Richard Strauss und Viktor Ullmann: Gegensätzlichere Lebensläufe lassen sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum finden. Hier der phänomenal erfolgreiche und auch musikpolitisch geschickt agierende Strauss, dort der in Auschwitz ermordete Schönberg-Schüler Ullmann. Weitere BR-Feature-Themen im November: Musiktherapie, Glockenklänge und die taktlose Frage: Was passiert eigentlich, wenn Künstler nicht mehr können?
taktlos
12. November 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Ausgespielt – Wenn Künstler nicht mehr können…
Sänger, Tänzer, Instrumentalisten: Sie alle tragen ein hohes Berufsrisiko mit sich: Gemeint ist nicht nur die unsichere Situation mit Blick auf das Engagement. Wovon ernährt sich die Choristin – der Chorist, befallen von einer chronischen Stimmbandentzündung? Welche Umschulungsmöglichkeiten haben Tänzerinnen und Tänzer nach dem Verschleiß ihrer Hüftgelenke oder nach einem Unfall mit bleibender Behinderung? Was machen Pianistinnen – Pianisten, wenn die Fingergelenke versteifen? Wie verhalten sich die Arbeitgeber? Die Veranstalter und die Agenten? Wirkt ein soziales Netz? Das taktlos-Team spricht mit Betroffenen, schildert Schicksale, lässt Auswege beschreiben – und zieht einen Spezial-Arzt zu Rate. Und unsere Live-Musik beweist, dass Kunst und Können kaum vergreist. Moderation: Marlen Reichert und Theo Geißler.
Ullmann, Viktor – Ein Radio-Essay
Von Susanne Schmerda
19. November 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Viktor Ullmann, der 1898 noch in der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn geboren und im Herbst 1944 in Auschwitz ermordet wurde, gehört einer verlorenen Generation an: zerrieben zwischen zwei Weltkriegen, ausgelöscht im Dritten Reich, vergessen nach 1945. Ein Großteil seiner Werke ist vernichtet, verschollen oder unvollständig. Erst 1975, mit der posthumen Uraufführung der im Konzentrationslager Theresienstadt entstandenen Oper Der Kaiser von Atlantis in Amsterdam, begann die Wiederentdeckung dieses deutsch-böhmischen Komponisten jüdischer Abstammung.
Viktor Ullmann hatte bei Arnold Schönberg in Wien seine Ausbildung erhalten und war als Assistent von Alexander Zemlinsky am Deutschen Theater in Prag tätig. Mehr noch als Schönbergs Zwölfton-Technik, hinterlassen die Vorbilder Gustav Mahler, Alban Berg und sein Mentor Zemlinsky Spuren in Ullmanns bisweilen schwärmerisch-expressiver Musiksprache, namentlich in seinen Klavier- und Orchesterliedern, während das Klavierkonzert von 1939 Jazz-Rhythmen und Walzer in gedrängter Form vereint. Mit der Deportation nach Theresienstadt am 8. September 1942 setzte eine Phase ungeheurer künstlerischer Produktivität ein. Ullmann begegnete den Schrecken des Lageralltags mit einem unbeugsamen Kunstwillen - ein Streichquartett, Lieder, ein Melodram nach Rilke, drei Klaviersonaten und das Bühnenwerk Der Kaiser von Atlantis mit seiner parabelhaften, um den Tod kreisenden Handlung legen hiervon Zeugnis ab.
Ullmann, Viktor – ein Radio-Essay von Susanne Schmerda geht auf Spurensuche.
Kennen Sie Strauss?
Verehrung und Verachtung des Komponisten Richard Strauss
Von Gerhard Hölzle
22. November 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Bewunderung und Verachtung schlagen ihm gleichermaßen entgegen: War Richard Strauss der "Musik-General" der Nazis oder nur der geniale Komponist, der allein seinem Kunstegoismus frönte? Straussens Rolle als Präsident der Reichsmusikkammer von November 1933 bis Juli 1935 gibt über diese Frage Aufschluss. Besonders seine Oper "Die schweigsame Frau" steht im Mittelpunkt der Sendung von Gerhard Hölzle, wurde deren Libretto doch von Stefan Zweig, einem "unangenehm talentierten Juden" (Nazi-Jargon) geschrieben. Straussens Geschick als Politiker war gefragt - und es gelang: Der Komponist erwirkte von Hitler eine Ausnahmegenehmigung, die Oper gelangte am 24. Juni 1935 tatsächlich zur Aufführung. Strauss schien im III. Reich ein Weg geglückt zu sein, wie vorher noch keinem: Reform des deutschen Musiklebens unter Mitwirkung der besten Künstlerpersönlichkeiten, gleich, ob Jude oder nicht. Kurz nach der erfolgreichen Dresdner Premiere wurden weitere Aufführungen aber verboten, Strauss aus "gesundheitlichen Gründen" aus seinem Amt, das er als die Krönung seiner Laufbahn ansah, entlassen, und die Reichsmusikkammer degenerierte zur bedeutungslosen Nazi-Musikbehörde. Berufsverbote und erzwungene Exilierung jüdischer Musiker aus Deutschland: wieviel Schuld hat der geniale Komponist auf sich geladen? Wieviel Anerkennung hat er sich durch seine Zusammenarbeit mit Zweig und anderen jüdischen Künstlern erworben? War er immer aufrichtig, wie er von sich selber sagte? Kennen wir Strauss richtig?"
Zwischen Himmel und Erde
Eine Glockenreise in sieben Stationen
Von Almut Ochsmann
26. November 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Sie läuten die Uhrzeit vom Kirchturm herab und klingeln an Kasperles Zipfelmütze: Glocken sind aus unserer Kultur nicht wegzudenken. Die Autorin besucht auf ihrer Reise zu den kleinen und großen Glocken Menschen, die professionell mit Geläuten zu tun haben, aber auch solche, die mehr oder weniger zufällig mit ihnen in Kontakt kommen. Für die Rentnerin hat die Glocke der Dorfkirche von frühester Kindheit an Tag und Leben strukturiert. Der Journalist hingegen wird allmorgendlich viel zu früh vom Läuten aus dem Schlaf gerissen. Indessen misst der Glockensachverständige das Timbre einer Glocke. Am Ende der Reise steht ein Besuch in der europaweit einzigartigen Glockenspielerschule im niederländischen Amersfoort. An sieben Stationen aus der weiten Glockenlandschaft zeigt sich, dass jeder etwas zu Glocken zu sagen hat, unabhängig von Alter, Bildung und Profession. Jede Glocke erzählt eine Geschichte - sei es ein kleines Ziegenglöckchen oder ein imposantes Stadtgeläute.
"Ein Raum, der offen ist für jedes Gefühl"
Musiktherapie in der Psychiatrie
Von Eva Blaskewitz
29. November 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Musik spricht Körper und Psyche auf verschiedenen Ebenen an, seit Jahrtausenden machen sich die Menschen ihre heilsame Wirkung zunutze. Ganz besondere Bedeutung gewinnt sie für diejenigen, die sich verbal nur schwer äußern können oder keinen Zugang zu ihren Gefühlen finden, und so hat sich die Musiktherapie als eine der häufigsten Therapieformen in der Psychiatrie etabliert, wo sie oft erstaunliche Wirkungen hervorruft: Die junge Mutter, die in einer Depression gefangen ist, entdeckt beim instrumentalen Spiel verschüttete Bedürfnisse wieder; Psychose-Patienten, die ihre Umwelt als bedrohlich empfinden, finden in gleichmäßigen Trommelrhythmen Stabilität; ein autistisches Mädchen, das das Verhalten seiner Mitmenschen nicht zu deuten weiß, reagiert auf Interaktionsangebote am Klavier; demenziell erkrankte Patienten werden durch alte Lieder an vergessene Ereignisse aus ihrem Leben erinnert. Den Therapeuten bietet der musikalische Ausdruck Einblick in das oft schwer erkennbare Befinden der Psychiatrie-Patienten, und eine speziell entwickelte Gong-Therapie eröffnet über veränderte Bewusstseinszustände Zugang zu verborgenen Inhalten. Diesen und anderen unter den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Musiktherapie in der Psychiatrie spürt die Sendung von Eva Blaskewitz nach.