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Schindhelm gibt auf - Chef der Berliner Opernstiftung tritt wegen Wowereits «Bossing» zurück - Stiftung will sich noch nicht äußern - Schindhelm hält Sparvorgabe des Senats für unrealistisch
Berlin (ddp). Nach andauernden Querelen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat der Generaldirektor der Berliner Opernstiftung, Michael Schindhelm, seinen Job mit sofortiger Wirkung gekündigt. Eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Wowereit sei nicht mehr zumutbar, erklärte er in seinem von der «Berliner Zeitung» zitierten Kündigungsschreiben.Schindhelm, der das Amt erst im April 2005 angetreten hatte, erhob zugleich schwere Vorwürfe gegen den Regierungschef. Dieser habe durch seine Äußerungen in den vergangenen Wochen die Stiftung und deren Generaldirektor in Frage gestellt. Wowereits Verhalten sei «Bossing», also Mobbing durch den Chef.
Die Berliner Opernstiftung wollte sich zu der Personalie Schindhelm noch nicht äußern. Er könne die Meldung bisher weder dementieren noch bestätigen, sagte ein Sprecher. «Das Szenario ist derzeit noch unklar.»
Wowereit bewertete den Rückzug von Schindhelm als «persönliche Entscheidung». Diese müsse respektiert werden, sagte Wowereit, der künftig auch das Kulturressort in der Hauptstadt übernehmen soll. Damit ist er auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Opernstiftung.
Berlins Regierender Bürgermeister sagte weiter, es zeige sich zunehmend, dass die Opernstiftung bislang «nicht ausreichend zur Lösung der grundsätzlichen Probleme beigetragen hat». Es sei aber das «erklärte Ziel des Senats, alle drei Opernhäuser zu erhalten».
Hintergrund des Konflikts zwischen Schindhelm und Wowereit ist, dass Schindhelm die Sparvorgabe des Senats für unrealistisch hält, wonach die Zuschüsse bis 2009 um 16,8 Millionen Euro sinken sollen. Schindhelm plädierte für eine zeitliche Streckung.
Der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, sagte, wenn ein so erfahrener Mann wie Schindhelm zurücktrete, zeige dies, wie schwierig die Situation sei. Zudem werde deutlich, dass sich die geplanten Kürzungen nicht so einfach realisieren ließen. Nun müsse abgewartet werden, ob und welche Konsequenzen das Land Berlin aus der Kündigung ziehe.
Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Kulturexpertin Katrin Göring-Eckardt sagte, der Rücktritt Schindhelms sei bedauerlich, «aber mehr als verständlich». Schindhelm habe die Unterstützung des Regierenden Bürgermeisters gefehlt, «der offenbar nie ein echtes Interesse an einer Reform der Berliner Opernlandschaft hatte».
Ungeachtet seines Rückzugs wollte Schindhelm am Mittwoch bei der Sitzung des Stiftungsrates noch das von ihm erarbeitete Konzept zur Neujustierung der Opernstrukturen vorstellen. Im Kern dieses Konzeptes steht laut «Berliner Zeitung» die Umbildung der Deutschen Oper vom Repertoire- zum Semi-Stagione-Betrieb. Dabei stehe eine Aufführung mehrere Tage oder Wochen hintereinander auf dem Programm und werde dann komplett aus dem Spielplan genommen.
Das Konzept sieht den Angaben zufolge ferner vor, dass die Deutsche Oper nur noch zwei eigene Inszenierungen pro Jahr herstellt, die aber von anderen Opernhäusern übernommen werden. Im Gegenzug sollten vier Inszenierungen mit jeweils zwei Opernhäusern koproduziert werden. So könnten mehr als 90 Prozent der geforderten Einsparungen geleistet werden.
Nadine Emmerich
Die Berliner Opernstiftung
Berlin (ddp-bln). Die öffentlich-rechtliche Berliner Opernstiftung wurde zum 1. Januar 2004 ins Leben gerufen. Unter ihrem Dach vereint sie die Staatsoper Unter den Linden, die Deutsche Oper und die Komische Oper sowie eine Ballett GmbH und Bühnenservice GmbH. Die drei Bühnen sollen kooperieren, um Kosten zu senken, aber wirtschaftlich und künstlerisch eigenständig bleiben. Damit soll die Existenz aller drei Häuser langfristig gesichert werden. Im April 2005 übernahm Michael Schindhelm sein Amt als Generaldirektor der Stiftung, das er jetzt aufgab.
Die Stiftung war für 2004 mit einem Etat von 113,6 Millionen Euro ausgestattet. Die festgeschriebene stufenweise Zuschussabsenkung bis 2009 beträgt 16,8 Millionen Euro. Im Zuge der Reform sollen rund 220 von insgesamt knapp 2000 Arbeitsplätzen abgebaut werden.