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Wie planbar ist der Violinklang?

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Über die verschiedenen Möglichkeiten im Geigenbau
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Im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit standen die klanglichen Aspekte der Instrumente stets im Vordergrund. Je mehr ich mich in diese Materie vertiefte, desto größer wurden die Widersprüche. Musikinstrumente, die dem einen sehr gefallen, werden vor anderen, ebenso ernst zunehmenden Musiker, abgelehnt. Ich stellte mir dann immer die Frage: „Woran liegt dies?“ Bei mündlichen Befragungen stellte sich heraus, daß Musiker sehr viele unterschiedliche Worte für die Beschreibung des Klanges verwenden. Unterschiedliche Worte beschreiben oft den gleichen Klang, wie auch unterschiedliche Klänge mit gleichen Worten beschrieben werden. So war mein erster Schritt, mich mit meinen Kunden über die Beschreibung des Klanges auseinanderzusetzen. Durch meinen Vater, ehemals Leiter des ASMW (Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung spezialisiert auf Musikinstrumente) in Markneukirchen kam ich erstmals in Kontakt mit differenzierten Meß- und Prüfverfahren. So beschäftigte ich mich mit der Physik der Geige, dem Beurteilen der Eigenmoden von frei schwingenden Violindecken und -böden, der Charakteristik der chladnischen Schwingungsformen, statischen und dynamischen Aspekten bei wechselnden Holzeigenschaften, Langzeituntersuchungen auf tonliche Stabilität, der Hutchins-Methode, Terzanalysen in Zusammenarbeit mit dem Forscher Karl Schnur. Trotz der Vielzahl der unterschiedlichsten Methoden, konnte zwar das Verständnis im Geigenbau erweitert werden, brachte mir aber keine entscheidende Erkenntnis über den Weg zum gewünschten tonlichen Ergebnis. Ich änderte gewisse Details meiner Bauweise und versuchte somit, den Klang zu verändern. Durch die Vielzahl der möglichen Varianten war und ist es nicht machbar, alle Möglichkeiten experimentell auszuprobieren. Alle bis dahin bekannten Verfahren, berücksichtigten lediglich die Physik der Geige. Subjektive Klangbeurteilungen von Musikern fanden keinen Bezug zum Bau der Instrumente. Selbstverständlich sind Klangmanipulationen an Stimme, Steg, Saiten, grundsätzlicher Holzauswahl und groben Veränderungen der Bauweise bekannt. Soll nun aber ein Instrument für einen erfahrenen Profimusiker hergestellt werden, geraten die herkömmlichen Methoden schnell an ihre Grenze. Mein Klangideal und das der meisten Musiker orientiert sich an altitalienischen Meisterinstrumenten. Dieses Klangbild zu erreichen, ist mein Ziel. So muß man über den charakteristischen Klang, die charakteristische Bauweise erkennen. Der erste Schritt war eine ausführliche Befragung von Musikern über die Beschreibung des Klanges. Besonderen Wert legten wir dabei auf einen typischen Violinklang. Über diese Befragung erkannten wir auch individuelle Spielerwünsche. Parallel dazu erarbeiteten wir Polaritätsprofile. Um eine Wissensbasis für die baulichen Parameter zu erstellen, wurden über 30 Instrumente vermessen. Es waren Geigen von: Casini, Chanot, Gagliano, Glaesel, Guarneri, Homolka, Lupot, Platner, Pressenda, Ruggeri, Stradivari, Vuillaume und mir. Zum einen wurden Längs- und Querwölbungen mit Meßuhren abgetastet. Per Hand wurden noch über 170 Maße pro Instrument erfaßt. Ein weiterer Schwerpunkt lag im digitalen Einspiel der vermessenen Instrumente, dem Abhören der Bänder, Schneiden der Files und späterer Durchführung von Hörtests. Nach der Auswertung der Hörtests wurden Instrumentengruppierungen erkennbar. Nun mußte geklärt werden, warum einige Instrumente sehr ähnlich bewertet wurden, andere dagegen nicht. Was hatten diese Instrumente im Bau gemeinsam oder was unterschied sie? Ein entscheidendes Arbeitsergebnis war das Herausfinden von wichtigen Klangcharakteren. An erster Stelle stand großer Ton, danach hell und dunkel. So wurden nun die gemessenen Daten mit den Hörtestauswertungen und den Wölbungsmaßen zusammengebracht. Nach deren Auswertung erhielt ich eine Liste, auf der erkennbar war, wie die Baumaße zu verändern sind, um den Klang in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen (großer Ton, hell oder dunkel). So wurden nun entsprechend den gegebenen Daten die Vorbereitungen für den Bau der Instrumente begonnen. Entsprechend den Vorgaben, suchte ich passendes Holz aus: Bau von Geigen nach folgenden Vorgaben: Tonliches Ziel der Instrumente: * eine Violine heller Klangcharakter, * eine Violine dunkler Klangcharakter, * eine Violine mit großem und brillanten Ton, * eine Violine mit großem und edlen Ton. Die neuen Instrumente wurden angespielt und nach Charaktermerkmalen geprüft. Der erste Eindruck war sehr gut, und so mußten die Instrumente von professionellen Musikern gespielt werden, da nur ein eingespieltes Instrument objektiv vergleichbar ist. Nach einiger Zeit wurden erneut die vier Geigen in meiner Werkstatt miteinander verglichen und auf ihre Zielstellung hin geprüft. Alle Instrumente wurden von renommierten Musikern getestet, zum Beispiel im Gewandhaus zu Leipzig, in der Semperoper in Dresden oder im Konzerthaus Bamberg. Alle bestätigten eine sehr hohe Qualität der Instrumente. Durch das Einspielen wurden alle Instrumente offener im Ton und die Ansprache ging leichter. Auch hatte sich das Einspielen positiv auf den jeweils gewünschten Klangcharakter ausgewirkt. Bei der Suche nach den Einspielpersonen legte ich besonderen Wert auf die Art, wie diese Musiker die Geigen spielen. (Für die Geige mit dunklem Klangcharakter einen Spieler der die Instrumente auch lieber dunkel und samtig spielt). Durch verschiedene Änderungen, wie zum Beispiel Versetzen der Stimme, Nacharbeiten am Steg sowie eine entsprechende Saitenwahl wurden die Instrumente nachgearbeitet. Albrecht Breuninger, der alle 30 „alten“ Instrumente eingespielt hatte, spielte auch diese Geigen digital ein. Die Aufnahmebedingungen gestalteten wir wie zu allen anderen Einspielungen auch. Außerdem konnten wir Mela Tenenbaum (Konzertmeisterin im Orchestra of the Metropolitan Museum of Art, New York) gewinnen, Aufnahmen für uns einzuspielen. Diese Künstlerin gab außerdem am 18. Dezember 1997 in der Musikhalle Markneukirchen ein Konzert, bei dem sie die Violine „mit großem und edlen Ton“ öffentlich spielte. Bei ihrem zweiten Konzert am 20. Dezember 1997 im Theater Bad Elster stand sie mit der Violine „großer und brillanter Ton“ als Solistin auf der Bühne. Beide Instrumente bewährten sich bei den Auftritten sehr gut. In bestehenden Instituten werden seit Jahrzehnten eine Reihe von Untersuchungen im Rahmen der Schallmessung und Schallbegutachtung durchgeführt. Durch dieses Forschungsprojekt und dem dadurch entwickelten Sound-Design-Assistenten wurde erstmals eine Verknüpfung von baulichen und psychoakustischen Parametern aufgezeigt. Der Sound-Design-Assistent stellt eine methodisch erhebliche Weiterentwicklung dieser Untersuchungen dar, da eine direkte Verbindung von Schallqualität zur Bauweise aufgedeckt wurde. Diese neue Form des Sound-Engineering wird durch ein völlig neu entwickeltes Methodensystem der Analyse von unzähligen Bauparametem anhand einer relativ geringen Anzahl von subjektiven Klangbeurteilungen der im Datensystem einbezogenen Instrumente ermöglicht. Betonen muß ich jedoch, daß die computermäßig ausgestellten Daten nur Empfehlungen sind, also Richtwerte. Die Maßangaben zeigen stets nur die Richtung an, in die gearbeitet werden sollte. Präzises Arbeiten sowie das Gefühl für Musik, Holz und Werkzeug wie auch ein ästhetisches Gestalten, ist immer Aufgabe des Erbauers und kann durch keine technische Neuerung ersetzt werden.

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