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Lehrbetrieb Theater: Der Deutsche Bühnenverein fürchtet Finanzmisere durch Ausbildungsplatzabgabe - Freie Theater sind nicht betroffen
Bonn/Hannover (ddp). Der Traum von den Brettern, die die Welt bedeuten, hat von seiner Faszination nichts eingebüßt. Geträumt wird er aber nicht nur von angehenden Künstlern, sondern auch von jungen Menschen, die Verwaltungsfachmann, Maler oder Tischler werden wollen. Derzeit gibt es an den deutschen Stadt- und Staatstheatern sowie den Landesbühnen etwa 900 Auszubildende. Nun droht den öffentlich getragenen Häusern mit der von der Bundesregierung geplanten Ausbildungsplatzabgabe nach Ansicht des Deutschen Bühnenvereins aber ein finanzielles Desaster.Das Problem ist die Quote. Wird sie wie geplant durchgezogen, könnte das die Häuser laut Bühnenverein bis zu sechs Millionen Euro kosten. Das werde die sowieso angespannte finanzielle Situation der deutschen Bühnen «noch weiter verschärfen», warnt der Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin.
Der Koalitionsentwurf sieht vor, dass Betriebe mit einer Ausbildungsquote von unter sieben Prozent in einen Lehrstellenfonds einzahlen müssen. Gelten sollen die Regelungen für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern. Wenn sich die Quote nun aber wie in anderen Betrieben auch in den Theatern aus der Gesamtzahl der Beschäftigten errechnet, fließen auch die Mitarbeiter ein, deren Beruf im Theater selbst gar nicht erlernt werden kann. Das sind laut Bühnenverein die meisten künstlerischen Berufe und damit knapp zwei Drittel aller Stellen.
Bolwin betont, die Theater könnten mit ihren derzeit rund 900 Ausbildungsplätzen die im Gesetzentwurf vorgesehene Quote von sieben Prozent erreichen. Dies gelte aber nur, «wenn - anders als im Gesetzentwurf vorgesehen - nur die 13 000 Mitarbeiter in den Berufen berücksichtigt werden, in denen eine Ausbildung am Theater angeboten werden kann». Insgesamt sind an den deutschen Bühnen 39 000 Menschen beschäftigt.
Der Bühnenverein fordert deshalb von der Politik, bei der Berechnung der Ausbildungsplatzabgabe die Beschäftigungsverhältnisse herauszunehmen, für die es keinen betrieblichen Ausbildungsweg gibt. Dadurch könnten sich die Kosten nach Berechnungen der Theatervereinigung auf zwei Millionen Euro reduzieren lassen.
Die häufig geäußerte Befürchtung, dass große Betriebe sich über die Abgabe von der Ausbildungspflicht freikaufen können, sieht Bolwin im Theaterbereich nicht. «Gerade die großen Häuser stellen viele Ausbildungsplätze, sie haben große Werkstattkapazitäten und sind teilweise sogar darauf angewiesen, ihren eigenen Nachwuchs heranzubilden», unterstreicht der Bühnenvereinschef.
Knapp 300 junge Leute haben im vergangenen Herbst eine Ausbildung an deutschen Theatern begonnen. Das war im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um elf Prozent. Die Ausbildungssituation an den Bühnen ist nach Ansicht des Bühnenvereins aber trotzdem «deutlich besser» als die allgemeine Lage: Branchenübergreifend wurden für den Herbst 2003 gegenüber dem Vorjahr 17 Prozent weniger Ausbildungsplätze gemeldet.
So gut wie gar keine Ausbildungsplätze bieten nach Angaben von Kirsten Hass, Vorstandmitglied im Bundesverband Freier Theater und Geschäftsführerin des Landesverbandes Niedersachsen, hingegen die Privattheater in Deutschland. Das werde sich bei einer möglichen Einführung der Abgabe aber nicht negativ auswirken, da die Freien Theater meisten nur ein oder zwei feste Angestellte hätten, betont Hass.
Über die Zukunft der großen Häuser hingegen entscheidet nun die Politik. Zumindest einen Hoffnungsschimmer streute am Donnerstag SPD-Chef Franz Müntefering. Über Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufe werde noch gesprochen, sagte er im Deutschlandfunk.