Hauptrubrik
Banner Full-Size

Andersrum oder falschrum? So spielt man sein Instrument «mit links»

Publikationsdatum
Body

Berlin - Vielleicht ist es nicht verwunderlich, dass einige bekannte Musiker Linkshänder sind - wird ihnen doch nachgesagt, besonders kreativ zu sein. Legenden wie Paul McCartney oder Jimi Hendrix mussten dennoch besondere Wege gehen, um ihr Instrument zu spielen.

«Weh, wah wah wah wah, weh, wah, weh», quäkt die Gitarre von Jimi Hendrix zu Beginn von «Voodoo Child (Slight Return)». «Bum, bum», antworten Schlagzeuger und Bassist gleichzeitig. Die energiegeladene Performance von Hendrix und seiner Band in einem Hippie-Idyll auf der Insel Maui im Zentralpazifik aus dem Sommer 1970 wird zu einem der letzten Auftritte der US-Legende. Im September desselben Jahres - nur wenige Tage nach seinem Auftritt auf Fehmarn - stirbt der 27-Jährige in London.

Zum Internationalen Linkshändertag am Freitag (13.8.) lohnt sich ein genauerer Blick auf Hendrix' ekstatisches Gitarrenspiel. Genauer genommen auf die Gitarre - eine weiße Fender Stratocaster. Denn sie hängt augenscheinlich falsch herum. Die Knöpfe zur Bedienung der Tonabnehmer sind da, wo Hendrix den Arm auflegt. Eigentlich sollten sie gegenüber an der unteren Seite der Gitarre sein. «Andersrum», nennt das Klaus Müller. Er arbeitet als General Manager bei dem Instrumentenvertrieb Meinl mit Sitz in Gutenstetten in Bayern.

Hendrix war Linkshänder. Die Gitarre habe er sich für Rechtshänder gekauft, sie umgedreht und neu besaitet, so dass wieder die oberste Saite das Tiefe E ist, wie Müller erklärt. «Was dann auch sein Markenzeichen geblieben ist und was er immer so beibehalten hatte.» Damit ist der Musiker nicht allein. Um etwa Gitarre, Bass oder Schlagzeug zu spielen, mussten Linkshänder damals neue Wege gehen.

Wie viele Linkshänder in Deutschland leben, dazu schwanken die Angaben, wie Johanna Barbara Sattler erklärt. Sie ist Leiterin der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und kämpft nicht nur am Internationalen Linkshändertag für einen bewussteren Umgang mit dem Thema.

Grund für die Unklarheit seien unterschiedliche Messmethoden, sagt Sattler. So gebe es etwa die Frage, wie umgeschulte Linkshänder, die mit Rechts schreiben, gezählt werden. Viele Erhebungen bemessen den Anteil von Linkshändern an der Bevölkerung auf gut 10 bis 15 Prozent - Sattler geht demgegenüber von mehr als 20 Prozent aus.

Mittlerweile gibt es immerhin Gitarren und Bässe für Linkshänder in Serie. Den Beginn dieser Entwicklung hat Hendrix wegen seines frühen Todes knapp verpasst. «Das war schon 1976», freut sich Müller und zeigt alte Prospekte des japanischen Gitarrenherstellers Ibanez. An wen sich das steigende Angebot an Instrumenten heutzutage richtet - auch hier ist das Zahlenmaterial dünn. Ob Studierende Links- oder Rechtshänder seien, werde zu Beginn eines Musikstudiums nicht erhoben, heißt es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bei verschiedenen Musikhochschulen.

«Im Allgemeinen geht man immer von etwas mehr als 10 Prozent der Bevölkerung aus», sagt Thomas Müller-Pering, Professor für klassische Konzertgitarre am Institut für Gitarre an der Hochschule für Musik in Weimar. Ob sich davon aber jeder für eine Karriere als Musiker entscheidet, könne man nicht sagen. Als Linkshänder auch eine Linkshändergitarre zu spielen ist ohnehin nicht immer ratsam, wie der Gitarrenprofessor sagt. Zunächst sei es natürlich von Vorteil - etwa wie Jimi Hendrix oder Ex-Beatle Paul McCartney - das Instrument umzudrehen. Das liege daran, dass man anfangs «von der Idee ausgeht, dass die stärkere, bewusster geführte Hand den Klang, die Dynamik, den musikalischen Ausdruck erzeugen sollte». Das heißt: «In dem Fall also die Saiten der Gitarre anschlagen soll.»

Problematisch werde es dann, wenn ein Linkshänder beabsichtigt, Profi zu werden. So sei es viel schwieriger, ein geeignetes Instrument zu testen, weil viele Gitarrenbauer ihre hochpreisigen Modelle eher für Rechts auslegen würden. Das Instrument eines Mitmusikers auszuprobieren, oder eine Gitarre aus dem Fundus der Universität zu spielen, falle ebenfalls oft flach.

Mit den Sonderanfertigungen für Linkshänder stünden Gitarristen und Bassisten auch vergleichsweise alleine da, erklärt Müller-Pering. «Kein Geiger, kein Cellist, kein Flötist oder Fagottist hätte im Orchester auch nur die geringste Chance beim Probespielen, kein Pianist lässt sich einen gespiegelten Flügel bauen», sagt er. «Nur wir Gitarristen denken da wieder mal komplett anders.»

Dazu kommt, dass die Nachfrage nach Linkshänderinstrumenten nach Zahlen des größten Musikfachgeschäfts Europas derzeit noch gering ist. Auf die Modelle entfallen im Jahr lediglich fünf Prozent der verkauften E-Gitarren, wie aus Angaben von Thomann mit Sitz im Kreis Bamberg hervorgeht. Bei den Akustikgitarren mit Stahlsaiten seien es sogar nur vier Prozent.

Das könnte sich aber bald ändern: «Ein Trend lässt sich die letzten Jahre ausmachen», sagt eine Unternehmenssprecherin. «Die Nachfrage nach Linkshändergitarren steigt, Hersteller verzeichnen Absatzzuwächse in diesem Bereich.»

Für die Firma Meinl sei genau das «ein ganz besonderes Herzensthema», sagt General Manager Müller. Im letzten Jahr habe man extra einen Katalog für Linkshänder herausgebracht. Ziel sei es, ihnen langfristig eine größere Auswahl an Instrumenten zu bieten.

Ob das auch etwas für Hendrix gewesen wäre - darüber lässt sich nur spekulieren. Laut einem Artikel in der Musikerzeitschrift «Gitarre & Bass» besaß er bereits Ende der 60er mehrere Sonderanfertigungen für Linkshänder. Genutzt hat er sie aber selten. Die umgedrehte Fender Stratocaster war seinerzeit längst sein Markenzeichen.