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Schindhelm will trotz Ausstieg an Opernreformkonzept festhalten

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«Die einzige Alternative» - Chef der Berliner Opernstiftung will Reformkonzept trotz Rückzugs fortsetzen - Schindhelm zog Kündigung mit sofortiger Wirkung zurück und bleibt bis zur Amtsübergabe im April +++ ddp-Interview mit Michael Schindhelm +++ Beschlüsse des Stiftungsrates Oper in Berlin

Berlin (ddp-bln). Der Generaldirektor der Berliner Opernstiftung, Michael Schindhelm, will trotz seines Ausstiegs bis April 2007 weiter an seinem Konzept zur Reform der Berliner Opern arbeiten. Er wolle den Übergang schaffen, «dass diese momentan einzige konkrete Alternative, welche die Opern haben, politisch ernsthaft erwogen wird», sagte Schindhelm am Mittwoch im ddp-Interview. Der 46-Jährige hatte seinen Job erst mit sofortiger Wirkung gekündigt, sich dann jedoch entschlossen, noch viereinhalb Monate im Amt zu bleiben. Sein Nachfolger wird kommissarisch sein Stellvertreter Stefan Rosinski.

Schindhelms Kündigung nach nur rund eineinhalb Jahren im Amt waren anhaltende Querelen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vorausgegangen. Eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Wowereit sei nicht mehr zumutbar, erklärte Schindhelm in seinem von der «Berliner Zeitung» zitierten Kündigungsschreiben. Wowereit habe durch seine Äußerungen die Stiftung und deren Generaldirektor in Frage gestellt.

Nach der Sitzung des Stiftungsrates am Mittwoch gab sich Schindhelm dennoch optimistisch. Er sei mit einer «vernünftigen Perspektive» für sein Konzept überzeugt worden, nicht sofort zu gehen. Mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit Berlins Regierungschef sagte er, es gehe ihm um «die Sache». Auch Wowereit sei der Meinung, Berlin brauche weiterhin drei Opernhäuser. «Von daher sind wir in der Sache vielleicht gar nicht auseinander.» Schindhelm geht zudem davon aus, dass sich auch sein Nachfolger an seinem Konzept orientieren werd.

Wowereit, der künftig auch das Kulturressort übernimmt und damit zugleich Vorsitzender des Stiftungsrates der Opernstiftung ist, bewertete den Rückzug Schindhelms als «persönliche Entscheidung». Zugleich kritisierte er, es zeige sich zunehmend, dass die Opernstiftung bislang «nicht ausreichend zur Lösung der grundsätzlichen Probleme beigetragen hat». Es sei aber das «erklärte Ziel des Senats, alle drei Opernhäuser zu erhalten».

Hintergrund des Konflikts zwischen Schindhelm und Wowereit ist, dass Schindhelm die Sparvorgabe des Senats für unrealistisch hält, wonach die Zuschüsse bis 2009 um 16,8 Millionen Euro sinken sollen.

Der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, sagte, wenn ein so erfahrener Mann wie Schindhelm zurücktrete, zeige dies, wie schwierig die Situation sei. Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Kulturexpertin Katrin Göring-Eckardt nannte den Rücktritt «mehr als verständlich». Schindhelm habe die Unterstützung Wowereits gefehlt, «der offenbar nie ein echtes Interesse an einer Reform der Berliner Opernlandschaft hatte».

Schindhelms Pläne zur Neujustierung der Opernstrukturen sehen im Kern die Umbildung der Deutschen Oper vom Repertoire- zum Semi-Stagione-Betrieb vor. Der Stiftungsrat will, dass dieses Konzept vertieft wird. Auf der nächsten Sitzung am 29. November wollen sich Stiftungsrat und Vorstand detailliert damit befassen.


Interview
Mit Schindhelm sprach ddp-Korrespondentin Nadine Emmerich:

ddp: Wie hat man Sie überredet, noch vier Monate zu bleiben?

Schindhelm: Mit einer vernünftigen Perspektive für mein Konzept. Ich habe das Gefühl, dass wir heute im Stiftungsrat ein gutes Gespräch darüber gehabt haben. Ich hatte das Gefühl, dass der Stiftungsrat sich die Sache ernsthaft vornehmen möchte. Das gibt mir die Möglichkeit, auch nach dem Ausscheiden von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) weiter dieses Konzept vertreten zu können. Und damit den Übergang zu schaffen, dass diese momentan einzige konkrete Alternative, welche die Opern haben, politisch ernsthaft erwogen wird.

ddp: Können Sie sich denn künftig noch eine gute Zusammenarbeit mit dem Regierenden Bürgermeister vorstellen?

Schindhelm: Das wird sich zeigen. Man muss klar sagen, dass ich nicht unmittelbar ständig mit Herrn Wowereit zusammenarbeiten muss. Abgesehen davon geht es mir weiterhin um die Sache, und ich habe das Gefühl bekommen, dass der Stiftungsrat das auch so sieht. Herr Wowereit hat heute bekannt gegeben, dass er auch der Meinung sei, Berlin brauche weiter diese drei Opernhäuser. Dafür ist mein Konzept ein Vorschlag. Von daher sind wir in der Sache vielleicht gar nicht auseinander.

ddp: Was kann Ihr Nachfolger erreichen?

Schindhelm: Das hängt jetzt von der Debatte ab, die über das Konzept entstehen wird und über die Opern in Berlin insgesamt. Ich glaube, es braucht die Debatte noch einmal neu. Wenn das Land Berlin seine Verpflichtung weiterhin so sieht, nämlich keine Oper zu schließen, dann wird es sicherlich bei den finanziellen Rahmenbedingungen bleiben. Aber dazu gibt dieses Konzept eine Antwort, und wahrscheinlich wird mein Nachfolger sich dann vor allem daran orientieren oder an einer Modifikation davon.

ddp: Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Schindhelm: Ich gehe davon aus, noch eine ganze Weile Zeit zu haben, bevor ich überhaupt einem Nachfolger gegenübertreten werde. Und wir müssen jetzt erst mal die Entwicklungen der nächsten Wochen abwarten. Wenn es an der Zeit ist, endgültig zu übergeben, wird es sicher aktuell Dinge zu sagen geben, die ich aber heute noch nicht vorweg nehmen möchte.

ddp: Ihr Konzept wird jetzt vertieft und wenn es fertig ist, müssen Sie es abgeben. Tut das nicht ein bisschen weh?

Schindhelm: Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um Emotionen spielen zu lassen. Es ist jetzt so, wie es ist, und machen wir das Beste daraus.

ddp: Wissen Sie schon, wie es bei Ihnen weiter gehen wird?

Schindhelm: Nein, das ist ein bisschen sehr taufrisch, was wir gerade hier erleben. Und im Moment lebe ich in der Gegenwart und nicht in der Zukunft. Es wird sicherlich weitergehen, darum mache ich mir keine Sorgen.


Nadine Emmerich


Beschlüsse des Stiftungsrates Oper in Berlin
Der Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Oper in Berlin, Dr. Thomas Flierl hat nach der außerordentlichen Stiftungsratssitzung vom 15. November 2006 mitgeteilt, dass in Abänderung der außerordentlichen Kündigung des Generaldirektors Michael Schindhelm ein Aufhebungsvertrag vereinbart wurde, nach welchem das Vertragsverhältnis zum 01.04.2007 endet. Schindhelm soll sich vorrangig der konzeptionellen Arbeit zur Fortentwicklung der Stiftung Oper in Berlin und der Einarbeitung seines Stellvertreters in die Aufgabe des Generaldirektors widmen.

Der Stiftungsrat, so weiter, nehme zur Kenntnis, dass der Berliner Senat keine Veränderung des Zielbudgets für die Opernstiftung sowie keinen Landesanteil für die Sanierung der Staatsoper in Aussicht stellt. Vor diesem Hintergrund unterstütze der Stiftungsrat die Bemühungen des Regierenden Bürgermeisters, die Bundesregierung für die Übernahme der alleinigen Trägerschaft der Staatsoper zu gewinnen. Der Stiftungsrat weise gleichzeitig daraufhin, dass die Sanierung der Staatsoper keinen weiteren Aufschub duldet.

Vor dem Hintergrund des unveränderlichen Zielbudgets der Stiftung Oper in Berlin sehe der Stiftungsrat die Notwendigkeit zu Eingriffen in die bestehende Strukturen der Opernbetriebe. Der Stiftungsrat hat hierzu mehrere ernsthafte Alternativen erörtert, insbesondere auch die konstruktive Variante des von Michael Schindhelm vorgeschlagenen semi-stagione-Betriebes an der Deutschen Oper. Der Stiftungsrat hat Michael Schindhelm gebeten, das Papier konzeptionell weiter zu vertiefen.

Auf der nächsten ordentlichen Sitzung des Stiftungsrates am 29. November 2006 werde sich der Stiftungsrat und der Vorstand der detaillierten Erörterung des Schindhelm-Konzeptes sowie möglicher Alternativen widmen.