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Unter dem Motto „Orchester zwischen Markt und Staat“ geht die nmz verschiedenen Modellen nach, mit denen Orchester in kulturpolitisch schwieriger Zeit versuchen, neue Wege zu beschreiten, um letztlich ihren Erhalt zu sichern. Diese neuen Konzepte sind dabei nicht ausschließlich auf der organisatorischen Ebene anzusiedeln, sondern können sich ebenso in der besonderen Gestaltung des Repertoirs niederschlagen.
Das Ensemble „Concerto Köln“ verbindet beide Elemente: Das junge Orchester arbeitet einmal als„Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ ohne staatliche Zuschüsse, und es widmet sich in seinen ausgefallenen Programmen vor allem dem Bereich der Alten Musik. Die nmz besuchte „Concerto Köln“ und sprach mit Geschäftsführer Olaf Lischke und drei Musikern über Möglichkeiten und Risiken einer solchen Ausrichtung im heutigen Konzertbetrieb. Die Idee des Konzertierens wird in der Regel als ein Wettstreiten verstanden, das sich wunderbar in das allgegenwärtige Prinzip des Konkurrierens einfügt. Der Begriff umfaßt allerdings auch noch den gelegentlich übersehenen Aspekt des gleichberechtigten Zusammenwirkens verschiedener Faktoren. Vor diesem Hintergrund ist der Name des 1985 von Studierenden in Köln gegründeten Orchesters Programm, denn der Erfolg von „Concerto Köln“ basiert inzwischen offensichtlich auf einer engen Verflechtung beider Bedeutungen des Konzertierens: Das Orchester ist als freies Ensemble ohne öffentliche Unterstützung dem Konkurrenzdruck auf dem Musikmarkt noch unmittelbarer ausgesetzt als manch andere kulturelle Institution. Die jungen Musiker erkennen darin einen nicht unerheblichen Nachteil gegenüber den subventionierten Einrichtungen, und sie bewerten den staatlichen Rückzug aus kultureller Verantwortung grundsätzlich als alarmierend. Hinzu kommt zu allem Überfluß, daß sich die öffentliche Hand zunehmend als äußerst kontraproduktiv herausstellt, wenn sie sich – statt zu fördern – gierig für die üppige Ausländersteuer öffnet, so daß vielen interessierten Künstlern aus den Nachbarstaaten im angeblich einigen Europa die Kooperation mit den deutschen Kollegen finanziell unmöglich gemacht wird. Da diese kurzsichtige Steuerwut auch vor Reise- und Unterbringungskosten nicht Halt macht, ist ein ausgewiesenes Reiseorchester wie „Concerto Köln“ ganz direkt betroffen. Trotz allem versucht „Concerto Köln“, neue Möglichkeiten des eigenen Modells aufzuspüren und nutzbar zu machen. Neben der inhaltlichen Suche nach einem unverwechselbaren Profil durch die Ausrichtung an ausgefallenen Repertoirs des 18. und neuerdings auch des frühen 19. Jahrhunderts bildet seit 1996 die Sponsoring-Partnerschaft mit dem TÜV Rheinland eine unverzichtbare Säule für die Existenz von „Concerto Köln“. Mittels seines finanziellen Engagements nehme der Sponsor dabei aber keineswegs Einfluß auf die künstlerischen Belange, betont der Geschäftsführer des autonom organisierten Orchesters Olaf Lischke. In gewisser Weise kommt „Concerto Köln“ damit eine Pilotfunktion für zukünftige Entwicklungen im Konzertbetrieb der Bundesrepublik zu, wenngleich die stützende Rolle des Staates sicher nicht von vornherein als obsolet angesehen werden sollte. Zu diesen äußeren Faktoren tritt als wichtiges Fundament für die erfolgreiche musikalische Arbeit die innere Struktur von „Concerto Köln“, die vor allem auf ein konstruktives, kreatives und gleichberechtigtes Zusammenwirken aller Beteiligten angelegt ist. Kontrabassist Jean-Michel Forest charakterisiert das folgendermaßen: „,Concerto Köln‘ ist von der Basis her organisiert. Hier werden nicht die Musiker von einer Administration engagiert, sondern wir Musiker wählen uns unsere eigene Administration und unsere Dirigenten.“ Vielleicht ist es ein erfreuliches Spezifikum der gesamten Alte-Musik-Szene, sich im Gegensatz zu anderen Orchestern eine derart demokratische Arbeitsweise leisten zu können. „Da steht am hinteren Pult einfach jemand auf und beginnt eine Diskussion“, beschreibt Geigerin Sylvie Kraus die Probensituation. In den meisten hierarchisch aufgebauten Klangkörpern des heutigen Konzertbetriebs wäre diese demokratische Arbeitsweise undenkbar, bleiben dort doch die zentralen Entscheidungen der Interpretation dem leitenden Dirigenten und allenfalls den Stimmführern vorbehalten, wie Sylvie Kraus feststellt: „Diese hierarchischen Strukturen haben das Problem, daß die Leute, die ganz unten stehen, mit der Zeit ihr persönliches Engagement verlieren. Dagegen kann man sich auch gar nicht wehren.“ Dahinter steht der zentrale Aspekt des Kommunizierens: „Concerto Köln“ zeigt, daß vor und während der Interaktion mit einem Publikum im günstigsten Fall immer auch der lebendige Austausch der Musiker untereinander stehen sollte – ein Aspekt, der sich auch unmittelbar auf den Klangcharakter eines Ensembles auswirkt. Geigerin Andrea Keller beschreibt dieses Prinzip als sehr hilfreich: „Jeder von uns fühlt sich dadurch sehr stark für das Ganze verantwortlich.“ Diese Verantwortung beginnt bereits mit der Auswahl des zu erarbeitenden Programms und der Koordination der jeweiligen Proben. In der Regel übernimmt einer der Musikerinnen und Musiker – oftmals der Konzertmeister Werner Ehrhardt – die Leitung der Einstudierung neuer Kompositionen. Die kontroverse Mitarbeit der Kollegen bleibt aber immer ein wichtiges Faktum.