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Castorf bleibt stur - Festivalleiter will Arbeit in Recklinghausen fortsetzen - Mortier: Art des Umgangs erinnert an «DDR-Zeiten»
Berlin/Recklinghausen (ddp-nrw). In die Auseinandersetzung um die künstlerische Ausrichtung der Ruhrfestspiele Recklinghausen kehrt keine Ruhe ein. Der künstlerische Leiter des traditionsreichen Festivals im Ruhrgebiet, Frank Castorf, will seine Arbeit trotz der ihm am Dienstag zugestellten Kündigung fortsetzen. Castorf sagte am Mittwoch, er sei entschlossen weiter zu machen. Der Aufsichtsrat des Festivals hatte zuvor bekannt gegeben, dass der eigentlich bis 2007 laufende Vertrag mit Castorf unter anderem wegen des «dramatischen Besucherrückgangs» umgehend beendet werden soll.Der gebürtige Ostberliner Castorf betonte, die Kündigung, in der zur Begründung nur stehe, «wir kündigen Sie aus wichtigen Gründen», habe ihn «nicht besonders beeindruckt». Ihm seien solche Situationen nicht fremd, in der DDR habe er viele Arbeitsrechtsprozesse geführt.
Dass die zwei Lager in der Auseinandersetzung um die Festspiele jetzt «ein Gesicht bekommen» hätten, wertete Castorf positiv. Das bringe Aufmerksamkeit und löse einen «sportlichen Effekt» aus, im kommenden Jahr wolle jeder sehen, ob er sein künstlerisches Konzept trotz der Schwierigkeiten durchhalte.
Castorf betonte, mit dem diesjährigen Programm sei bei den Festspielen etwas Neues geschaffen worden, ein Aufbruch gelungen. Es sei wichtig, auf einem Festival, das traditionell eine politische und soziale Ausrichtung habe, auch andere Sichtweisen vorzustellen. Er sei sicher, dass er dafür über kurz oder lang auch ein größeres Publikum finden werde. Es sei jetzt an den Gesellschaftern der Ruhrfestspiele, an ihn heranzutreten, um für 2005 zu planen.
Zu der geringen Auslastung der Festspiele und den damit verbundenen Mindereinnahmen sagte Castorf, es gehe wohl nur noch «um einen Fetisch und der heißt Zahl». Die Zuschauerzahlen seien bisher aber mit Zirkusveranstaltungen oder Publikumsrennern wie Ulrich Tukur und seinen Rhythmus-Boys nach oben getrieben worden. Man müsse sich jedoch fragen, ob solche Veranstaltungen auf das Festival gehörten. Mit ihm sei ein solches Programm nicht zu machen, was von Anfang an klar gewesen sei. «Jeder konnte sehen, was ich mache».
Castorf kritisierte außerdem, dass die Gesellschafter nicht mit ihm diskutiert und analysiert hätten, was in der Spielzeit 2004 passiert sei. Die Verhandlungen seien allerdings von Anfang an «schwierig» und «von Misstrauen geprägt» gewesen. Castorf räumte ein, dass man im Rahmenprogramm der Festspiele über eine Konzentration nachdenken könne, und auch in der Vermittlung des Programms habe es in diesem Jahr noch an «Sinnlichkeit» und Übersichtlichkeit« gefehlt.
Rückendeckung bekam Castorf am Mittwoch vom bisherigen Intendanten der Ruhrfestspiele, Gerard Mortier. Er kritisierte, die Vorgehensweise des Aufsichtsrats erinnere »an die schlechtesten DDR-Zeiten, weil hier ein Verdikt ausgesprochen wurde, ohne die Gegenpartei gehört zu haben«. Einen künstlerischen Leiter zu entlassen, der gleich im ersten Jahr international gefeierte Künstler wie Luc Bondy, René Pollesch, Christoph Schlingensief, Calixto Bieito und Meg Stuart nach Recklinghausen gebracht habe, sei «ein Armutszeugnis ohnegleichen». Mortier, der Castorf vorgeschlagen hatte, war bereits am Donnerstag als Intendant der Ruhrfestspiele zurückgetreten.