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Soziale und kulturelle Aufgaben der GEMA: Ihre Erfüllung und ihre Gefährdungen

Untertitel
Aus der Rede des Vorstandsvorsitzenden Reinhold Kreile bei der Mitgliederversammlung
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Seit Jahren weise ich darauf hin, welcher Streit um die sozialen und kulturellen Aufgaben der Verwertungsgesellschaften immer wieder aufflackert und nunmehr geradezu entbrennt. Selbstverständlich sind die Verwertungsgesellschaften Inkasso-Unternehmen, die ihrer vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Pflicht nachkommen, die angemessene Vergütung für die Urheberrechte, die ihnen von den Komponisten, Autoren und Verlegern übertragen worden sind, hereinzuholen und das Inkasso zutreffend, nämlich nach festen gleichen Regeln zu verteilen. Aber die Verwertungsgesellschaften sind darüber hinaus auch die Selbstverwaltungs-Organisationen der schöpferischen Menschen, die von Staat und Gesellschaft immer wieder den höchstmöglichen Schutz für ihr geistiges Eigentum, also für ihre Werke, einfordern; insoweit haben die Verwertungsgesellschaften – und an ihrer Spitze steht in Deutschland (nicht nur ihrem Volumen nach) die GEMA – maßgebenden Anteil an der Rechtsentwicklung, und so wird denn die GEMA nicht müde, sowohl bei dem nationalen Gesetzgeber – dem Bundesjustizministerium und dem Deutschen Bundestag – den größtmöglichen Schutz einzufordern als auch bei dem europäischen Gesetzgeber: die EG-Kommission muß und wird immer wieder die Forderung der Urheber hören, daß gerade bei der fortschreitenden Digitalisierung der Informationsmöglichkeiten, der fortschreitenden Möglichkeit, Urheber- rechte in ungeahnt hohem Maße zu nutzen, eine europäische kulturelle Verpflichtung besteht, die Harmonisierung des Urheberrechts stets auf dem höchsten Stand voranzutreiben. Des weiteren muß sich eine Gesellschaft – und auch der Staat – immer darüber im klaren sein, daß der Schutz des Urhebers es im jeweiligen Nationalbereich erfordert, aus den Möglichkeiten dieses nationalen Bereiches, für uns also des großen deutschen Musikmarkts, die sozialen und kulturellen Mittel bereitzustellen, die für das Wachsen und Gedeihen der musikalischen Kultur in Deutschland notwendig sind. Die GEMA erfüllt diese kulturelle Verpflichtung in beispielhafter Weise durch ihre Sozialkasse und durch die Wertungsverfahren. Damit kommt die GEMA dem Auftrag, ja dem Gebot, des Gesetzgebers nach, den er in den Paragraphen 7 und 8 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes formuliert hat: daß nämlich die Verwertungsgesellschaft Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für die Inhaber der von ihr wahrgenommenen Rechte einrichten soll, und daß der Verteilungsplan dem Grundsatz entsprechen soll, daß kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind. Die finanziellen Mittel für diesen vom Gesetzgeber aufgegebenen Sozial- und Kulturauftrag, also bei der GEMA für deren Sozialkasse und für die Wertungsverfahren, die Bestandteil des Verteilungsplans sind, stammen aus den unverteilbaren Beträgen und aus dem 10 %-Abzug von den – selbstverständlich um die Kosten gekürzten – Erträgen aus dem Aufführungsrecht, also vornehmlich aus den typischen Erträgen der kollektiven Rechtewahrnehmung. Der Solidarcharakter der kollektiven Wahrnehmung und die Solidarität innerhalb der Verwertungsgesellschaft – ohne diese beiden Elemente kann keine kollektive Wahrnehmung mit dem Ziel der sachgerechten individuellen Verteilung vorgenommen werden – findet hierin seine ganz spezielle Ausprägung. Gleichwohl werden dieser – nach unserer Auffassung der kollektiven Wahrnehmung immanente – Solidarcharakter und das Solidaritätserfordernis immer schärfer bekämpft. Es sind zumal die anglo-amerikanischen Rechteinhaber, die auch in ihren eigenen Ländern keinen Zusammenhang zwischen dem kulturellen Auftrag des Urheberrechts und dem Inkasso kennen: Sie erkennen nicht und wollen auch nicht erkennen, daß gerade die Breite der musikalischen Kultur eines Landes von der Pflege der musikalischen Kultur – und diese setzt eben bestimmte finanzielle Mittel voraus – abhängt. So ist es beispielsweise außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich, unseren englischen Partnern verständlich zu machen, daß eine Reihe englischer Komponisten – und dies gilt sowohl für die U-Musik wie auch gerade für die E- Musik – in Deutschland deswegen so viel häufiger aufgeführt werden, weil seit Jahrzehnten hierzulande die besseren Voraussetzungen für Aufführungsmöglichkeiten geschaffen werden. Durch die Wertungsverfahren und ihre Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen werden die deutschen Komponisten in die Lage versetzt, für die Breite der musikalischen Kultur zu sorgen. So werden denn gerade auch englische Komponisten und ihre Werke in das deutsche Musikleben integriert, und die Voraussetzungen dafür sind eben die Möglichkeiten der kulturellen Förderung, welche der Verteilungsplan der GEMA ermöglicht. Dieser Hinweis und diese Verdeutlichung ist bisher von den englischen und auch den amerikanischen Partnern der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA nicht verstanden worden, ganz im Gegensatz zu den französischen, italienischen, spanischen, schweizerischen und österreichischen Partnern, welche die gleichen Grundsätze, wenn auch in verschiedener Ausgestaltung, praktizieren. Denn auch in diesen zentraleuropäischen Ländern haben die Gesetzgeber und ihnen folgend die Verwertungsgesellschaften den Grundsatz verstanden, daß die Politik schlechthin, aber insbesondere die Urheberrechtspolitik, mit einer kulturellen Idee zu überwölben ist. Die Förderung kulturell bedeutender Werke und Leistungen auf möglichst breiter Grundlage und die Gestaltung sozialer Unterstützungseinrichtungen für die Urheber scheint mir eine der wichtigsten kulturellen Ideen zu sein, die auch nunmehr in den neuen europäischen Verträgen um Maastricht ihren Platz gefunden haben. Gleichwohl: Der Kampf spitzt sich zu. Der englische Komponisten-Verband ist vor zwei Jahren massiv an die deutsche Bundesregierung herangetreten, um den 10 %-Abzug zu Fall zu bringen. Mit großer Deutlichkeit hat die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – nicht nur für sich, sondern für die ganze Bundesregierung sprechend – den Abzug für soziale und kulturelle Zwecke als mit dem deutschen Recht und auch dem europäischen Recht im Einklang stehend bezeichnet, ja sie ging sogar so weit, zu erklären, daß dieser Abzug, gäbe es ihn nicht, geschaffen werden müßte. Trotz dieser authentischen Interpretation der Vorschriften des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes durch den Justizminister hat sich nunmehr auch die englische Verwertungsgesellschaft PRS an die Kartellbehörden gewandt mit dem Versuch, diesen Sozial- und Kulturauftrag des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes mit kartellrechtlicher Begründung zu beseitigen. Die englische PRS meint – um es ganz vereinfacht zu sagen –, die GEMA könne im Gegenseitigkeitsvertrag nicht von ihr verlangen, daß von der Ausschüttung für Werke von – weitgehend englischen – PRS-Komponisten ein Abzug, seien es 10 % oder sei es auch nur 1 %, vorgenommen werde: wenn die GEMA dies verlange, mißbrauche sie ihre marktbeherrschende Stellung in Deutschland. Dieser Auffassung tritt die GEMA entschieden entgegen. Denn wenn diese kartellrechtliche Beurteilung der PRS sich durchsetzte, dann würden nicht nur das soziale Werk der GEMA und das Wertungsverfahren schweren Schaden nehmen, auch alle anderen europäischen Länder, in welchen durch die Verwertungsgesellschaften der 10 %- Abzug – ohnehin aufgrund einer bereits 1953 beschlossenen Empfehlung der Dachorganisation der musikalischen Verwertungsgesellschaften in aller Welt, der CISAC – vorgenom- men wird, würden massiv darunter leiden. Die GEMA hat deswegen sehr nachdrücklich den an dieser zunächst kartellrechtlichen Problematik interessierten und mit ihr befaßten Institutionen dargestellt, daß es hier nicht nur um eine auf das Kartellrecht bezogene Einzelfallbeurteilung geht, sondern daß hier das gesamtökonomische und kulturelle Gefüge der kollektiven Rech-tewahrnehmung in Europa und ihres Sozial- und Kulturcharakters zu betrachten ist. Insbesondere aber haben wir klargelegt – und werden nicht müde werden, dies zu tun –, daß es eben nicht – und auch nicht unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten – mißbräuchlich sein kann, wenn die GEMA mit dem 10 %-Abzug das tut, was das Gesetz ihr ermöglicht, nämlich für kulturelle Zwecke und soziale Einrichtungen zu sorgen. Da dieser Gesetzes- auftrag nur mit Finanzmitteln erfüllt werden kann, welche der GEMA zufließen, kann er also auch nur mittels Abzug bei den Inkassobeträgen erfolgen. Ebenso nachdrücklich müssen die anglo-amerikanischen Rechteinhaber darauf hingewiesen werden, und zwar nicht nur von der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA, sondern auch von allen anderen europäischen Verwertungsgesellschaften, daß der Grundsatz des „do ut des“ – der Grundsatz nämlich, daß derjenige, der nimmt, auch etwas geben muß – hier durchaus erfüllt ist. Der große deutsche Musikraum – ebenso wie der große französische, spanische oder italienische – gibt den Komponisten des anglo-amerikanischen Kreises die Möglichkeit zu einer enormen Verbreitung ihrer Musik und damit auch zu beachtlichen Einnahmen. Ich darf Ihnen versichern, daß wir – und das nicht erst jetzt, sondern seit Jahren (schon meine Vorgänger hatten sich in den vergangenen Jahren, aber auch bereits in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts mit der stets erneut umstrittenen Problematik der Abzüge für soziale und kulturelle Zwecke zu beschäftigen) – den Ernst der Lage erkannt haben und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln diese Existenzgrundlage unserer dem kulturellen Auftrag verpflichteten GEMA schützen.

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