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8.11.: kulturpolitik aktuell +++ kulturpolitik

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Stuttgart: Im Kulturgüter-Streit steht Untersuchungsausschuss bevor +++ Berlin: Strafanzeige gegen Wowereit und Flierl gescheitert +++ Dresden: Roth kritisiert Wettiner wegen Rückgabe-Forderung von Kunstwerken

Stuttgart: Im Kulturgüter-Streit steht Untersuchungsausschuss bevor
Stuttgart (ddp). Im Kulturgüter-Streit in Baden-Württemberg steht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bevor. Die SPD-Landtagsfraktion in Stuttgart beschloss am Dienstag, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen. SPD-Fraktionschefin Ute Vogt betonte, das «skandalöse Verhalten» der Landesregierung im Umgang mit Kulturgütern des Landes sei nur so wirksam aufzuklären.
Vogt sagte, es sei «ein unglaublicher Vorgang», wie «leichtfertig» die Landesregierung bereit gewesen sei, Millionen von Euro für den Ankauf von Kunstwerken auszugeben, die schon seit Jahrzehnten im Besitz des Landes seien. Was vor 80 Jahren vom damaligen Kultusminister an Kulturgütern gerettet worden sei, hätte die Regierung von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) beinahe über Nacht «verscherbelt».
Der Kulturgüter-Streit wurde durch Pläne Oettingers ausgelöst, im Zuge eines Vergleichs mit dem Markgrafenhaus Baden wertvolle Handschriften der Badischen Landesbibliothek zu veräußern. Das Adelshaus sollte so 70 Millionen Euro zur Sanierung seines Schlosses Salem erhalten. Im Gegenzug wären Kunstgegenstände, die nach bisheriger Darstellung der Regierung dem Haus Baden gehören sollen, in Landesbesitz übergegangen. Inzwischen wurde bekannt, dass einzelne dieser Kunstwerke dem Land bereits seit langer Zeit gehören.
Oettinger hatte nach scharfer Kritik an seinen Plänen ein alternatives Konzept zur Finanzierung des umstrittenen Vergleichs angeboten. Demnach soll ein Teil des Geldes aus Mitteln der Landesstiftung, aus Spenden und aus Solidarbeiträgen von Kultureinrichtungen kommen. Inzwischen wurde die Einrichtung einer Arbeitsgruppe angekündigt, die die Eigentumsfragen klären soll.
Der Landtag hat gemäß Landesverfassung auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die SPD verfügt mit 38 von 139 Sitzen über ausreichend viele Mandate. CDU-Fraktionschef Stefan Mappus bezeichnete den Antrag der SPD als «unwürdig». Es sei lächerlich, wegen eines Versehens in einem Ministerium einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Berlin: Strafanzeige gegen Wowereit und Flierl gescheitert
Berlin (ddp-bln). Der Versuch, die für heute (Mittwoch, 8.11.) geplante Versteigerung des Ernst-Ludwig-Kirchner-Gemäldes «Berliner Straßenszene» in New York zu stoppen, ist gescheitert. Der Münchner Rechtsanwalt Daniel Amelung sagte der Nachrichtenagentur ddp am Dienstag, die Berliner Staatsanwaltschaft sei nicht bereit, wegen einer möglichen Beschlagnahmung des Bildes an die US-Justizbehörden heranzutreten. «Jetzt sind uns die Hände gebunden», betonte er. Möglicherweise werde es jedoch «ein Nachspiel» geben. Dazu wollte er sich jedoch nicht näher äußern.
Ein Münchner Kunstsammler hatte wegen der Rückgabe der «Berliner Straßenszene» an die Erbin der früheren jüdischen Besitzer Strafanzeige gegen Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Ex-Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) gestellt. Der Vorwurf lautete Verdacht der Untreue oder der veruntreuenden Unterschlagung. Grund waren Berichte, dass das Gemälde aus dem Berliner Brücke-Museum möglicherweise zu Unrecht als NS-Raubgut eingestuft worden und deshalb die Rückgabe rechtswidrig gewesen sei.
Mit der Strafanzeige sollte unter anderem erreicht werden, dass die Staatsanwaltschaft im Wege der Rechtshilfe die Beschlagnahme des Gemäldes in den USA zu erreichen versuche. So sollte die «rechtswidrige Veräußerung» verhindert werden.

Dresden: Roth kritisiert Wettiner wegen Rückgabe-Forderung von Kunstwerken
Dresden (ddp-lsc). Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Martin Roth, hat das ehemalige sächsische Herrscherhaus Wettin in der Debatte um die Rückgabe enteigneter Porzellanobjekte scharf kritisiert. «Mir fällt es schwer zu begreifen, dass es Menschen gibt, die ihren persönlichen Reichtum vor das kulturelle Erbe stellen», sagte er der «Bild»-Zeitung (Mittwochausgabe). Weder der sächsische Kurfürst August der Starke noch andere Vorfahren hätten auch in schweren Krisen so gehandelt. Die Wettiner fordern mehr als 1600 enteignete Porzellanobjekte aus den Staatlichen Kunstsammlungen zurück. Die Werke waren 1945 beschlagnahmt und zu Staatsbesitz erklärt worden.
Sie hatten 1999 zugestimmt, dass ein Großteil der Objekte gegen eine Entschädigung in den Museen bleiben darf. Das ehemalige Herrscherhaus erhielt damals 24 Millionen Euro. Die Wettiner verweisen aber nun auf eine Klausel in der Abmachung mit dem Freistaat, die Nachforderungen möglich macht.
Roth sagte, die Rückgabe-Forderung sei ein «Schlag ins Gesicht von 2,2 Millionen Museums-Besuchern pro Jahr. »Die Schätze gehören uns allen gemeinsam", fügte er hinzu.
Um die Rückgabe zu verhindern, will der Freistaat wertvolle Kunstwerke als nationale Kulturgüter unter Schutz stellen lassen. Damit will das sächsische Kunstministerium sicherstellen, dass die Objekte auch weiterhin in Museen öffentlich zu sehen sind. So wird derzeit geprüft, inwiefern Sachsen von seinem Recht Gebrauch macht, Kunstwerke in die Liste national geschützter Kulturgüter einschreiben zu lassen. Mit dem Schritt kann eine Veräußerung ins Ausland verhindert werden.