Auf dem Notenpapier kringelt sich zwischen Viertel- und Achtelnoten eine Schlangenlinie. An dieser Stelle müsse er «mit den Fingern auf dem Trommelfell kratzen», hat Adrian Laugsch als Erläuterung für den Schlagwerker auf die Partitur seines Stücks «Das Baumhaus» geschrieben.
In einem anderen Werk gibt der Zwölfjährige noch originellere Anweisungen an die Musiker. Dort ist mit lautem Platschen ein Holzklotz in einem Wasserkessel zu versenken. Die Musik erinnert nicht von ungefähr an die Geräusche in einer Küche auf dem Bauernhof: Das Stück heißt «Hühnerfrikassee».
«In meiner Musik erzähle ich gern Geschichten oder beschreibe Bilder», sagt Laugsch, der Komponist ist - einer der jüngsten in Sachsen. Sein aktuelles Werk wird am Sonntag in der Dreikönigskirche Dresden uraufgeführt. Dort findet das Jahreskonzert der Dresdner Komponistenklasse statt, bei dem die professionellen Musiker des «Ensemble Courage» im Rahmen des Dresdner Festivals für zeitgenössische Musik «TonLagen» 16 nagelneue Kompositionen von Kindern und Jugendlichen zu Gehör bringen. Die jüngste Tonsetzerin ist erst 2001 geboren und hat sich ebenfalls mit einem dramatischen Ereignis auf einem Bauernhof beschäftigt: Ihr Stück für Oboe, Fagott, Schlagzeug, Violine und Kontrabass heißt «Der Hühnerdiebstahl».
Als Adrian Laugsch erstmals ein Musikstück schrieb, war er noch
jünger: Inspiriert von seinem Großvater, der Organist war und Kirchenlieder schrieb, wagte er sich bereits im Alter von fünf Jahren an ein sehr ambitioniertes Werk, bei dem sieben Flöten, zwei Geigen und ein Klavier zum Einsatz kommen sollten: «Ich dachte, nun bin ich ein großer Komponist.» Als das Stück aber mittels eines Computerprogramms zum Klingen gebracht wurde, flaute sein Enthusiasmus zunächst ab: Es klang, sagt Laugsch grinsend, «nicht wirklich grandios».
Die Lust am Komponieren ließ sich der Schüler indes nur vorübergehend nehmen. Mit Musik zu einem Gedicht von Heinrich Heine trägt er bereits zum zweiten Mal zu einem Jahreskonzert der Komponistenklasse bei, in der er seit anderthalb Jahren unterrichtet wird. In den wöchentlichen Stunden mit seiner Lehrerin Silke Fraigin habe er sich mit Harmonielehre beschäftigt und an musikalischen Ideen
gefeilt; in den zweimal jährlich stattfindenden Ferienkursen bekamen er und seine Mitschülern von Musikern erklärt, wo die Grenzen ihrer Instrumente liegen. «Manches klingt schließlich schön, aber ist unmöglich zu spielen», erklärt Laugsch, der auch vom Unterricht in Musiktheorie profitiert. «Quintparallelen», sagt er, würde er zum Beispiel nicht mehr notieren: «Das ist eine böse Sache in der Musik.»
Theorie stehe allerdings bei ihrer Arbeit nicht im Mittelpunkt, betont Fraigin, die einst selbst in einer Klasse für junge Komponisten unterrichtet wurde, das Fach später auch studierte und es nunmehr seit 15 Jahren unterrichtet. Kinder mit Fantasie und Neugier sollten vielmehr «in einem spielerischen Zugang angeregt werden, ihre Geschichten zu vertonen». Das Fehlen von viel Fachwissen sei dabei zunächst sogar förderlich: «Sie sind dann unvoreingenommen und bewerten nicht jede Komposition sofort in ästhetischen Kategorien.» Auch ein Instrument beherrschen nicht alle ihrer Schüler.
Diese lernen im Unterricht zunächst, ihre Ideen zu Papier zu bringen, wozu nicht unbedingt Noten erforderlich sind: «Das kann auch grafisch geschehen - Hauptsache, die Musiker verstehen es», sagt Fraigin. Später lernen die Tonsetzer freilich auch, Partituren zu lesen, und befassen sich mit einzelnen Komponisten und Epochen. Von Fachleuten bekommen sie erklärt, wie Töne und Harmonien entstehen, oder arbeiten mit erwachsenen Musikern an der praktischen Umsetzung ihrer Ideen. Bis diese freilich in voller Schönheit zum Klingen kommen, vergeht meist viel Zeit, sagt Fraigin: «Das ist ein sehr zeitaufwendiges Hobby.»
Umso gespannter fiebern die Nachwuchs-Komponisten dem Jahreskonzert entgegen, für das Adrian Laugsch in diesem Jahr ein Stück über «das Übel der Menschheit» schreiben wollte. Das Stück mit dem Titel «Mein Herz, mein Herz» ist, wie die meisten Stücke des Zwölfjährigen, in einer Moll-Tonart gesetzt: «Das liegt mir einfach mehr», sagt er. Unter seinen musikalischen Vorbildern rangiert Mozart deshalb nicht ganz oben. Der sei zwar genial, erklärt der junge
Komponist: «Aber er schreibt mir zu viel in Dur.»