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Berlin (ddp). Um den Tanz und die öffentliche Anerkennung seines künstlerischen Potenzials bundesweit zu stärken, hat die Kulturstiftung des Bundes den «Tanzplan Deutschland» ins Leben gerufen. Rund 12,5 Millionen Euro stellt sie dafür in den nächsten Jahren bereit.
Mit dem «Tanzplan vor Ort» wurden bundesweit Städte eingeladen, Konzepte zur Profilierung des Tanzes auszuarbeiten. 14 Städte reichten schließlich Konzepte ein. Ein erster Tanzkongress will zudem vom 20. bis 23. April in Berlin Tanzbegeisterte aus dem ganzen Land zusammenbringen. Mit der Direktorin der Bundeskulturstiftung, Hortensia Völckers, sprach ddp-Korrespondentin Angelika Rausch über die Bedeutung von Tanz in den Schulen und seine öffentliche Anerkennung.
ddp: Führt der Tanz ein Schattendasein in Deutschland, dass Sie ihn so vehement fördern?
Völckers: Offensichtlich machen die Städte nicht genug, denn die Nachfrage nach Tanzprojekten ist groß. Wenn an den Theatern gespart werden muss, dann betrifft es meistens zuerst den Tanz, ohne dass laut protestiert wird. Würde dagegen irgendwo die Sparte Schauspiel geschlossen, wäre der Teufel los. Der Tanz hat eben keine starke Lobby. In der bildenden Kunst und im Theaterbereich unterstützen wir auch große Projekte, nur im Tanz gab es bislang noch keinen Leuchtturm. Und in der Öffentlichkeit ist das Interesse am Tanz eigentlich viel größer, als man bislang anerkennt.
ddp: Gibt es also zu wenig Anerkennung für den Tanz?
Völckers: Ja, und das betrifft die Medien genauso wie die Politik und die anderen Sparten der Kunst. Ich bin in die Städte gefahren und habe mich mit denen, die mit Tanz zu tun haben, getroffen. Sie haben Projekte entwickelt und sie ihren Kommunalpolitikern vorgestellt. Es sind dabei keine Kunstprojekte entstanden und keine Festivals, es geht immer um die Vermittlung. Es ist zum Beispiel ein Lehrstuhl für Tanzpädagogik entstanden und es geht um die Choreografenausbildung. Bei allem müssen sich die Städte zu 50 Prozent an den Kosten beteiligen, damit wir als Bundeskulturstiftung kofinanzieren. Dieser Anstoß hat die Tanzszene in ihren Städten unheimlich konsolidiert. Auch renommierte Ballette wie in Stuttgart und in München machen mit bei der Vermittlung.
ddp: Welche Rolle spielt der Tanz in den Schulen?
Völckers: In den Schulen wird der Tanz heute nachgefragt, vor allem in den Ganztagsschulen. Es gibt 60 Schulen in Berlin, die Tanz anbieten zwischen Mathe und Latein - auch deshalb, weil die Kinder sich danach selber spüren und viel aufnahmefähiger sind. Sie werden dort nicht an die Stange gestellt und lernen den Pas de deux, sondern da geht es um etwas anderes. Bei Kindern ist im Tanz die Grenze von Sport zu Kunst fließend. Doch beim Tanz wird das Schwergewicht mehr auf den eigenen Ausdruck und die Kreativität gelegt, während beim Sport eher der Wettkampf eine Rolle spielt. Beim Tanz können die Kinder eher erfahren, dass es mehr gibt im Leben als abrechenbare, zählbare Leistung.
ddp: In der Tanzszene läuft vieles über freie Gruppen. Ist es nicht gerade der Charme der Szene, dass sie nicht institutionalisiert ist?
Völckers: Alle freien Tanzgruppen bekommen bei uns schon jetzt Subventionen. Jede freie Gruppe kann nur leben, wenn sie öffentliche Gelder bekommt. Es ist wichtig, auch diese freie Szene zu fördern, denn von dort kommen die neuen Ideen.
ddp: Wird der Tanzkongress dazu beitragen, den Tanz populärer zu machen?
Völckers: Wir haben ganz bewusst keine bestimmte Sparte des Tanzes nach Berlin eingeladen, sondern alle Bereiche. Wir werden ein Programm machen, wo sich alle wiederfinden: die Ballettfreunde ebenso wie die Anhänger des Tanztheaters. Außerdem haben wir Tanzhistoriker zu Gast, die berichten, wie man historische Aufführungen, zum Beispiel von Mary Wigman, rekonstruiert. Ein wichtiger Teil des Kongresses wird sich mit der Ausbildung im Tanz befassen.