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 Il trittico · Il tabarro 2022: Joshua Guerrero (Luigi), Asmik Grigorian (Giorgetta). © SF / Monika Rittershaus
Il trittico · Il tabarro 2022: Joshua Guerrero (Luigi), Asmik Grigorian (Giorgetta). © SF / Monika Rittershaus
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Was ist Sünde? Puccinis „Il Trittico“ bei den Salzburger Festspielen ein Publikumserfolg

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Wenn es mal nicht die Uraufführungsreihenfolge der drei Puccini-Einakter im Trittico von 1918 gibt, wie jetzt in Salzburg, dann ist man überrascht, dass es auch anders geht. Eingestellt ist man auf die Abfolge „Il tabarro“ (Der Mantel), „Suor Angelica“ (Schwester Angelica) und dann, nach so viel Tragischem als komödiantisches Schmankerl, „Gianni Schicchi“. Schon, weil man lieber beschwingt und lächelnd in die sommerliche Dunkelheit der Hofstallgasse und in seine Salzburger Festspielherberge zurückkehren würde. Und nicht mit dem tieftraurigen Ende der jungen Frau, der man das Kind wegnahm, sie ins Kloster verfrachtete und die sich dann umbringt und erst im Sterben ihrem längst toten Kind begegnet.

An die Uraufführungsreihenfolge hatte sich im März auch Tobias Kratzer gehalten, als der dieses Unikum des Repertoires auf die Bühne des La Monnaie in Brüssel brachte (unser Bericht). Christoph Loy und Franz Welser-Möst machen es jetzt im Großen Festspielhaus mit der dritten Neuproduktion des aktuellen Festspieljahrgangs anders. Sie fangen mit der deftigen Testamentfälscher-Komödie aus dem alten Florenz an, bei der sich der Titelheld, der mit dem Erblasser eigentlich das wenigste zu tun hatte, selbst zum reichlich bedachten Erben macht. Nach einer ersten Pause folgt das tödlich endende Eifersuchtsdrama aus dem Milieu schwer arbeitender Flussschiffer als Mittelstück und nach einer zweiten Pause beschließt Suor Angelica den Abend.

Er endet also gleichsam katholisch, was ja irgendwie in das von Kirchenarchitektur beherrschte Salzburg und zu den immer auch unter dem „Jedermann“-Logo segelnden Festspielen passt.

Neben den beiden anderen, ästhetisch wie intellektuell fordernden Neuproduktionen von Romeo Castelluccis Doppel-Abend mit Bartok und Orff und Koskys Menschen-Aufstellung mit Katja Kabanova, ist der Dreierabend vergleichsweise entspannend. Da ein instinktsicherer Regisseur wie Christoph Loy Regie führt, der allemal in der Personenführung die Wahrheit der Musik sprechen lässt, werden die hochästhetisch auf der Bühne des Großen Festspielhauses in den Räumen von Étienne Pluss immer noch gerade rechtzeitig davor bewahrt, ins allzu beliebig gefällige Nacherzählen oder gar ins gefühlig Kitschige abzugleiten.

Bei „Gianni Schicchi“ bringt Pluss das Kunststück fertig, das Sterbezimmer des reichen Onkels über die volle Bühnenbreite auszudehnen und dennoch die Enge eines Kammerspiels zu evozieren. Links ein Fenster zum Balkon, auf dem Lauretta die Vögel füttern soll, damit sie nichts von den Betrügereien mitbekommt. In der Mitte das üppige Sterbelager des Onkels und rechts eine Wand, vor der die gesamte Verwandtschaft hockt und die ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben will. Erst als das Gerücht und dann, mit dem aufgespürten Testament, die Tatsache die Runde machen, dass die Kirche alles erbt, sind sie wie die aufgescheuchten Hühner. Als der Plan gefasst ist, das Testament zu fälschen und sich dafür mit dem Schlitzohr Gianni Schicchi zu verbünden, werden sie regelrecht zu Aasgeiern!

Der aktuelle Salzburger Publikumsliebling Asmik Gregorian kann den Opern-Hit „O mio babbino caro“ ganz mit unschuldigem Augenaufschlag über die Rampe trällern und wickelt damit im Handumdrehen nicht nur ihren Papa (Misha Kirira), sondern gleich noch das gesamte Publikum um den kleinen Finger. Die Litauerin ist auch in den beiden folgenden Stücken der Star, besticht aber (darin ist sie ihrer Vorgängerin als Publikumsdarling Anna Netrebko, bei allen Unterschieden durchaus ähnlich, mit ihrem Ensemblespiel. Sie singt oder spielt sich in keinem der drei Teile unangemessen in den Vordergrund, setzt vielmehr auf ihr natürliches Charisma.   

Für den „Mantel“ gibt es dann rechts einen possierlich realistisch nachgebauten Lastkahn auf dem Bühnentrockendock sozusagen. Michele (Roman Burdenko) hat es nicht leicht, dieses mobile Unternehmen am Laufen zu halten. Eigentlich liebt er seine attraktive Frau Giorgetta. Er spürt auch, dass mit ihr irgendwas nicht stimmt. Bald findet er den Grund dafür. Es ist weniger der Verlust ihres Kindes, sondern der virile Luigi (Joshua Guerrero). Der liebt sie, lässt sich aber vom eifersüchtigen Ehemann erwischen und abstechen. Davor gibt es jede Menge Milieu, mit Drehorgel und spendiertem Rotwein der Chefin für die Arbeiter, mit der redseligen La Frugola (Enkelejda Shokosa) und einer ganze Truppe von tanzendem Personal. Ein klassischer Eifersuchtsmord, für den sich Puccini und sein Librettist Giuseppe Adami auch aus der Zeitung hätten inspirieren lassen können.

Das Kloster, in denen die Schwestern ihre kleinen, lässlichen Sünden begehen, ist dann wieder ein Raum mit atmosphärisch einfallendem Licht von der Seite. Angelicas kleines Kräutergärtchen davor ist ihr begrünter Balkon zur Welt. Wenn ihre Tante, La Zia Principessa in der Gestalt der eiskalten Familien-Managerin Karita Mattila auftaucht, sitzen sich die beiden Frauen zuerst an einem Tisch gegenüber, bis es aus Angelica herausbricht und sie auf die Tante losgeht. Es ist die selbstbewusste Gelassenheit, mit der Grigorian Angelica noch in der Verzweiflung über den Tod des Sohnes, von dem sie jetzt erfährt, ausstattet, die ein Überborden der Rührseligkeit verhindert. Sie hat ihre Nonnentracht abgelegt, ihr kleines Schwarzes wieder übergezogen, das man aufbewahrt hatte und auch eine Zigarette wie in ihrem früheren Leben geraucht bevor sie das Gift nimmt und der kleine Junge plötzlich auftaucht, als wäre er keine Vision, sondern das andre Leben….

Christof Loy auf der Bühne und Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker verlassen sich einfach auf Puccini und seine bewährten Überwältigungsqualitäten. Welser-Möst setzt dabei mehr auf Transparenz und Präzision als auf Pathos. Und die Wiener Philharmoniker lassen sich mit all ihrer Klasse auch darauf ein. Im Großen Festspielhaus treffen sie damit auf ein bereitwilliges Publikum. Zum Puccini-Fan muss man aber dennoch nicht gleich werden.   

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