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Theater als Versöhnungswerkstatt - Uraufführung von «Gegenseiten» - Viel Applaus für Heilbronner Gemeinschafts-Projekt israelischer und palästinensischer Autoren
Heilbronn (ddp-bwb). Ein einmaliges Experiment der Versöhnung hat am Samstag im Theater Heilbronn seine aufregende Uraufführung erlebt. Erstmals haben Autoren sowohl aus Israel als auch aus dem besetzten Palästina gemeinsam ein Theater-Projekt erarbeitet. Das Experiment forderte fast zwei Jahre Engagement, litt unter politischen und sonstigen Schwierigkeiten, doch es hat sich gelohnt.«Gegenseiten», in dem vier Autoren aus Israel und vier aus Palästina die Innensicht des Lebens im Konflikt Israel-Palästina auf die Bühne bringen und einen Dialog mit Mitteln des Theaters fortführen, der in der Politik schon lange nicht mehr möglich ist, wurde ein großer Erfolg. Am Ende der Szenen-Collage von fast drei Stunden Dauer gab es vom spürbar berührten Publikum nach betroffenem Schweigen großen Applaus und stehende Ovationen für die Schauspieler und vor allem für die Autoren Anat Gov, Elisheva Greenbaum, Dorine Munayyar, Ilan Hatsor, Sameh Hijazi, Imad Jabarin, Motti Lerner und Salman Natour, die auch gemeinsam auf die Bühne kamen.
Insgesamt elf Szenen aus dem Alltag, die sich teilweise auf authentische Begebenheiten berufen, zeigen exemplarisch teils in tragischer Parabel, teils in dramatischer Zuspitzung und teils satirisch und mit Anflügen von Humor das Zerstörungswerk politischer Zustände am Beispiel Einzelner, die dann doch für das Ganze stehen: Mütter in Angst um ihre Kinder, Kinder, die auch dann am Konflikt zugrunde gehen, wenn sie überleben, Soldaten, denen das Menschsein ausgetrieben wird, und Politiker, die das schon lange hinter sich haben. Ergänzt wird die Szenencollage durch authentische Interviews und Berichte, Zitate und vor allem Gedichte, die die zehn Schauspieler, die teilweise auch an ihre physischen Grenzen gehen müssen, im Stil der griechischen Tragödie im Chor sprechen.
Die Regie von Elmar Fulda baut auf die inhaltliche und formale Stärke der einzelnen Beiträge - ein Konzept, das das Bühnenbild aufnimmt. Dafür genügen eine große Projektfläche im Hintergrund, Wasser und Erde, Blumen, die blühen und zertrampelt werden, ein paar Steine an der Rampe zum Werfen, und Steine, die die Protagonisten zermalen, bürgerliche Idylle, durch die sich der Wahnsinn des Krieges leicht und schnell Bahn bricht.
Das Projekt, das der scheidende Intendant des Heilbronner Theaters, Klaus Wagner, seit fast zwei Jahren großen Schwierigkeiten zum Trotz unbeirrbar verfolgte, begann als Idee schon 1996, als er mit dem Heilbronner Theater auf Gastspielreise in Israel den «Nathan» auch in Gaza und Ramallah spielte. Kontakte mit Autoren wurden gesucht und gepflegt. Als die Schwierigkeiten für Begegnungen und Gedankenaustausch der Autoren untereinander vor Ort so groß waren, dass ein Zusammenkommen unmöglich schien, veranstaltete Wagner Workshops in Jerusalem und in Heilbronn. Private Sponsoren, die Stiftung Würth, die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg und das Peres Peace Center in Tel Aviv unterstützten das Projekt. Bundestagsvizepräsidenten Antje Vollmer (Grüne) schrieb in einem Grußwort: «Indem es die Wirklichkeit aus unterschiedlichsten Perspektiven und intensiven Szenen zeigt, weist \'Gegenseiten\' den Weg in einer andere mögliche Zukunft. Es sollte mehr solcher Theaterprojekte geben!»
Brigitte Fritz-Kador
(Weitere Aufführungen: Mittwoch 9. und Donnerstag, 10. April. Kartenvorbestellung: 07131/563001)