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Der Schriftsteller reagierte mit Unverständnis auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher. Er kündigte rechtliche Schritte gegen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" an.
Berlin (ddp). Der Bundesrepublik steht eine neue Debatte um den Autor Martin Walser ins Haus. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" lehnte am Mittwoch den Vorabdruck des neuen Walser-Romans "Tod eines Kritikers" ab. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher begründete die Entscheidung damit, dass das Buch mit dem "Repertoire antisemitischer Klischees" spiele. Es sei ein "Dokument des Hasses", schrieb Schirrmacher in einem offenen Brief an Walser, den das Blatt am Mittwoch veröffentlichte. Walser reagierte mit Unverständnis. "Es ist unbegreiflich", sagte der Autor in Überlingen. Zugleich kündigte Walser rechtliche Schritte gegen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" an.Der Suhrkamp Verlag will das Buch "Tod eines Kritikers" im Sommer herausbringen. Unterdessen forderte das Berliner Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus den Verlag auf, das Buch nicht zu veröffentlichen.
In dem Roman geht es um den vermeintlichen Mord eines Schriftstellers an einem jüdischen Literaturkritiker mit Namen André Ehrl-König, hinter dem Schirrmacher Marcel Reich-Ranicki vermutet. "Ihr Buch ist nichts anderes als eine Mordphantasie", schrieb Schirrmacher an Walser. Dazu spiele es immer wieder mit der Erinnerung an den Massenmord der Nationalsozialisten. Vollends sprachlos mache ihn der Satz "Umgebracht zu werden passt doch gar nicht zu André Ehrl-König." Damit werde das Getötetwerden oder Überleben zu einer Charaktereigenschaft erklärt. "Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Reich-Ranicki der einzige Überlebende seiner Familie ist, halte er diesen Satz für ungeheuerlich, fügte Schirrmacher hinzu. "Verstehen Sie, dass wir der hier verbrämt wiederkehrenden These, der ewige Jude sei unverletzlich, kein Forum bieten werden."
Walser betonte dagegen, die Person, um die es im Buch gehe, "ist ein Kritiker". Es gehe nicht um den Mord an einem Juden. Schirrmachers Sicht sei "eine ungeheuere Einengung des ganzen Romans auf ein Motiv" und die Leser "denken dann, das Buch handelt davon". Walser fügte hinzu: "Das darf ich mir nicht gefallen lassen." Deshalb werde er zum ersten Mal gerichtlich gegen die FAZ vorgehen. Dort sei "eine miese, obszöne Philologie am Werke" gewesen. "Das muss von einem juristischen Gremium geklärt werden."
Schirrmacher hatte zugleich betont, die Ablehnung des Vorabdrucks sei nicht "auf den undurchschaubaren Einfluss Marcel Reich-Ranickis zurückzuführen". Die reale Hauptfigur des Romans wisse nichts von diesen Vorgängen. Schirrmacher fügte hinzu: "Es gibt keine Verschwörung." Reich-Ranicki hatte kürzlich die aus seiner Sicht 20 wichtigsten Romane der deutschen Literatur präsentiert. Dabei war Walser nicht vertreten.
Martin Walser hatte 1998 für Aufsehen gesorgt, als er bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels die "Instrumentalisierung von Auschwitz" und die ständige öffentliche Thematisierung des Holocausts als "Moralkeule" kritisierte. Schirrmacher hatte in Frankfurt am Main die Laudatio auf Walser gehalten. Er betonte damals, Walsers Nachdenken über Deutschland sei nicht von einer Ideologie bestimmt.
Cornelia Krüger