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Foto: Goethe-Theater, Bad Lauchstädt
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Eine andere, goethische „Zauberflöte“ im Goethe-Theater Bad Lauchstädt

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Es ist eine späte aber innige Liebe. Edda Moser gehörte bis Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts aktiv zur Spitzenriege ihrer Zunft. Als König der Nacht etwa war sie legendär. Auch wenn sie naturgemäß viel in Italienisch gesungen hat, hinderte sie das nicht daran, ihre Liebe zur eigenen Muttersprache wachsen zu lassen. Sie beließ es aber nicht dabei, sondern rief ein Festspiel der Deutschen Sprache ins Leben. Als sie einen passenden Ort dafür suchte, riet ihr ihr Freund, der Hallenser Hans-Dietrich Genscher, zum Goethe-Theater Bad Lauchstädt vor den Toren seiner Heimatstadt.

Seit 2006 lädt Edda Moser immer im September bedeutende Mimen des Landes hierher ein, um aus Schmuckstücken deutscher Literatur zu lesen. Das Ganze hat sich zum kulturellen Spitzentermin des Landes Sachsen-Anhalt – inklusive aktiver Teilnahme des Ministerpräsidenten – gemausert. Der passende Prunksaal im Kurpark für einen Empfang danach erstrahlt im alten Glanz. Das Festspiel ist nicht nur längst etabliert, sondern gewachsen, fügt zur Lesung gepflegte Debatten auch über den Umgang mit der Sprache hinzu, bietet Konzert und Lied und diesem Jahr das erste Mal auch eine Oper. Eine, die mit Edda Moser, dem Ort der Veranstaltung und obendrein auch noch mit Johann Wolfgang von Goethe zu tun hat. 

Auf dem Programm: Mozarts „Zauberflöte“. Nun passt gerade das für das Vorstadttheater gemachte Singspiel wie maßgeschneidert in dieses liebevoll bewahrte, historische Theater vor der Stadt. Mit den alten Seilzügen für die Versenkungen, den unbequemen Sitzbänken und den Seiten- und Hintergrundprospekten für handgemachtes Theater. 

Vergewisserung in Sachen des Woher

Wer nach Bad Lauchstädt aufbricht, der erwartet nicht den großen Gegenwartstest einer hinterfragenden Regie. Eher eine Vergewisserung in Sachen des Woher. Gerade dafür bietet die jüngste, mit Bundesmitteln geförderte Koproduktion des Goethetheaters mit der Oper Leipzig (speziell dem Chor) und dem Thüringer Landesmusikarchiv an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ ein Beispiel. 

Im schmalen Graben sitzen die Musiker des vor 15 Jahren gegründeten, auf historischen Instrumenten spielenden Orchesters l’arte del Mondo unter Leitung ihres Gründers Werner Ehrhardt und steuern die Vitalität historischer Klangfarben bei. Das Ensemble führt, der wie immer schnell zum Publikumsliebling avancierende Papageno von Florian Götz an (übringens von 2010-14 in Erfurt engagiert). An seiner Seite der Koreaner Taejun Sun als ein geschmeidig lyrischer Tamino. Gulia Montanari ließ sich als Königin der Nacht (unter den Augen einer ihrer größten Vorgängerinnen in dieser Rolle) den Koloraturschneid nicht abkaufen. Anke Krabbe fügte Taminas Gefühl eine Prise dramatisches Selbstbewusstsein hinzu und auch Sava Vemic setzte weniger auf das fast klischeehaft Salbungsvolle Sarastros, sondern mehr auf den selbstbewussten Herrschertyp. Insgesamt ein Ensemble, das zusammen mit den Abgesandten des Leipziger Opernchores für das musikalische Niveau sorgte, das man an diesem Ort zu Recht erwartet. 

Die Inszenierung und Ausstattung von Igor Folwill nutzt geschmeidig die Möglichkeiten der Bühne, steuert Pappbilder von Drache, Giraffe, Löwe und Krokodil bei, verpasst Papageno ein rotes Gefieder, dem Prinzen eine edle Jacke, der Prinzessin ein hübsches weißes Kleid, ihrer Mutter gleich mehrere Nobelroben, Sarastro und seinen Leute priesterliches Gold. Ganz so, wie man es in Bad Lauchstädt erwartet, wie es niemanden aufregt, aber alle freut. 

Das besondere war diesmal nicht die Deutung, es war die Fassung. Heute ist die Wiener Fassung auf das Libretto von Emanuel Schikaneder der gängige Ausgangspunkt für einen mehr oder weniger intensiv interpretierenden Umgang mit der „Zauberflöte“ auf den Bühnen der Welt. Als Leiter des Weimarer Hoftheaters hat Goethe aber 1794 eine eigene Fassung mit Texteingriffen von Christian August Vulpius eingerichtet, mit der er nach der Weimarer Uraufführung noch im selben Jahr mehrfach auch in Bad Lauchstädt gastierte! Die aktuelle Festspielproduktion, die diesem Anlass vorbehalten bleibt und nicht touren wird, rekonstruiert diese Version erstmals wieder anhand des erhaltenen originalen Aufführungsmaterials. 

Natürlich bleibt die „Zauberflöte" die „Zauberflöte“, auch wenn sie vom Zwei- zum Dreiakter wird. Was in der Vergangenheit schon mancher Regisseur hineininterpretiert hat, das ist hier drin: Es geht um die Erbfolge innerhalb einer Familie. Sarastro ist der Schwager der Königin der Nacht, Pamina also die Tochter von Sarastros verstorbenem Bruder, Tamino der erwünschte männliche Regent. Ansonsten gibts Änderungen eher im Detail – so mutiert etwa die Schlange zum Drachen. Die Statements zu den Frauen im Allgemeinen („Ein Weib tut wenig, plaudert viel“. „Ein Mann muss eure Herzen leiten, denn ohne Mann, wird jedes Weib leicht seine Grenzen überschreiten“) klingen freilich heute so überholt wie immer oder nicht viel anders als („pflegt jedes Weib aus ihrem Wirkungskreis zu schreiten“) wie bei Schikaneder. Zu den letzten Worten des Chores „Ihr liebt euch; seid glücklich und heiter und froh“ lässt Folwill seinen Tamino den Sonnenkreis, den er gerade von Sarastro erhalten hat, an Pamina weiterreichen, worauf Sarastro seinen goldenen Mantel beiden umhängt. Na ja. 

Interessant und festspieladäquat ist eine solche historische Rekonstruktion allemal. In Sachen Goethe und die Oper hat René Schmidt jedenfalls noch allerhand in petto.

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