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Stuttgart (ddp). Nach dem Kurswechsel der baden-württembergischen Landesregierung im Handschriften-Streit will Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) den Verkauf von Kulturgütern zum großen Teil vermeiden.
Oettinger schloss am Dienstag (10.10.) in Stuttgart zwar nicht aus, dass einzelne Objekte zur Finanzierung des Vergleichs mit dem Markgrafenhaus Baden veräußert werden müssten. Dies sei aber «nachrangig». National bedeutsames Kulturgut solle keinesfalls verkauft werden.Oettinger konkretisierte sein «Drei-Säulen-Modell», das er in der vergangenen Woche nach nationalen und internationalen Protesten als Alternative zum geplanten Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Aussicht gestellt hatte. Demnach soll die Landesstiftung Baden-Württemberg aus ihrem Haushalt 2006 bis 2008 insgesamt zehn Millionen Euro zur Verfügung stellen. Bei Unternehmen oder Privatpersonen will sich Oettinger dafür einsetzen, dass sie weitere zehn Millionen Euro als Spenden leisten.
Dritte Säule soll ein Beitrag der Kultureinrichtungen des Landes sein. Als Möglichkeit nannte Oettinger, einzelne Sammlungsstücke zu verkaufen, aber als Dauerleihgabe der neuen Besitzer in den Museen zu belassen. Auch könne er sich vorstellen, die für Neuerwerbungen vorgesehenen Mittel der Museen und der beiden Landesbibliotheken teilweise «umzuwidmen», um den Vergleich damit mitzufinanzieren.
Bis März 2007 sollen so insgesamt 30 Millionen Euro zusammenkommen, um bereits erbrachte Aufwendungen des Hauses Baden für die Sanierung von Schloss Salem auszugleichen. Weitere 30 Millionen Euro, die in eine Stiftung für den langfristigen Erhalt des Schlosses fließen sollen, müssen laut Oettinger erst später aufgebracht werden. Hierfür nannte er ebenfalls die Landesstiftung als möglichen Geldgeber.
Mit dem Vergleich im Gesamtvolumen von 70 Millionen Euro will die Landesregierung einen Rechtsstreit über ungeklärte Eigentumsverhältnisse mit dem Adelshaus verhindern. Zur Finanzierung war zunächst geplant, Handschriften zu veräußern. In der Fachwelt hatte dies international einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen.
Heute (11.10.) kam es zu einer heftigen Debatte im Stuttgarter Landtag. Dazu folgende ddp-Meldung:
Kulturgüter-Streit: "Dilettantisches Verhalten"
Stuttgart (ddp) - Der Kulturgüter-Streit in Baden-Württemberg hat am Mittwoch zu einer hitzigen Debatte im Stuttgarter Landtag geführt. Er hatte sich am geplanten Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek entzündet.
Die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt warf Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) vor, die Landesverfassung, die Kunst und Denkmäler unter öffentlichen Schutz stelle, "mit den Füßen getreten" zu haben. Oettinger habe die Interessen des Adels über das kulturelle Erbe des Landes gestellt, kritisierte Vogt. Der Grünen-Kulturexperte Jürgen Walter sprach von einem "dilettantischen Verhalten" der Landesregierung und einem "immensen Imageschaden".
Oettinger verteidigte hingegen den geplanten Vergleich mit dem Markgrafenhaus Baden im Umfang von 70 Millionen Euro als "klug und richtig". Er räumte allerdings ein, seine Regierung habe inzwischen "selbstkritisch" die Erfahrung gemacht, dass Museumsdirektoren lieber auf Neuerwerbungen verzichteten, als vorhandene Bestände zu veräußern. Letztlich erhalte das Land mit dem Vergleich aber Kulturgüter im Wert von fast 300 Millionen Euro.
Mit dem Vergleich will das Land einen Rechtsstreit mit dem Haus Baden über Eigentumsverhältnisse verhindern. Das Adelshaus soll demnach 30 Millionen Euro für bereits erbrachte Leistungen zur Sanierung von Schloss Salem erhalten. Mit weiteren 40 Millionen Euro soll der Erhalt der Schlossanlage langfristig gesichert werden. Ursprünglich wollte die Regierung den Vergleich durch einen Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek finanzieren. Nach heftigen Protesten ist inzwischen ein Alternativmodell vorgesehen.
Im Zuge des Vergleichs sollen verschiedene Kunstgegenstände unwiederbringlich in Landesbesitz übergehen. Nach Auffassung der SPD gehören diese Objekte allerdings längst dem Land.