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Niedergang der deutschen Stadttheater befürchtet +++ Unruhige Zeiten für Hamburgs Kulturbetrieb
Niedergang der deutschen Stadttheater befürchtet
(mid) Berlin, 7/5/03. In einer Diskussion im Rahmen des 40. Theatertreffens Berlin hat Jürgen Flimm, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, die Finanzpolitiker verantwortlich gemacht "für die zynische Lage, in die die Kultur geraten ist". Auch die Anbindung der Theater an den Öffentlichen Dienst sei verantwortlich für die wirtschaftliche Notlage vieler Häuser. Wenn die erstarrte Tarifstruktur so bleibe, so Flimm, dann könne man sich in acht bis neun Jahren vom Deutschen Stadttheater verabschieden.
Die ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler, heute Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, regte an, in einer "logischen Stunde Null" für alle Theater einen radikalen Neubeginn durch einen Ausstieg aus dem Tarifgefüge und eine Neuordnung an allen Theatern zu wagen. "Die Struktur ist so grauenvoll", sagte Goehler, "wir können sie nur radikal in Frage stellen.
Im Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass es nicht darum geht, Tarifverträge abzuschaffen, sondern lediglich die von den Gewerkschaften einbetonierten Flächentarifsysteme, die die Theater strangulieren. Die Diskussion, an der die Intendantinnen aus Freiburg und Frankfurt, Amelie Niemeyer und Elisabeth Schweeger, sowie Johanna Schall, Schauspieldirektorin in Rostock, und Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, von 1990 bis 2002 Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, teilnahmen, wurde veranstaltet von der Bundeszentrale für Politische Bildung und den Berliner Festspielen.
Quelle: http://www.klassik.com/de/currents/news/latest.htm
Unruhige Zeiten für Hamburgs Kulturbetrieb
orf - Ein Zeichen setzen wollten sie beide, jeder auf seine Weise. Während Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher der umstrittenen Hamburger Kultursenatorin Dana Horáková im Februar den Bettel vor die Füße warf, erklärte Schauspielhaus-Intendant Tom Stromberg überraschend am Dienstag (6.Mai), er wolle weitermachen. Ein Dritter war indes gar nicht gefragt worden: Opernintendant Louwrens Langevoort wurde über seine Entlassung im Jahr 2005 informiert, ohne dass es nach seinen Angaben überhaupt inhaltliche Gespräche gegeben hätte.
Strombergs Angebot, für einen neuen Vertrag bis 2008 bereit zu stehen, gilt Beobachtern der Szene als geschickter Schachzug. Sie gehen davon aus, dass Horáková, selbst massiv unter Druck, den Intendanten bei Vertragsende 2005 gern los werden möchte. "Dass wir einfach gehen und der Senatorin die Arbeit erleichtern, das kann ja nicht sein", sagt Stromberg dazu. Bei der Vorstellung des neuen Spielplans im Schauspielhaus vermied er es auffällig, seine Kritik an der Kulturpolitik des Mitte-Rechts-Senats zu erneuern.
Vor einigen Wochen war das noch anders. "Ich höre hier nur noch von Jeff Koons als Gestalter auf St. Pauli, Hafenfesten und Polizeiuniformen, gestylt von Luigi Colani. Wenn das die Kultur ist, die Hamburg will, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht", meinte Stromberg. Doch nun ist er demonstrativ optimistisch und gut gelaunt. Und er weiß, worauf es am Ende ankommt: "Wir werden sicher auch die Einnahmen erhöhen müssen, noch mehr Publikum ansprechen."
Strombergs wunder Punkt ist die Auslastung der mit 1200 Plätzen größten deutschen Sprechbühne. Das Haus, das Gustaf Gründgens lange leitete und wo später Ivan Nagel und Peter Zadek wirkten, war auch finanziell in gutem Zustand, als Stromberg im Sommer 2000 die Nachfolge von Frank Baumbauer antrat. Doch die erste Spielzeit geriet daneben: Zum "größten Ärgernis des Jahres" wählten Kritiker die Hamburger Bühne, warfen Stromberg Missmanagement und Beliebigkeit vor.
Heute gibt Stromberg zu, dass zu Beginn der Eindruck entstanden war, man wolle das Publikum gar nicht. Doch spätestens mit der Berufung des Chefdramaturgen Michael Eberth steuerte er gegen. In der laufenden Saison gelangen beachtete Inszenierungen.
Der politische Gegenwind hält dabei unvermindert an. Die Hamburger CDU spricht von "Kopulationstheater", und die Kulturbehörde lässt verlauten, sie werde sich Strombergs Zahlen ganz genau ansehen. Dass der Theatermann nun plötzlich einen Schmusekurs mit der Senatorin fährt, kann sich niemand so recht vorstellen. Die Frage aber, wer von beiden bleibt, wer geht, ist noch nicht entschieden.