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Peter Stangel und die taschenphilharmonie in der Allerheiligen Hofkirche. Foto: Julia Parker
Peter Stangel und die taschenphilharmonie in der Allerheiligen Hofkirche. Foto: Julia Parker
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Mit dem Teufel um Bildung tanzen: die taschenphilharmonie präsentiert in München ihr Projekt „Klick – Klassik in die Kitas“

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Es ist das sechste Benefizkonzert der taschenphilharmonie und ihres Dirigenten Peter Stangel, diesmal mit einer Lesung von Oberbürgermeister Christian Ude. Das kleinste Sinfonieorchester der Welt spielt zugunsten seiner Kindergarten- und Schulkonzerte und stellt sein neues Projekt vor: „Klick – Klassik in die Kitas“.

Die taschenphilharmonie eröffnet das Konzert mit der kleinen Nachtmusik von Mozart und wirft die prominenten Takte energisch in die Basilika der Allerheiligen Hofkirche in München. Es ist ein voller Klang, den die zehn Musiker auf der Bühne erzeugen, groß wie ein ganzes Orchester. Dirigent Peter Stangel lässt die linke Hand sinken und da, im Piano werden die Stimmen plötzlich solistisch, der Klang transparent und das Ensemble schrumpft auf sein Taschengröße. Mozart im Reclam-Format, in einer von Stangel bearbeiteten Fassung für Streicher und Bläser.

Nicht jeder muss klassische Musik mögen, aber jeder sollte die Chance dazu bekommen — so lautet das Motto der taschenphilharmonie. Bis zu 8000 Kinder kommen pro Saison in den Münchner Hubert-Burda-Saal, um die Kinderkonzerte von Peter Stangel zu hören. Sie zahlen sechs, manchmal nur vier Euro für die Karte, dank privater Unterstützer und der Kulturstiftung der Stadtsparkasse. Und dank der Besucher, die an diesem Abend mit ihrem Eintritt weiteren zehn Kindern einen Konzertbesuch ermöglichen.

Stangel will sie alle erreichen, die Kinder. Auch jene, die von Haus aus kaum ein klassisches Konzert besuchen würden. Er sucht Unterstützer, er trägt sein Projekt mit dem Benefizkonzert in „die Münchner Breite“, wie er sagt. Dafür reicht nicht allein Mozart, Polit-Prominenz soll  zusätzlich für Aufmerksamkeit sorgen. „taschenphilharmonie meets Christian Ude“ steht auf dem Programm.

Auf der Bühne neben dem Dirigentenpult steht ein roter Sessel, und nach dem ersten Satz der Nachtmusik fällt der Oberbürgermeister in die tiefen Polster, die Beine stehen ihm bis an den Bauch. Ude fängt die Komik auf, er wundert sich mit Blick auf seine Spitzenkandidatur für die Bayern SPD, ob der Sessel wohl Regierungs- oder Alterssitz symbolisieren solle. Dabei blättert er beiläufig in seinem Buch und liest schließlich eigene Texte mit dem Titel: „Bekenntnisse eines Unmusikalischen“. Es sind Anekdoten aus seinem früheren Journalistenalltag. Ude als lausiger Musikkritiker und als minder begabter Gitarrenspieler. Er erzählt launig und kokett, mit den Pointen eines routinierten Redners. Schließlich dirigiert Peter Stangel die letzten Sätze der Nachtmusik über Udes Kopf hinweg. Und für einen Moment scheint es, als müssten sich Politik- und Musikbestimmer noch aneinander gewöhnen. Nach dem Applaus läuft Ude ins Publikum wie ein von der Leine gelassener Hund.

Dann erzählt die Musik für einen Moment. Rauh die Streicher, wirbelig und aufgeregt die Flöte - das Ensemble spielt „La Tempesta di Mare“ von Vivaldi, in Originalbesetzung. Stangel hat die Auswahl der Werke auf die humorigen Geschichten des Oberbürgermeisters zugeschnitten. Auf Jacques Offenbachs „Marionetten-Polonaise“ folgt seine „Betrunkene Klarinete“. Stangel zieht ihren bauchigen Ton nach vorne zur Rampe, der an einigen Stellen heiser aus den Nähten platzt.

Nach diesen Häppchen stellt die taschenphilharmonie ihr jüngstes Projekt vor, das sie in Zusammenarbeit mit der Stiftung Zuhören verwirklicht hat. Es heißt „Klick - Klassik in die Kitas“ und soll mit Musik-CD (sie stellt die Instrumente vor), Begleitbuch und passendem Poster klassische Musik an die Kinder herantragen. Schirmherrin des Projekts, das im nächsten Jahr bundesweit laufen soll, ist Bundesministerin Ursula von der Leyen. Peter Stangel wird erhört mit seinem Engagement für gleichberechtigte Bildungschancen. Zwei Preise hat er gewonnen, einen davon für seine CD-Edition „Große Klassik für kleine Hörer“ — sie hat sich fast 15.000 Mal verkauft —, den anderen für seine Musikvermittlung.

Nach dem letzten Stück, ein eigens komponierter, synkopenträchtiger Rausschmeißer („Im Auge des Taifuns“), tritt Peter Stangel noch einmal ans Mikrofon und sagt: „Ich werde mit jedem Teufel tanzen, damit die Konzerte für diese Kinder möglich werden“.

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