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Thomas Albert. Foto: Musikfest Bremen
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Musik als Laboratorium – Thomas Albert, Intendant des Musikfests Bremen im Gespräch

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Rund 19.000 Besucher kamen zu den 27 Veranstaltungen des 19. Musikfestes Bremen, das 2008 ein Gesamtkartenangebot von 23.757 Plätzen aufwies. Hans-Dieter Grünefeld stellt das Festival vor und hat mit dem Intendanten Prof. Thomas Albert ein Gespräch geführt.

Die Klammer von Musik, Wirtschaft und Politik hat Thomas Albert in der Nordwestregion fest gezurrt. Das von ihm gegründete und geleitete Musikfest Bremen GmbH ist zu 40 Prozent bei der stadtbremischen Holding Hanseatische Veranstaltungs-Gesellschaft und zu 60 Prozent bei drei privatwirtschaftlichen Gesellschaftern verankert. Mit ziemlich stabilen Daten hat es sich bei einer Auslastung von rund 80 Prozent der Gesamtkapazität von 30.000 Plätzen als zuverlässiges Kulturflaggschiff etabliert. Für den Unterhalt und die Wartung steht ein jährlicher Etat von durchschnittlich 2,7 Millionen Euro zur Verfügung, wovon derzeit die Hansestadt Bremen ein Viertel bzw. 700.000 Euro als konstante öffentliche Förderung übernimmt, ein weiteres Viertel wird aus dem Kartenverkauf gedeckt. Ungefähr 25 Sponsoren, Tendenz steigend, finanzieren die verbleibende Hälfte. Außer in Bremen – unter anderem im Ambiente des UNESCO-Welterbes Rathaus und des Konzerthauses „Die Glocke“ – finden Konzerte auch in Nachbarstädten wie Oldenburg, Verden und Wilhelmshaven sowie auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog statt.

Im Jahr 2008 hat der türkische Pianist Fazil Say den mit 25.000 Euro dotierten Musikfest-Preis erhalten. In der Begründung heißt, er sei„ein Brückenbauer zwischen den Kulturen“ und habe „gerade auf dem Gebiet der Kammermusik althergebrachte Programmschemata belebend aufgebrochen“. Die Charakterisierung des Preisträgers Fazil Say entspricht dem Festival-Konzept, nämlich repräsentative Tendenzen und verschiedene Sphären der zeitgenössischen Musik vorzustellen. So wurden renommierte Ensembles und Solisten eingeladen, die exquisites Kernrepertoire der Alten Musik aufführten (etwa Monteverdis „Vespro della Beata Vergine“ mit The Orchestra of the Sixteen, geleitet von Harry Christophers); gleichberechtigt wurde von Kristjan Järvi und dem Absolute Ensemble „Bach absolutely re-invented“, indem er die Inventionen durch einen Zeittunnel vom Barock bis zum Rock, Gypsy Folk, Latin und HipHop leitete. Das Minguet Quartett kombinierte das ihnen gewidmete 6. Streichquartett von Peter Ruzicka mit Werken von Beethoven und Schubert, sodass auch hier wie in den 26 anderen Konzerten Tradition und Moderne „von der Renaissance bis zur Gegenwart“ zusammen kamen.

Intendant Thomas Albert wurde 1953 in Bremen geboren. Er studierte Violine, gründete 1978 das Ensemble Fiori musicali und 1986 die Akademie für Alte Musik als erstes Ausbildungsinstitut für Alte Musik im deutschen Hochschulwesen. 1989 wurde er als Professor für Barockvioline an die Hochschule für Künste Bremen berufen und gründete im selben Jahr das Musikfest Bremen, dessen Intendanz er ununterbrochen bis heute innehat.

 

nmz-Online: Herr Albert, befinden Sie sich als Musikmanager nicht auf einem Schleudersitz?

T

homas Albert: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Eigentlich fühle ich mich nicht als Musikmanager, weil meine Aufgaben so vielgestaltig sind.

nmz-Online: Ist das Musikfest Bremen demnach so solide, dass Sie keine Risiken sehen?

Thomas Albert: Nein. Wir haben jeden Tag Risiken, etwa wenn es bei den Wunschkonstellationen von Künstlern und Programm irgendwo hakt, weil externe Agenturen durch eigene Terminpläne für ihre Künstler in unsere Planungen hinein steuern. Das ist ein wachsendes Problem. Wir sind aber die falsche Adresse für Festivaltourneekünstler. Künstler sollen ein paar Tage bleiben, um etwas Besonderes vorbereiten zu können. Wer sich nicht darauf einlassen kann, dem muss ich manchmal absagen.

nmz-Online: Wie funktioniert die Organisation?

Thomas Albert: Ich habe, bevor ich Intendant wurde, freiberuflich eigene Konzerte organisiert. Das ist ein Vorteil, weil man als Musiker lernt, was notwendig ist. Man braucht passende Menschen (wir sind hier ein hervorragendes kollegiales Team) und Rahmenbedingungen, Abstimmungen zu Programmen und deren Akzeptanz, Technik und Logistik. Das ist aber Standardwissen, Mittel zum Zweck. Aufgrund dieser Erfahrungen ist die Organisation eines Festivals nicht kompliziert.

nmz-Online: Beim Musikfest Bremen sind stets drei Sparten der zeitgenössischen Musik- und Interpretationsstile repräsentiert. Warum?

Thomas Albert: Meine Ausbildung habe ich im Kontext der historisch informierten Aufführungspraxis gemacht und mir dadurch ein bestimmtes musikalisches Alphabetverständnis angeeignet. Ein paar fundamentale Parameter sind in der Musik gleich. Denn es geht darum, was Musik reflektiert. Man kann nach meiner Überzeugung Klangbilder transformieren. Notation und Improvisation sind nahe beieinander, ein Phänomen, wofür das Repertoire und der Arbeitsstil von Kristjan Järvi und seinem Absolute Ensemble exemplarisch ist. Die Idee zum Musikfest Bremen basiert deshalb nicht auf wirtschaftlichem Kalkül, sondern auf dem Konzept, Musik als Laboratorium an der Zeitfront darzustellen und so den Standort Bremen und Umgebung kulturell aufzuwerten. Deshalb haben wir gleichberechtigt sowohl Konzerte mit Alter und Klassischer Musik als auch Avantgarde und Jazz. Diese Koexistenz der Musiksparten wird respektiert und auch so vom Publikum angenommen.

nmz-Online: Wie können Sie mit einem solchen Konzept Sponsoren begeistern?

Thomas Albert: Ich mache kein traditionelles Kulturmanagement, sondern beginne bei den Interessen meiner potenziellen Partner, zumeist Firmenchefs aus der Region, für die sie Verantwortung empfinden. Sponsoring betrachten sie als Investitionen in die Zukunft, in dem Sinne, dass sie im Publikum ihre Mitarbeiter und Kunden von morgen erkennen.

Überraschend war für mich oft, dass viele meiner Gesprächspartner aus der Wirtschaft akribische Musikkenntnisse haben. Ich versuche zu erklären, dass wir etwas für die Landschaft bei uns tun müssen, und zwar gemeinsam in hochwertiger Qualität: Topprodukte verbinden sich so mit Topmusik. Das ist dann insofern effektiv, als durch diese persönlichen Kontakte ein Vertrauensverhältnis zu den Sponsoren entstanden ist.

Unser Ziel war und ist, die Deiche als mentale Begrenzungen aus den Köpfen zu beseitigen. Über die Summe aller von uns gesammelten Kräfte freut sich die Politik, weil dadurch das Staatssäckel entlastet wird. So dominiert die Politik unser Festival nicht, sondern ist Katalysator und Partner. Neben dem regionalen Partner Radio Bremen haben wir seit 1995 mit Deutschlandradio eine kompetente überregionale Medienkooperation, sodass 80 Prozent unserer Konzerte bundesweit gesendet werden. Dieses Konzept hat sich bewährt.

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