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Braunschweig (ddp). Auch eine Form von Kultur-Ausverkauf? «Wir überlegen jetzt, ob wir ein Jackett kaufen», sagt eine Braunschweigerin nach der Vorstellung des Musicals «Kiss me, Kate» am Staatstheater Braunschweig. Vielleicht werde er ja jetzt häufiger ins Theater gehen, ergänzt ihr Partner. Beide waren am Sonntagabend mit einem kostenlosen Ticket - die Bezahlung erfolgte auf freiwilliger Basis - in das Große Haus gekommen.
Das Theater wollte mit diesem «Freispiel» neue Zuschauer und auch andere Zielgruppen werben.Seit Mitte September gab es für Interessierte an der Theaterkasse die Freikarten für das Cole-Porter-Musical. «Es wurden maximal zwei Stück pro Person abgegeben», sagt Staatstheater-Verwaltungsdirektor Thomas Fehrle. Eine Kartenreservierung war nicht möglich. «Den Gästen war dann freigestellt, nach der Vorstellung einen ihrer Meinung nach angemessenen Preis für das Theaterbillet zu entrichten», sagt Fehrle.
Die Spielregeln für den Abend waren auf Handzetteln genau erklärt worden. Unter dem Motto «\'Freispiel\' Den Preis machen Sie!» hieß es
dort: «Wir geben alles, geben Sie so viel Sie wollen.» Die Zuschauer hatten dazu mit den Eintrittskarten Briefumschläge erhalten, die sie mit dem Betrag füllen konnten, der ihnen der Abend wert war. Nach Ende des Stückes konnten sie die Umschläge in extra dafür vorgesehene Urnen einwerfen.
Die Aktion habe ihnen jedenfalls «sehr gut» gefallen, sagen die beiden Theaterbesucher. Durch das Freiticket verliere man einfach die Hemmung, mal ins Theater zu gehen. Skeptisch äußern sie sich allerdings noch zu einem möglichen Opernbesuch. Doch selbst das würden sie bei einer Opern-Freispielaktion vielleicht einfach mal probieren, meinen sie. Immerhin war dem Paar der Musicalabend jeweils 20 Euro wert.
Er habe die Aktion «zum Anschnuppern» ins Leben gerufen, «für Leute, die sonst nicht ins Theater gehen», sagt Fehrle. Angesprochen werden sollten mit dem Musical aber auch jene, «die sonst eher das Schauspiel oder Ballett bevorzugen», betont er. Das Freispiel sei bewusst an den Beginn der neuen Theatersaison gelegt worden, damit es «für die restliche Spielzeit wirken» könne. Fehrle glaubt jedenfalls, dass Braunschweig mit dieser Form des «Kartenverkaufs» bundesweit ziemlich einmalig dasteht.
Auf die Idee dazu kam er, als er über die Zeitung von einem Hotel erfuhr, in dem die Gäste bei der Abreise einen ihrem Empfinden nach angemessenen Preis entrichten sollten. Daraufhin hatte es in Braunschweig schon einmal ein Freispiel gegeben - mit dem Musiktheater «Rusalka». Danach seien in einigen Umschlägen sogar 50 Euro drin gewesen, erzählt Fehrle. Manche hätten jedoch auch gar nichts gezahlt.
Die Summe der Einnahmen bei der Aktion sieht das Theater realistisch. Das finanzielle Ergebnis sei in diesem Falle sekundär, im Vordergrund stehe vielmehr, Menschen für das Haus zu begeistern, betont Verwaltungsdirektor Fehrle. Ob das Theater durch die Freispielaktion vom Sonntagabend wirklich langfristig mehr Gäste bekomme, bleibe vorerst abzuwarten.
Die Vorzeichen dafür stehen nicht schlecht. Immerhin war zu der Vorstellung ein sehr gemischtes Publikum erschienen, darunter Jugendliche, Eltern mit Kindern und Senioren. Eine Besucherin fand es aber schade, dass einige Kartenbesitzer nicht gekommen seien. So blieben denn trotz nahezu »ausverkauften" Hauses am Sonntagabend ein paar der insgesamt 900 Plätze im Großen Haus leer.