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Berlin ist pleite - Rechnungshof fordert Prüfung der Kulturfinanzierung

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Der Berliner Rechnungshof hat festgestellt, dass das Berliner Ensemble jahrelang zu viel Geld von der Kulturverwaltung des Senats erhalten hat. Peymann verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Das Theater müsse als GmbH Rücklagen für geschäftlich kritische Phasen oder als Reserve für Großprojekte bilden. "Ich weise mit aller Schärfe diese unqualifizierte und feindselige Machenschaft zurück." Dass die Feindseligkeiten nicht nur gegen das Berliner Ensemble gerichtet sind, sondern gegen alle privatwirtschaftlich arbeitenden Kultureinrichtungen, kann im "Jahresbericht 2005" des Rechnungshofes nachgelesen werden. Auch die Finanzierung der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH soll auf den Prüfstand gestellt werden. Und so nüchtern kann Kulturkahlschlag formuliert sein:

Aus dem Jahresbericht 2005 des Berliner Rechnungshofes, Seite 118-122

2. Einsparpotenziale in Millionenhöhe durch Beendigung der anteiligen Mitfinanzierung der Rundfunk- Orchester und -Chöre GmbH aus dem Landeshaushalt

Die in die Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH (ROC) integrierten ehemaligen Rundfunkklangkörper Berlins werden - anders als die Rundfunkklangkörper in anderen Bundesländern, deren Kosten aus dem Rundfunkgebührenaufkommen gedeckt wird - zu 55 v. H. aus Haushaltsmitteln des Bundes und des Landes Berlin finanziert. Der Landeshaushalt wird dadurch mit 5,8 Mio. € jährlich belastet. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Finanzierung der ROC mit dem Ziel überprüft, die Finanzierung aus Haushaltsmitteln Berlins zu beenden.

Die Rundfunk-Orchester und -Chöre (gemeinnützige) GmbH (ROC) ist durch Gesellschaftsvertrag vom 14. Juni 1993 gegründet worden. Ihre Gründung geht zurück auf das einigungsbedingte Ziel, die ehemals in beiden Teilen Berlins ansässigen Rundfunkklangkörper in einer Dachgesellschaft organisations- und verwaltungsmäßig zusammenzufassen und weiter zu betreiben (vgl. Artikel 7 des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern über die Überleitung von Rechten und Pflichten des Deutschlandfunks und des RIAS Berlin auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts „Deutschlandradio“ - Hörfunk-Überleitungsstaatsvertrag - vom 17.06.93).

In die ROC wurden
• das aus dem RIAS-Symphonieorchester hervorgegangene Radio-Symphonie-Orchester Berlin (RSO), jetzt Deutsches Symphonie-Orchester (DSO),

• das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB),

• der Große Rundfunkchor (jetzt Rundfunkchor Berlin),

• der RIAS-Kammerchor und

• das RIAS-Tanzorchester (im Jahre 2001 aufgelöst)

eingebracht.

Im Rahmen einer Prüfung von Teilbereichen der Wirtschaftsführung der ROC hat der Rechnungshof auch die Grundlagen ihrer Finanzierung einbezogen. Gesellschafter der ROC sind das DeutschlandRadio mit 40 v. H., die Bundesrepublik Deutschland mit 35 v. H., das Land Berlin mit 20 v. H. und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) mit 5 v. H. der Geschäftsanteile. Sie sind nach dem - ebenfalls am 14. Juni 1993 geschlossenen – Gesellschaftervertrag verpflichtet, den nach Maßgabe des von der Gesellschafterversammlung genehmigten Wirtschaftsplans bestehenden und nicht durch Eigenmittel der Gesellschaft gedeckten Finanzbedarf im Verhältnis ihrer Anteile zu decken.

Insgesamt müssen die Gesellschafter aufgrund der im Vergleich zu anderen Kulturorchestern verhältnismäßig geringen eigenen Umsatzerlöse der ROC mehr als 80 v. H. des Finanzbedarfs von etwa 29 Mio. € als Zuschuss aufbringen. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin finanzieren ihre Anteile am Zuschussbedarf aus Haushaltsmitteln (Bund: 10,2 Mio. €, Berlin: 5,8 Mio. €). Die Körperschaft DeutschlandRadio und der RBB finanzieren ihre Anteile aus dem Rundfunkgebührenaufkommen, der RBB insbesondere aus Rückflüssen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (DeutschlandRadio: 11 Mio. €, RBB: 1,45 Mio. €).

Bei den Orchestern und Chören der ROC handelt es sich ausnahmslos um unter dem Dach dieser Gesellschaft zusammengefasste und weiter betriebene ehemalige Rundfunkklangkörper. Während die Kosten von Rundfunkklangkörpern in allen übrigen Bundesländern durch deren Landesrundfunkanstalten aus Rundfunkgebühren gedeckt wird, finanzieren das Land Berlin sowie die Bundesrepublik Deutschland mehr als 55 v. H. des Finanzbedarfs der ROC aus Haushaltsmitteln, ohne dass noch zwingende Gründe für diese für Rundfunkklangkörper atypische Finanzierung ersichtlich sind. Zwar bereichern die Orchester und Chöre der ROC unstreitig auch das kulturelle Leben Berlins, jedoch gilt dies entsprechend für die aus Rundfunkgebühren finanzierten Klangkörper anderer Rundfunkanstalten. Zudem werden die Orchester und Chöre der ROC in erheblichem Umfang vom Mitgesellschafter DeutschlandRadio in Anspruch genommen, der in jeder Saison zahlreiche Konzerte sowie Tonaufnahmen mit ihnen veranstaltet. Allein im Jahr 2004 führte das DeutschlandRadio 17 Veranstaltungen mit den Orchestern und Chören der ROC durch. Darüber hinaus vermarktet das DeutschlandRadio das in diesem Rahmen erworbene Programmvermögen, ohne dass die ROC daraus Erträge erzielt.

Der Rechnungshof hält es - nicht zuletzt angesichts der extremen Haushaltsnotlage Berlins - für erforderlich, die im Gefolge der deutschen Einheit geschaffene Mischfinanzierung der unter dem Dach der ROC zusammengefassten ehemaligen Rundfunkklangkörper Berlins aus Haushaltsmitteln einerseits und Rundfunkgebühren andererseits mit dem Ziel zu überprüfen, die Finanzierung aus Haushaltsmitteln Berlins zu beenden und damit den Landeshaushalt um 5,8 Mio. € jährlich zu entlasten. Angesichts seiner im Vergleich zum RBB intensiven Nutzung der Ressourcen der ROC und unter Berücksichtigung der Systematik des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages würde sich eine Übertragung der Gesellschaftsanteile an das DeutschlandRadio anbieten. Alternativ könnte Berlin von der Kündigungsmöglichkeit nach § 5 des Gesellschaftervertrags Gebrauch machen.

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur ist in ihrer Stellungnahme auf die aufgezeigte Finanzierungsproblematik nicht näher eingegangen, sondern hat lediglich ausgeführt, dass die Vorschläge des Rechnungshofs in den Gesamtkontext der angestrebten Orchesterstrukturreform zu stellen und zu bewerten seien. Für die Neuordnung der Berliner Orchesterlandschaft seien die unterschiedlichen Optionen zu beraten und bezüglich der Realisierbarkeit mit den jeweiligen Partnern zu klären.

Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Finanzierung der in die ROC integrierten ehemaligen Rundfunkklangkörper mit dem Ziel überprüft, die Finanzierung aus Haushaltsmitteln Berlins zu beenden.

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3. Unzureichende Kontrolle der Mittelverwendung bei einem Privattheater
Die von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung undKultur unterlassene zeitnahe Prüfung der Verwendungsnachweisehat es einem Privattheater ermöglicht, nicht benötigteFinanzmittel in Millionenhöhe über mehrere Jahre in Geldanlagenzu binden. Dadurch ist dem Land Berlin ein finanziellerSchaden entstanden.

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur fördert seit Jahren ein Privattheater institutionell durch Zuwendungen zur Deckung des Fehlbedarfs von mehr als 10 Mio. € jährlich. Grundlage war bis zum Jahr 2003 ein auf der Allgemeinen Anweisung zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen in Berlin vom 30. Juni 1998 basierender Zuwendungsvertrag, durch den sich die Senatsverwaltung zu einer mehrjährigen Förderung verpflichtete. Die Zuwendungen wurden aufgrund jährlicher Bescheide vergeben. Diese enthielten auch die nach dem Zuwendungsvertrag maßgeblichen näheren Bestimmungen über die Bildung von Rücklagen. Danach waren nicht verbrauchte Mittel am Jahresende in der Gewinnrücklage auszuweisen. Daraus resultierende überzählige Finanzmittel waren vorrangig zu Beginn der Folgeperiode einzusetzen. Darüber hinaus hatte die Senatsverwaltung in den Zuwendungsbescheiden bis zum Jahr 2002 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Anlegen nicht benötigter Haushaltsmittel als mittel- bzw. langfristige Festgelder oder in Wertpapieren grundsätzlich nicht zugestimmt werde. Dessen ungeachtet hat das Theater mindestens im Zeitraum von September 1999 bis April 2003 Wertpapiere in Millionenhöhe erworben.


Das Theater hat auf diese Weise Finanzmittel in Geldanlagen gebunden, anstatt diese zur Deckung seiner Ausgaben im Rahmen des Zuwendungszwecks-Durchführung des Spielbetriebs des Theaters - einzusetzen. Dies hatte zur Folge, dass vom Theater Zuwendungsteilbeträge angefordert und von der Senatsverwaltung ausgezahlt wurden, obwohl das Theater jeweils noch über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügte. Dadurch hat es nicht nur das im Zuwendungsbescheid formulierte Verbot der Anlage nicht benötigter Haushaltsmittel grob missachtet, sondern auch gegen Nr. 1.5 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen Förderung verstoßen, wonach Zuwendungen nur insoweit und nicht eher angefordert werden dürfen, als sie innerhalb von zwei Monaten nach der Auszahlung für fällige Zahlungen benötigt werden.

Der Rechnungshof hatte bereits in der Vergangenheit bemängelt, dass die Senatsverwaltung u. a. auch für dieses Theater öffentliche Mittel ohne hinreichende Kontrolle vergeben hat, weil sie die gebotene Prüfung der Verwendungsnachweise seit Jahren unterlassen hatte. Die daraufhin von der Senatsverwaltung veranlasste Prüfung belegt, dass das Theater auch in früheren Jahren Wertpapiere besessen hat. Die Anlage erheblicher Beträge in Wertpapieren hätte die Senatsverwaltung im Übrigen aber auch durch Einsichtnahme in dessen Bilanzen unschwer feststellen können. So wiesen beispielsweise die Bilanzen des Theaters in 2001 ein Wertpapiervermögen von 1,75 Mio. €, in 2002 von 3,04 Mio. € und in 2003 von 2,94 Mio. € aus. Da das Theater die Zuwendungsmittel nicht dem Zuwendungsbescheid entsprechend verwendete, hätte die Senatsverwaltung weitere Zuwendungen nicht eher auszahlen dürfen, als das Theater die Mittel innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung für fällige Zahlungen im Rahmen des Zuwendungszwecks benötigte (Nr. 7.2 AV § 44 LHO).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es die Senatsverwaltung seit Jahren pflichtwidrig versäumt hat, die vom Theater vorgelegten Verwendungsnachweise zeitnah unter Beachtung der Bestimmungen der Zuwendungsbescheide zu prüfen und seine Bilanzen sorgfältig auszuwerten. Dies hatte zur Folge, dass Zuwendungen ausgezahlt wurden, obwohl das Theater keinen finanziellen Fehlbedarf hatte, weil es noch über hohe Finanzreserven verfügte. Dadurch ist dem Land Berlin ein finanzieller Schaden entstanden.

Der Einwand der Senatsverwaltung, dass nach dem Zuwendungsvertrag eine Rücklagenbildung zulässig gewesen sei, geht ins Leere. Denn ungeachtet des danach bestehenden Rechts, im Zuge des Jahresabschlusses aus erwirtschafteten Überschüssen eine Rücklage zu bilden, war das Theater nach den insoweit allein maßgeblichen Zuwendungsbescheiden verpflichtet, überschüssige Mittel vorrangig zu Beginn der Folgeperiode und damit vor der Anforderung weiterer öffentlicher Mittel einzusetzen.

Die Senatsverwaltung wird in diesem Zusammenhang auch die Allgemeine Anweisung zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen in Berlin zu überprüfen haben. Denn die danach abweichend von den Regelungen der LHO zulässige unbeschränkte Bildung von Rücklagen - eine Begrenzung der Höhe nach ist nicht vorgesehen -, ist mit dem Sinn und Zweck einer Fehlbedarfsfinanzierung unvereinbar.

Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur im Rahmen einer umfassenden Nachprüfung der vorliegenden Verwendungsnachweise den für das Land Berlin entstandenen Schaden ermittelt und unverzüglich gegenüber dem Zuwendungsempfänger geltend macht sowie die Regelungen zur Rücklagenbildung in der Allgemeinen Anweisung zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen in Berlin überprüft.



Quelle: http://www.berlin.de/imperia/md/content/rechnungshof/JB_2005.pdf