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Die Geschichte des Blätterwaldes - Mitte Mai eröffnet im Saarland das «Deutsche Zeitungsmuseum» - Jahrelange Querelen gingen voraus
Wadgassen (ddp-swe). «Journalismus ist Literatur in Eile» - «Ich fürchte eine Zeitung mehr als 100 Bajonette» - «Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen wird, alles zu tun». Der Boden ist übersät mit Zitaten über Zeitungen, Journalisten, die Presse und ihre Freiheit. Installationen an den Wänden symbolisieren die Aktualität, das periodische Erscheinen und die öffentliche Zugänglichkeit von Zeitungen. «Einstimmungsraum» nennt Roger Münch den Eingangsbereich seines Museums, des Deutschen Zeitungsmuseums, das am 16. Mai im saarländischen Wadgassen eröffnet wird - endlich, nach jahrelangen Querelen.Eigentlich sollte in dem zweiflügeligen barocken Wirtschaftsgebäude einer alten Abtei ein Haus der Druckmedien entstehen. In einem Flügel wollte der damalige SPD-Landtagsfraktionschef, spätere Ministerpräsident und bekennende Bücherfreund Reinhard Klimmt ein Museum zur Buchdruck-Kunst einrichten. Im anderen Flügel sollte das Deutsche Zeitungsmuseum einziehen, das Klimmt samt seinem Gründer Martin Welke mit der Perspektive größerer Räumlichkeiten vom Bodensee weglockte.
1999 kam der politische Wechsel in der Staatskanzlei und die CDU stellte alle Kultur-Vorhaben auf den Prüfstand. Fünf Jahre dauerte diese Hängepartie, in der die von Fachleuten als einzigartig eingestufte Sammlung Welkes eingelagert war. Das Wadgasser Haus wurde ständig neu überplant und umbenannt. Schließlich hatte Welke die Nase voll und ging Anfang 2003 ans Gutenbergmuseum in Mainz - seine Sammlung musste er allerdings schweren Herzens im Saarland lassen. Nun wurde Münch, der eigentlich nur für den Buchdruck zuständig war, Chef des gesamten Hauses und für die Eröffnung des Deutschen Zeitungsmuseums zuständig.
Das Konzept der nun öffnenden Ausstellung überrascht: Kein Blätterwald, keine gefürchteten Bleiwüsten, sondern Schaufenster und damit symbolische Darstellungen dominieren die Räume, die chronologisch die Geschichte der Zeitungen erzählen. Historische Zeitungen sind in senkrechten Schubladen in den Wänden untergebracht, die bei Bedarf herausgezogen und gelesen werden können. Eifrige Besucher können sich so durch über einhundert Tafeln mit Zeitungsoriginalen und graphisch ansprechenden Erläuterungen lesen.
Mit den Schubladen haben die Museumsmacher zudem ein konservatorisches Problem clever gelöst. Denn Papier - und gerade das dünne Zeitungspapier - ist stark vom Zerfall bedroht. Hätte man die Zeitungen wie gewöhnlich in Schaukästen ausgebreitet, hätte das ganze Haus abgedunkelt werden müssen wie eine Gruft, meint Münch. Anderenfalls hätten die Macher nur Faksimiles zeigen können.
Nach dem Rundgang von Gutenberg bis zu Spiegelaffäre geht es eine Treppe tiefer. Hier wird die Herstellung der Zeitung anhand verschiedener Druckmaschinen einschließlich einer originalen Setzerei gezeigt. In diesem Bereich kann auch Hand angelegt werden, eine Zeile gesetzt, oder Papier geschöpft werden. Im letzten Bereich geht es dann ganz spielerisch zu: Von Hand können auf Magnettafeln verschiedene Zeitungstypen zusammengebaut werden. Jeder kann sich seine Zeitung bauen, etwa eine Mischung aus FAZ und Bild. Daneben vermittelt ein Basketballspiel den Kampf der Anzeigenabteilung gegen die Redakteure um den jeweiligen Anteil im Blatt.
Drei Wege führen am Schluss aus dem Museum und damit aus der Zeitungs-Vergangenheit heraus in die Zukunft. Hier geht die Frage an die Besucher, wie sie die Virtualisierung der Zeitungen bewerten: Ist die Online-Zeitung ein Holzweg, der Königsweg oder gibt es einen goldenen Mittelweg?
Damit ist für Münch schon der Anschluss geschafft für die nächste Ausbauphase. Denn der Arbeitsalltag der Menschen, die Zeitungen machen, der Journalisten selbst, kommt im Museum derzeit kaum vor. Dies soll neben Wechselausstellungen im anderen Flügel des großzügigen Hauses thematisiert werden. Auch kann Münch sich vorstellen hier Diskussionen über Medienthemen zu veranstalten und die Journalisten auf diese Weise an den Ort zu holen, der die Geschichte ihres Mediums beschreibt.
Dirk Sellmann