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Musikrat: Presse-Erklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters

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Der Deutsche Musikrat hat Insolvenz angemeldet, weil seine Schulden sein Vermögen übertreffen. Das Loch ist deutlich größer als von den Verantwortlichen bei Antragstellung am 8.11.02 angenommen. Statt 500 T EURO Schulden einschließlich der Rückforderungen gibt es Verbindlichkeiten von über 1 Mio, ohne Berücksichtigung der Rückforderungsbescheide der öffentlichen Zuwendungsgeber, der Ansprüche des Finanzamts und der sonstigen Gläubiger.

Mit Darlehen ist eine Überschuldung nicht zu beheben, weshalb ich die Schuldscheinaktion des Generalsekretärs in eine Spendenaktion umgestaltet habe.

Die das Insolvenzverfahren regelnde Insolvenzordnung überlässt es den Gläubigern, über Liquidation oder Erhalt des Schuldners zu entscheiden. Der gerichtlich bestellte vorläufige Insolvenzverwalter hat das Vermögen des insolventen Schuldners ausfindig zu machen, zu erhalten und die Entscheidung der Gläubiger in der Gläubigerversammlung vorzubereiten.

In der Insolvenz können die Programme und das Engagement der Ehrenamtlichen erhalten und die Strukturen verbessert werden

Beim Musikrat besteht das Vermögen im wesentlichen aus immateriellen Werten, seinen in 50 Jahren gewachsenen Angeboten und Programmen und den Leistungen der über 65.000 Ehrenamtlichen, die in Ausschüssen und Einrichtungen des Musikrats und seiner Mitgliedsverbände tätig sind. Die Gläubiger werden den Musikrat nicht in der Hoffnung erhalten, aus erwirtschafteten Gewinnen befriedigt zu werden. Der gemeinnützige Musikrat hat keine Gewinnerzielungsabsicht. Er kann nur wegen seiner nicht in Geld auszudrückenden Leistungen für die Musik erhalten werden.

Die Lehre die diese Insolvenz erteilt: Bei der Erstellung seiner vielfältigen Leistungen hat der Musikrat bei Vermeidung seines Untergangs das ökonomische Prinzip zu beachten. Diese Erkenntnis ist bei den Verantwortlichen des Musikrats und bei deutschen Intellektuellen überhaupt noch nicht besonders ausgeprägt. Aber gerade in einer gemeinnützigen Organisation geht es darum, mit knappen Mitteln möglichst viel zu bewirken.

Vermögenserhalt in der Insolvenz des Musikrates bedeutet, das Engagement der Ehrenamtlichen zu erhalten und die Effizienz der Hauptamtlichen zu erhöhen. Gleichzeitig gilt es, die Identität des Musikrats als Dachverband der Musik in Deutschland zu wahren, klare Strukturen und persönliche Verantwortung festzulegen und brauchbare Information auch über die eigenen Zahlen zu liefern.

Satzungsänderung drei Geschäftsführer

Mit dem Rat der von mir berufenen Strukturkommission aus namhaften Persönlichkeiten des deutschen Musiklebens habe ich einen Vorschlag zur Änderung der Satzung erarbeitet, über den die außerordentliche Mitgliederversammlung am 15.Februar in Bonn abstimmen wird. Ich habe die Position des Generalsekretärs abgeschafft und durch eine dreiköpfige Geschäftsführung mit den Bereichen "Projekte", "Musikinformation und Politikberatung" sowie "Kaufmännisches" ersetzt. Das von den Mitgliedern gewählte Präsidium setzt die Ziele und überwacht deren Einhaltung. Dabei wird es unterstützt von Präsidialausschüssen, die es für die verschiedenen Projekte z.B. Jugend musiziert, die projektübergreifenden Themen z.B. Musikpädagogik und zur Erfüllung besonderer Aufgaben bilden kann. Ein besonderer Ausschuß befaßt sich mit der Rechnungsprüfung und berichtet hierüber der Mitgliederversammlung.

Mit der Satzungsänderung gilt es die Autonomie des Musikrats gegenüber Staat und Wirtschaft zu sichern.

Die Exekutive liegt bei den drei Geschäftsführern. Dem Geschäftsbereich Musikinformation wird die Politikberatung zugeordnet, die nur etwas bewirkt, wenn sie kompetente Information über Musik leistet. Der Geschäftsführer Projekte steuert, überwacht und vernetzt die Projekte. Jeder Projektleiter kennt sein Budget und ist persönlich für dessen Einhaltung verantwortlich. Den Bereich Musikinformation habe ich Frau Margot Wallscheid und die Projekte Herrn Dr. Peter Ortmann zugeordnet. Beide gehören seit langem dem Musikrat an. Die Stelle des kaufmännischen Geschäftsführers haben wir ausgeschrieben und zunächst kommissarisch aus dem Bereich der Kanzlei Westrick mit Herrn Kaspers besetzt. Herr Kaspers hat im Musikrat eine Buchhaltung mit Beständen eingeführt und zur laufenden Steuerung für jedes Projekt eine Kostenstellenrechnung. Jeder Projektleiter erhält 14 tägig die Auswertung für sein Projekt und den Musikrat insgesamt. Derzeit erstellen wir einen Projektkalender als Grundlage für eine effiziente Steuerung der persönlichen und sachlichen Mittel des Musikrats.

Der Haushalt 2003 sichert den Bestand des Musikrats

Obwohl die Kostenrechnung 2003 für den Musikrat insgesamt und einzelne Projekte noch eine Unterdeckung ausweist, habe ich mich entschlossen, zunächst alle laufenden Projekte zu erhalten. Durch Verzahnung der Projekte und Poolung ihrer Resourcen lassen sich Effizienzgewinne erzielen, die nach Bewältigung der Umbaukosten die Unterdeckungen überschreiten werden.

Jedes Projekt, jeder Standort, jedes Amt, jedes Gremium und jeder Mitarbeiter wird an seinem Beitrag für das Ganze gemessen. In den Verträgen der Mitarbeiter werden die Zulagen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag durch frei vereinbarte Zulagen ersetzt und die 40 Stundenwoche wieder eingeführt.

Die Einsicht in die Notwendigkeit der Veränderungen bei den Beteiligten ist stärker, wenn auch nicht lautstärker als die Kritik, für die ich auch danke, soweit sie konstruktive Beiträge geliefert hat.

Ich danke auch der Bundesjugendministerin Renate Schmidt und der Beauftragten für Kultur und Medien Christina Weiss sowie der Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder Prof. Dr. Karin von Welck für ihr Vertrauen. Sie haben dem vorläufigen Insolvenzverwalter schon wenige Wochen nach dem Insolvenzantrag die Restmittel für 2002 freigegeben und in einer zweiten Runde meinen mit der neuen Kostenstellenrechnung unterlegten, mit den Projektleitern abgestimmten Haushalt 2003 gutgeheißen und mich aufgefordert, auf dieser Grundlage die Zuwendungsanträge für die laufenden Projekte zu stellen. Damit ist ein Anfang für die Neustrukturierung des Musikrats gemacht. Der nächste Schritt heißt Festbetragsfinanzierung, die dem Musikrat gestattet, Drittmittel ohne Anrechnung auf die Zuwendung einzuwerben. Ich bin zuversichtlich, dies ohne Abzüge bei den in Aussicht gestellten Zuwendungen zu erreichen.

Appell an den Bundesaußenminister zum Erhalt der Verbindungsstelle

Ein besonders herzlicher Appell an den Bundesaußenminister Joschka Fischer, den ich für die 8 Millionen Mitglieder der Verbände des Deutschen Musikrats formuliere: Sie haben die Chance, einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Musikrats zu leisten ohne den Bundeshaushalt zu belasten. Belassen Sie dem Musikrat seine Verbindungsstelle, die sich um Chöre, Laien- und jugendliche Musiker im Ausland kümmert. Die vom Auswärtigen Amt seit langem geplante Übertragung dieser Abteilung auf das Goethe Institut Inter Nationes war vor dem Hintergrund der zurückliegenden organisatorischen Schwäche des Musikrates verständlich. Dem nunmehr von Bundestag und Bundesregierung unterstützten Erhalt des Musikrats wirkt sie diametral entgegen.


Ein zur Gläubigerversammlung vorzulegender Insolvenzplan soll den Musikrat von seinen Schulden befreien

Die Gläubigerversammlung wird das Gericht etwa Mitte März anberaumen. Bis dahin werde ich einen Insolvenzplan formulieren. Mit diesem Institut der Insolvenzordnung werden Gläubiger in Gruppen eingeteilt die unterschiedliche Befriedigung erhalten können. Die Besserstellung der Ansprüche der bevorzugten Gläubiger könnte u.a. aus den Spenden finanziert werden die ich jetzt einwerbe. Der vom Gericht bestätigte Insolvenzplan befreit den Musikrat zugleich von seinen Altschulden. Ich verpflichte mich, die Spenden nur zur Finanzierung der Besserstellung im Rahmen eines Insolvenzplans zu verwenden und ohne Abzüge zurückzuzahlen, sollte dieses Ziel nicht erreichbar sein.

Nach dem geschlossenen Rücktritt des Präsidiums unter Prof. Müller-Heuser arbeitet die neue Geschäftsführung bis zur Neuwahl des Präsidiums unter der Verantwortung des Insolvenzverwalters.

Das Wichtigste bei jedem Unternehmen sind die Menschen, die es tragen. Ich danke Frau Wallscheid und Dr. Ortmann, dass sie sich in der Krise ihrer beiden Geschäftsbereiche angenommen haben.


Wer nicht die nur die eigene Ehrung meint sondern der Musik im Lande dienen will, mag vortreten.