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Heute diskutieren Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel, die Theaterintendanten Stephan Märki (Weimar) und Holk Freytag (Dresden), Hellmut Seemann (Stiftung Weimarer Klassik) und Klaus-Dieter Lehmann (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), die designierte Chefin des Weimarer Kunstfestes, Nike Wagner und der Mäzen Jan Philipp Reemtsma.
mdr - "Kultur und Staat. Welche Kultur brauchen wir?" Das fragt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung auf einem hochkarätig besetzten Podium am 10. Mai in Jena. Die Thüringer Kulturlandschaft dürfte genügend Beispiele des Um- und Abbruchs liefern, siehe die Kulturstadt Weimar, deren reiches Erbe die Kommune schlicht überfordert.Vor dem Zusammenbrechen kultureller Einrichtungen an allen Ecken und Enden der Republik warnt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Präsident Klaus Reichert beklagte vor der Frühjahrstagung in Jena, viele Einschnitte seien eine Folge von Sparmaßnahmen, "die nachlässige, interessenlose und zuweilen erschreckend ungebildete Politiker beschließen". Andererseits gebe es von Förderern aus der Wirtschaft Geld für eine riesige Unterhaltungsindustrie und häufig für eine leicht verdauliche Spaßkultur. Zunehmend stehe in Frage, was einmal unter Kultur und damit auch unter Bildung verstanden worden sei.
Ob es wirklich so schlimm steht, diskutieren am 10. Mai u.a. Ministerpräsident Bernhard Vogel, die Theaterintendanten Stephan Märki (Weimar) und Holk Freytag (Dresden), Hellmut Seemann (Stiftung Weimarer Klassik) und Klaus-Dieter Lehmann (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), die designierte Chefin des Weimarer Kunstfestes, Nike Wagner, und der Mäzen Jan Philipp Reemtsma. Die Thüringer Kulturlandschaft dürfte dem Podium genügend Beispiele des Um- und Abbruchs liefern.
Weimar ist mit rund 105 Millionen Euro Schulden ins Jahr 2003 gegangen. Fast 31 Millionen Euro machen die Anleihen zum Kulturstadtjahr Weimar 1999 aus, die 2008 zurückgezahlt werden müssen. Spielräume gibt es nicht mehr, muss Stadtkämmerer Egbert Meier verkünden. Drastisch formuliert: Anders als die Sozialhilfe beispielsweise, ist die Kultur keine kommunale Pflichtaufgabe.
Und so sollen nun in der Stadt der Dichter und Denker, die doch auch vom Tourismus lebt, u.a. die kommunalen Zuschüsse für "Leuchttürme" wie das Kunstfest oder die Stiftung Weimarer Klassik fallen. Am 30. April verabschiedete der Stadtrat ein entsprechendes Papier. Die Streichliste sieht des Weiteren vor, das Stadtmuseum im September 2003 zu schließen. Auch die Stadtbibliothek sowie die bekannte Mal- und Zeichenschule bekommen die Kürzungen zu spüren. Trotz der Einschnitte ist der Kulturposten mit rund 7,94 Millionen Euro, davon fließen 5,2 Millionen in die so genannte Hochkultur, und einem Anteil von 6,8 Prozent am Gesamthaushalt der Stadt im Vergleich zu 2002 leicht gestiegen. Das Geld kam aber nicht etwa neuen Projekten zu Gute, sondern fließt wegen steigender Tarife des öffentlichen Dienstes. Stadtkämmerer Egbert Geier kommentiert, Weimar stehe erst am Anfang eines harten Konsolidierungskurses.
Von außen gesehen sieht der nach Zick Zack aus. Bereits 2002 wollte sich die Kommune aus der Mitfinanzierung von Kunstfest und Stiftung Klassik zurückziehen. Dann machten Land und Bund Druck. Der Stadtrat beschloss daraufhin im Herbst, weiter rund zwei Millionen Euro für die Stiftung und 250.000 Euro für das Kunstfest aufzubringen. Daran geknüpft war die Zustimmung von Bund und Land zur Fusion der Stiftung Klassik mit den Kunstsammlungen zum 1. Januar 2003. In die Finanzierung des Stiftungs-Etats teilen sich Bund, Land und Stadt bisher zu 50, 40 bzw. zehn Prozent. Zur Stiftung gehören 22 historische Häuser, darunter das Goethe-Nationalmuseum sowie Schlösser und Parks, die auch auf der Welterbeliste der UNESCO stehen. Die Kunstsammlungen bringen u.a. das Bauhaus-Museum ein. Das Kunstfest, das ab 2004 unter dem Titel "Pélerinages" (Wallfahrt) firmieren und von Nike Wagner geleitet werden soll, beruht ebenfalls auf einer Mischfinanzierung mit städtischen, Landes-und Bundesgeldern. Gibt die Kommune weniger, sinken auch die anderen Zuschüsse.
Oberbürgermeister Volkhard Germer sieht einfach keine Möglichkeit mehr, dass Weimar mit seinen 63.000 Einwohnern Kultureinrichtungen vom Rang und Umfang einer Großstadt finanzieren muss. 2004 will die Stadt nun aus der Finanzierung der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen aussteigen, 2007 aus dem Kunstfest. Eine Arbeitsgruppe des Landes befasst sich nun mit dem Problem.
Unterdessen wurde mit der Kunsthalle die erste Kultureinrichtung der Stadt privatisiert. Mit Spannung dürfte von Intendanten und Kulturpolitikern der Republik wohl auch der Ausgang des "Weimarer Modells" am Deutschen Nationaltheater beobachtet werden. DNT und Staatskapelle werden als gemeinnützige GmbH geführt. Der Stadtrat hatte im Februar 2002 überraschend gegen die vom Land favorisierte Fusion mit der Bühne in Erfurt und für ein eigenständiges Modell gestimmt, das Generalintendant Stephan Märki in die Debatte brachte. Der Preis der Eigenständigkeit: Haustarifverträge, der Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ausgeglichen werden soll der Verzicht der Mitarbeiter durch ein Prämien- und Bonussystem. Das Land schießt weiter seinen jährlichen Anteil von rund 16 Millionen Euro zu, für die Kommune sind es rund 3 Millionen Euro. Bei ihr liegt auch das Risiko, denn die Stadt ist 100-prozentiger Gesellschafter der GmbH.
Möglicherweise lohnt das Risiko, denn seit dem "Machtwort" von Ministerpräsident Vogel im Juni 2002, die Thüringer Theater und Orchester sollten zukunftsfähige Konzepte vorlegen und miteinander kooperieren, scheint noch nicht viel auf den Weg gebracht zu sein. Gerade bat Meiningens Intendant Res Bosshart, das Land solle im Streit um die Fusion mit dem Theater Eisenach vermitteln.
Wunder gibt´s immer wieder: In Gestalt von Jan Philipp Reemtsma beispielsweise, Chef des Instituts für Sozialforschung und Mäzen. Ihm verdankt das Land die Erhaltung des Wielandgutes bei Oßmannstedt, das auch eine Liegenschaft der Stiftung Weimarer Klassik ist. Das Gut des Dichters Christoph Martin Wieland (1733-1813) wird ohne Landesmittel saniert, da Reemtsma rund 664.000 Euro spendete. Somit konnte das Land beim Bund Ostkultur-Fördermittel in gleicher Höhe einlösen. Mit der Sanierung des Wohnhauses soll das Wieland-Museum ausgebaut werden. Bislang erinnern nur zwei kleine Räume, die im Winter geschlossen sind, an die Werke des Dichters. Geplant ist zudem das Haus als Bildungs-, Forschungs- und Tagungsstätte zu nutzen. Auch sollen im Haus künftig mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei Wissenschaftler an der Herausgabe weiterer Wieland-Werke arbeiten.
Reemtsma selbst forschte und publizierte zu Wieland, der zwei seiner bekanntesten Romane - "Agathodämon" und "Aristipp" - in Oßmannstedt verfasste. Zu Gast waren dort neben Goethe, auch Jean Paul, Herder, Brentano und Kleist. Es war eine "kleine Republik von guten und glücklichen Menschen", schrieb Wieland über sein Haus. Aus Geldnot musste er das Gut 1803 verkaufen.
Quelle und mehr Infos: http://www.mdr.de/kultur/708109.html