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Festkonzert mit Dorothee Oberlinger und Andreas Scholl: „Arie e Concerti Napoletane“
Festkonzert mit Dorothee Oberlinger und Andreas Scholl: „Arie e Concerti Napoletane“
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Händel und (k)ein Hallelujah – Die aktuellen Händelfestspiele Halle im Netz

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Festspiele sind von den pandemiebedingten Absagen besonders hart getroffen. Im „normalen“ Musiktheaterbetrieb greifen für die Beschäftigten ja zumindest die materiellen Sicherungen. Dort breitet sich zwar auch Frust aus, aber mit Hoffnung im Herzen wird schon Neues vorbereitet, damit wieder hochgefahren werden kann, sobald sich die Möglichkeiten dafür bieten.

Gut ausgestattete, große und weitblickende Häuser wie die Staatsopern in München oder Stuttgart, auch die Deutsche Oper in Berlin vermochten mit einiger Kraftanstrengung durch ein systematisches Ausweichen ins Netz, präsent zu bleiben. (Die neue musikzeitung hat monatelang jede Woche auf dererlei Aktivitäten verwiesen.)

Wenn es aber Festspiele trifft? Im letzten Jahr gelang es den traditionsreichen Händelfestspielen in der Geburtsstadt des Meisters in Halle gerade noch am 6. Juni 2020 einen Händel Day im Netz zu arrangieren. Für den Jahrgang 2021 verbreitete man noch im Dezember des Vorjahres die Hoffnung auf echte 14-tägige Festspiele. Am 8. April folgte dann doch die offizielle Absage. 100 Veranstaltungen an 20 verschiedenen Orten – alle gestrichen. Nichts von dem, was bis 2019 gewachsen war und sich eingebürgert hatte, um den Barockmeister zu ehren und seiner Stadt ihr größtes Kulturereignis im Jahreslauf zu sichern. Geplant hatte man eh mit reduziertem Platzangebot und den diversen Einschränkungen. Auch beim Kartenvorverkauf war man nach dem Motto  Aus-Erfahrung-klug diesmal vorsichtig. 

Angesagt hatten sich eigentlich internationale Stars der Szene wie Lucy Crowe, Sandrine Piau und Kristina Hammerström oder die Countertenöre Andreas Scholl, Xavier Sabata und Raffaele Pé. Ensembles wie The King’s Consort mit Robert King, La Cetra Barockorchester Basel unter der musikalischen Leitung des aktuellen Händelpreisträgers Andrea Marcon. Als Festspielstammgäste waren auch Wolfgang Katschner und seine Lautten Compagney Berlin fest eingeplant. „Helden und Erlöser“ war das aktuelle Motto über dem Programm, das obendrein mit dem sich zeitlich anschließenden Bachfest Leipzig inhaltlich korrespondiert hätte.

Plan B – oder besser Plan D

Nun also doch nur Plan B – oder besser Plan D wie jetzt Händel digital. Das aber immerhin technisch hervorragend eingespielt und bis zum 13. Juni 2021 kostenfrei abrufbar. Ein paar Höhepunkte des ursprünglich geplanten Programms haben es sogar in diese digitale Version geschafft. 

Die traditionell vom Opernhaus Halle beigesteuerte Festspiel-Inszenierung „Brockes Passion“ („Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“) hat der designierte neue Hallenser Opernintendant Walter Sutcliffe immerhin bis zur Generalprobenreife „im Kasten“. Die Premiere ist in die neue Spielzeit verschoben. Schade auch, dass der von Martin G. Berger im Oktober letzten Jahres inszenierte hauseigene „Teseo“ nicht zu digitalen Festspielehren gekommen ist. Dass ausgerechnet die Oper Halle zu diesen Festspielen nicht Flagge zeigt, spricht nicht für das Haus.

Immerhin haben sich die Händelfestspiele und ihr Intendant Clemens Birnbaum weder davon, noch von der Pandemie lähmen lassen. So kommt in diesem Jahr dem szenische „Ariodante“ die Ehre der Hauptproduktion der Festspiele zu. Eigentlich passgenau für das Goethetheater Bad Lauchstädt vorgesehen, wo sich die Mailänder Marionetten von Carlo Colla e Figli schon des Öfteren zur Musik der Lautten Compagney Berlin bewegen ließen. Wolfgang Katschner und seine fabelhaften Musiker haben sich in Bad Lauchstädt längst so etwas wie ein musikalisches Hausrecht erspielt, oft mit der zweiten allemal umjubelten Opernpremiere der Festspiele. Doch das frisch renovierte Goethe-Theater wird sich erst im nächsten Sommer wieder in den Dienst von Händels Musik stellen können. Für die digitalen Händelfestspiele hat man im Mai die Inszenierung mit den Mailänder Bühnenakteuren im Stadttheater Schaffhausen aufgezeichnet. Alles ein wenig statisch natürlich, aber hübsch anzusehen. Für die Hallenser kommen da Erinnerungen an eine legendäre konzertante Aufführung des „Ariodante“ von 1997 in Bad Lauchstädt auf, bei der das musikalische Feuerwerk, das Marc Minkowski damit entfachte, selbst altgedienten Händelfans schlichtweg den Atem stocken ließ. 

Bei der aktuellen Produktion beeindruckten vor allem die unverbrauchten jungen Stimmen, die sich zu einem harmonischen und mitreißenden Ensemble fügten. Inga Schäfer (Ariodante), Hanna Zumsande (Ginevra), Aline Wilhelmy (Dalinda) oder David Erler (Polinesso) würde man gerne leibhaftig auf der Bühne wiedersehen und -hören. 

Die konzertante Aufführung von „Giulio Cesare in Egitto“ (in einer erstmals in der Neuzeit aufgeführten Fassung von 1725) mit dem La Cetra Barockorchester Basel unter Andrea Marcon schaffte es ebenfalls vom ursprünglichen Plan in die Netzvariante der Festspiele – auch die ist im Mai in Riehen bei Basel aufgezeichnet worden. 

Das Pasticcio „Lucio Papirio Dittatore“ mit von Händel bearbeiteter Musik seiner Zeitgenossen Geminiano Giaocomelli und Nicola Porpora ist in Ausschnitten zu erleben. Das Londoner Ensemble Opera Settecento unter dem Dirigenten  Leo Duarte hat es im Mai im Wiltshire Musik Centre in Bradford on Avon aufgenommen. Atemberaubend hier vor allem Contraaltistin Jess Dandy als Servillio. 

Daneben gibt es noch Solistenkonzerte:  Mit Lucy Crowe und The King’s Consort und Kantaten von Händel und Franz Xaver Richter. Mit Countertenor Andreas Scholl mit Flötistin Dorothee Oberlinger präsentiert unter dem Titel „Arie e Concerti Napoletane“ Arien von A. Scarlatti, L. Leo und Händel und mit Sopranistin Margriet Buchberger und dem Ensemble Schirokko Hamburg mit Händel Musik unter dem Motto: „Oh that I on wings could rise“. Auch diese Aufnahmen entstanden im Mai, die letzten beiden im Residenzschloss Arolsen bzw. in der Hamburger Kirche St. Anaschar. 

Eine Referenz an den Händelpreisträger 2021 lieferte sich Andrea Marcon gleichsam selbst, in dem er das Kurzkonzert zu diesem Anlass vom Cembalo aus leitete und die Gelegenheit nutzte, von ihm sehr geschätzte Nachwuchssänger wie Julia Kirchner (Sopran), Rachele Raggiotti (Mezzosopran), José Coca Loza (Bass) zu präsentieren. Alle drei für die Rubrik: Vormerken! Mit Arien aus Händels „Alcina“ und „Tamerlano“ und mit „seinem“ La Cetra Barockorchester Basel.

Was schmerzlich fehlt, ist der besondere Charme des ganzen Drumherums der Festspiele; mit Baroque Lounges, Jazz-Konzerten, Orgelnacht, Chorkonzerten, einem Poetry-Slam und Familienveranstaltungen. Es wird diesmal auch nicht die beiden traditionellen Open Air-Konzerte in der Galgenbergschlucht samt Feuerwerk geben. 

Ein kleiner Trost bleibt – der Jahrgang  2022 zum Einhundertsten der Festspiele in Halle hat die Chance, im Frühsommer nächsten Jahres schöner denn je zu strahlen. 


Programm:

Händel-Festspiele Digital - Das Programm
„Ariodante“ HWV 33, (szenische Aufführung)

Oper von G. F. Händel
Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Inszenierung: Franco Citterio und Giovanni Schiavolin
Solisten: Inga Schäfer (Ariodante), Hanna Zumsande (Ginevra), Aline Wilhelmy (Dalinda), David Erler (Polinesso), Robert Pohlers (Lurcanio, Odoardo), Elias Arranz (Il Re di Scozia)
Marionettistica Carlo Colla & Figli Mailand
Lautten Compagney Berlin
Aufnahme: Mai 2021 - Stadttheater Schaffhausen
Präsentiert von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse

„Giulio Cesare in Egitto“ HWV 17 (konzertant)
Oper von G. F. Händel (Fassung von 1725 – Neuzeitliche Erstaufführung)
Musikalische Leitung: Andrea Marcon (Cembalo)
Solisten: Emöke Baráth (Cleopatra), Beth Taylor (Cornelia), Carlo Vistoli (Giulio Cesare), Rachele Raggiotti (Tolomeo), Juan Sancho (Sesto), José Antonio López (Achilla)
La Cetra Barockorchester Basel
Aufnahme: Mai 2021 – Landgasthof Riehen bei Basel

„Lucio Papirio dittatore“ HWV A6 (Ausschnitte konzertant ohne Rezitative)
Opern-Pasticcio mit Musik von G. Giacomelli und N. Porpora
in der Bearbeitung von G. F.  Händel – Deutsche Erstaufführung
Musikalische Leitung: Leo Duarte
Solisten: James Hall (Quinto Fabio), Jennifer France (Papiria), Ruairi Bowen (Lucio Papirio), Helen Charlston (Rutillia), Jess Dandy (Servillio), Frederick Long (Marco Fabio)
Opera Settecento
Aufnahme: Mai 2021 – Wiltshire Music Centre, Bradford on Avon

Festkonzert mit Lucy Crowe: „Abbandonata“
Kantaten von Georg Friedrich Händel und „Fuga e Grave“ von Franz Xaver Richter
Musikalische Leitung: Robert King (Orgel)
Solistin: Lucy Crowe (Sopran)
The King’s Consort
Aufnahme: Mai 2021 - Alpheton New Maltings, Suffolk
Präsentiert von der GP Günter Papenburg AG

Festkonzert mit Dorothee Oberlinger und Andreas Scholl: „Arie e Concerti Napoletane“
Musik u. a. von A. Scarlatti, L. Leo, G. F. Händel
Musikalische Leitung: Dorothee Oberlinger (Blockflöte)
Solist: Andreas Scholl (Countertenor)
Ensemble 1700
Aufnahme: Mai 2021 – Residenzschloss Arolsen
Präsentiert von Orbis Real Estate GmbH

„Oh that I on wings could rise” – Die christliche Heldin und Märtyrerin Theodora
Musik von G. F. Händel
Musikalische Leitung: Rachel Harris (Violine)
Solistin: Margriet Buchberger (Sopran)
Ensemble Schirokko Hamburg
Aufnahme: Mai 2021 – St. Anschar, Hamburg

„Triumph, ihr Christen seid erfreut“
Musik von F. W. Zachow (Lehrer G. F. Händels)
Musikalische Leitung: Bernhard Klapprott
Cantus Thuringia
Capella Thuringia
Aufnahme: Mai 2021 – Johanneskirche, Weimar
Präsentiert von Mitteldeutsche Barockmusik e.V.

Kurzkonzert mit Arien von Georg Friedrich Händel
zu Ehren des Händel-Preisträgers 2021 Andrea Marcon
Arien von Georg Friedrich Händel aus „Alcina“ und „Tamerlano“
Musikalische Leitung: Andrea Marcon (Cembalo     d)
Solisten: Julia Kirchner (Sopran), Rachele Raggiotti (Mezzosopran), José Coca Loza (Bass)
La Cetra Barockorchester Basel
Aufnahme: Mai 2021 – Landgasthof Riehen bei Basel

Grußwort des Staatsministers und Ministers für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, Rainer Robra
Aufnahme: Mai 2021 – Staatskanzlei Magdeburg (in deutscher Sprache)

Das Thema „Helden und Erlöser“
präsentiert anhand von originalen Objekten
Aufnahme: Mai 2021 – Händel-Haus Halle (Saale) (in deutscher Sprache)

 

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