Body
Mit einem Festakt feierte die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) am Dienstag in Berlin ihr 50-jähriges Bestehen sowie 500 Jahre Orchesterkultur in Deutschland. An der Veranstaltung im Konzerthaus am Gendarmenmarkt nahmen über 1000 Gäste teil. Bundespräsident Johannes Rau hielt eine Grußansprache. WDR-Intendant Fritz Pleitgen erhielt während des Festaktes den Hermann-Voss-Kulturpreis der deutschen Orchester.
Berlin (ddp). Rau warnte vor einer Gefährdung der Orchesterkultur. Kultur in Deutschland werde nicht immer als Pflicht betrachtet, sondern als Kür. Notwendige Maßnahmen zur Kostensenkung dürften aber «nicht die Substanz einer breitgefächerten Orchesterkultur gefährden».In der Welt werde Deutschland um den Reichtum seiner Orchesterlandschaft beneidet, sagte Rau. Institutionen und Verbände, Stiftungen und Unternehmen, die Musik fördern, hätten «längst erkannt, dass Musikkultur nicht zu einem Luxus werden darf, den sich immer weniger leisten können».
Wenn Kinder Musik machten, müsse das zu Anerkennung und weiterer Förderung führen, fügte Rau hinzu. Es reiche nicht aus, «wenn vorhandene Kreativität nur verwaltet wird». Für den 9. September kündigte Rau einen großen Projekttag Musik in seinem Amtssitz, dem Schloss Bellevue in Berlin, an. Initiativen und Projekte aus allen Teilen des Landes würden dazu erwartet.
Deutschland verfügt trotz eines dramatischen Stellenabbaus und rigoroser Finanzkürzungen noch immer über eine weltweit einzigartige Orchesterlandschaft. Die über 100 Orchester, von harten Kritikern auch manchmal als «schwerfällige Dinosaurier» und «Mausoleum für abgenudelte Klänge» bezeichnet, sehen sich wie die meisten Bühnen und anderen kulturellen Einrichtungen einem immer härter werdenden Verteilungskampf ausgesetzt.
Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden in den deutschen Orchestern 1714 Stellen eingespart, wobei allein fast 1400 Stellen auf die neuen Bundesländer und Ost-Berlin entfielen. Dort waren die meisten Orchester von Fusionen, Verkleinerungen oder sogar Auflösungen betroffen.
Die Gesamtzahl sank nach Angaben der DOV damit um 15 Prozent auf gegenwärtig 10 445 Stellen. Insgesamt existieren zur Zeit in Deutschland 82 Opernorchester, 35 Konzertorchester, sieben Kammerorchester, 14 Rundfunkorchester, vier Bigbands und sieben Rundfunkchöre. Die Spitzenposition nehmen hier laut DOV «unbestritten die Berliner Philharmoniker ein, gefolgt von vielen weiteren international bedeutenden Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, der Sächsischen Staatskapelle Dresden und dem Gewandhausorchester Leipzig».
Die Besetzungsgröße der Orchester reicht nach Angaben der Zeitschrift «Das Orchester» vom Leipziger Gewandhausorchester mit 185 Planstellen bis zum kleinen, 29 Musiker zählenden Orchester des Theaters in Lüneburg. Seit 1990 hat es allein in den neuen Bundesländern 27 Privatisierungen von Orchestern meist durch Umwandlung in eine GmbH gegeben. Die allgemeinen Kostensteigerungen sind DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens zufolge dadurch jedoch nicht aufgefangen worden. Die Berliner Philharmoniker wählten auf Initiative ihres Chefdirigenten Simon Rattle die Rechtsform einer Stiftung.