Body
Berlin (ddp-bln). Wegen der Rückgabe des Ernst-Ludwig-Kirchner-Gemäldes «Berliner Straßenszene» an jüdische Erben ist am Montag gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und (nmz: den ehemaligen) Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) Strafanzeige gestellt worden.
Die Anzeige wegen Verdachts der Untreue oder der veruntreuenden Unterschlagung wurde im Auftrag eines Münchner Kunstsammlers gestellt, der nicht genannt werden will, wie der Münchner Rechtsanwalt Daniel Amelung auf ddp-Anfrage sagte. Es habe keinen Grund für die Rückgabe gegeben, betonte der Anwalt im Auftrag seines Mandanten. Berlin sei ein armes Land und sollte nicht so leichtfertig mit seiner Kunst umgehen. Er wünsche sich bei der Restitution von Kunstwerken genauere Prüfungen und nicht vorschnelles politisches Handeln.Hintergrund der Strafanzeige seien Medienberichte, aus welchen sich ergebe, dass das Gemälde möglicherweise zu Unrecht als Raubgut eingestuft wurde und deshalb auch die Rückgabe rechtswidrig gewesen sei, sagte Amelung weiter. Die darin genannten Hintergründe des Verkaufs des Gemäldes ließen diesen unter «ethisch-moralischen Gesichtspunkten» über jeden Zweifel erhaben sein. Von einem Zwangsverkauf oder einem Verkauf zu einem Notpreis könne daher keine Rede sein. Infolgedessen habe keine Rechtsgrundlage für eine Restitution bestanden.
Das Land Berlin hatte im Juni Kirchners Gemälde «Berliner Straßenszene», 1913, (Öl auf Leinwand), an die Erbin einer vom NS-Regime verfolgten jüdischen Familie zurückgegeben. Das Gemälde gehörte zum Bestand des Brücke-Museums.
Das Bild soll Medienberichten zufolge am Mittwoch bei Christie´s in New York versteigert werden, wobei ein Erlös von über 20 Millionen Dollar erwartet werde. Mit der Strafanzeige solle unter anderem erreicht werden, dass die Staatsanwaltschaft im Wege der Rechtshilfe die Beschlagnahme des Gemäldes in den USA zu erreichen versuche, betonte der Anwalt. Es sei höchste Eile geboten, um die «rechtswidrige Veräußerung» zu verhindern.
Otto fordert Überarbeitung der Restitutionsregeln für Kunstwerke
Berlin (ddp). Angesichts der Debatte um die Versteigerung des Ernst-Ludwig-Kirchner-Bildes «Berliner Straßenszene» fordert der FDP-Kulturexperte Hans-Joachim Otto eine Änderung der Rückgaberegelungen für Kunstwerke aus öffentlichen Sammlungen. Die bisherigen Regeln seien «in manchem Detail zu starr», betonte Otto am Dienstag in Berlin. Zugleich begrüßte er das für 20. November zu dem Thema geplante Treffen von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) mit Vertretern von Museen und Kulturinstitutionen.
Die Diskussion über die Auffindung und Restitution von NS-Raubkunst dürfe jedoch nicht allein hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt stattfinden, sondern gehöre ins Parlament, betonte er. Die FDP-Bundestagsfraktion habe bereits einen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert werde, gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Handreichung, auf deren Grundlage Restitutionen erfolgen, zu überarbeiten. Zudem müssten die Anstrengungen zur Auffindung und Dokumentation von NS-Raubkunst verstärkt werden.
Die «Berliner Straßenszene» kommt am Mittwoch im New Yorker Auktionshaus Christie´s unter den Hammer. Das Bild war erst jüngst der Erbin der früheren jüdischen Besitzer zurückgegeben worden. Die Rückgabe und der Verkauf sind umstritten.