in Weimar und Stockholm, assistierte an der Oper Stuttgart, der Frankfurter Oper und beim Berliner Rundfunkchor. Sie ist Stipendiatin des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates. Sie war stellvertretende Chordirektorin und Leiterin des Kinderchors am Staatstheater Darmstadt, seit 2016 ist sie Chordirektorin mit Dirigierverpflichtung am Theater Heidelberg.
Mikko Sidoroff hat an der Sibeliusakademie studiert, seit 2002 ist er freiberuflich als Chorleiter und Komponist tätig. Er hat eine Reihe von Chorwerken komponiert und etliche Werke uraufgeführt. Zurzeit ist er u.a. als Gastdirigent des Euro Choir-Projektes (European Choral Association) und als künstlerischer Leiter des Kammerchores Krysostomos tätig.
Cornelius Trantow ist Professor für Chorleitung an der Musikhochschule Hamburg und wurde 2011 mit dem Hamburger Lehrpreis ausgezeichnet. Er arbeitet als Chorleiter, Dozent für Chorleitung, Vocal Coach und Juror. Mit seinem Kammerchor Ensemble vocal konnte er 2006 den Deutschen Chorwettbewerb gewinnen.
Die nächste berufsbegleitende Zertifikatsweiterbildung Chorleitung B beginnt am 27. Juni. Es sind noch wenige Plätze frei. www.bundesakademie.de/programm/musik/do/veranstaltung_details/mu-cb18/