Body
Heute abend zeigt ARTE die Dokumentation "Wer denkt, ist nicht wütend" über den deutschen Philosophen, Soziologen, Musiktheoretiker und Komponisten. Zu seinem 100. Geburtstag am 11. September 2003 ehrt ihn die Stadt Frankfurt als ihren größten Sohn - nach Goethe.
Mythos Adorno. Er wurde bewundert, ja verehrt - die Schärfe seines Denkens, die Geschliffenheit seiner Sprache. Adorno war die Instanz schlechthin, das kritische Gewissen der jungen Bundesrepublik."Wer denkt, ist nicht wütend" hat er einmal gesagt, und dass es kein richtiges Leben im falschen gebe. Viele seiner philosophischen Kernsätze werden immer noch gern zitiert. Ein scharfsichtiger Denker, ein Protagonist der "Frankfurter Schule", aber die Person und der Mensch Theodor Wiesengrund Adorno blieben immer im Hintergrund.
Filmautor Kurt Schneider spricht in einem Interview, über den explizit biografischen Ansatz des Films, über das öffentliche und private Adorno-Bild und über die filmische Annäherung an einen der einflussreichsten Philosophen des letzten Jahrhunderts.
"Wer denkt, ist nicht wütend"
Am 1. August 2003, um 23.10 Uhr
"Der Bürger als Revolutionär"
Am 8. August 2003, um 23.00 Uhr
Theodor W(iesengrund) Adorno, deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist, wurde am 11.09.1903 in Frankfurt am Main geboren und starb am 06.08.1969 in Visp im Schweizer Kanton Wallis. Er arbeitete seit 1930 am Frankfurter Institut für Sozialforschung. 1934 emigrierte er aus dem nationalsozialistischen Deutschland zunächst nach England später in die USA, kehrte aber nach dem Krieg nach Deutschland zurück und lehrte seit 1950 als Professor in Frankfurt am Main. Er war einer der Hauptvertreter der "Kritischen Theorie". Hauptwerke sind: "Kierkegaard" 1933; "Dialektik der Aufklärung" (zusammen mit Max Horkheimer) 1947, "Minima moralia" 1951; "Einleitung in die Musiksoziologie" 1962; "Negative Dialektik" 1966.
Bücher (Auswahl aus dem Archiv von Perlentaucher.de):
Gespräche. 6 Kassetten
Mit Ernst Bloch, Max Horkheimer, Eugen Kogon, Lotte Lenya, Arnold Gehlen, Hans Mayer
Ausgewählt und herausgegeben von Stephan Krass.
Der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno war in den 50er und 60er Jahren ein regelmäßiger Gast in den Abend- und Nachtstudiosendungen des Hörfunks der ARD. In den Gesprächen, die er dort mit Personen der Zeitgeschichte führte, entfaltete sich nicht selten jener Geist des Radios, der das intellektuelle Milieu der Nachkriegsära und der Wiederaufbau-Jahre kritisch prägte. Mit Bloch diskutierte Adorno den Begriff Utopie, mit Horkheimer und Kogon erörterte er die Krise des Individuums, mit Canetti sprach er über Masse und Macht, mit Lotte Lenya untersuchte er den Mythos der Zwanziger Jahre, mit Gehlen stritt er über den Begriff der Anthrophologie, mit Hans Mayer behandelte er den Fall Stefan George. Stets waren diese Radiogespräche von intellektueller Neugier, analytischer Schärfe und kritischer Gesellschaftsdiagnose gekennzeichnet. Und nicht zuletzt zeugen sie von der Wirkungsmacht eines Mediums, das erst im gesprochenen Wort seine Aura entfaltet.
Minima Moralia
Der Anlass der Neuauflage des philosophischen Klassikers ist, so Martin Seel, das fünfzigjährige Jubiläum des Buches. Beruhigend für den Leser ist der Hinweis Seels, dass man die "Minima moralia", die in den vierziger Jahren im amerikanischen Exil Adornos entstanden sind, weder als Fortsetzung der "Dialektik der Aufklärung" noch als Vorbereitung zur "Negativen Dialektik" lesen muss, im Gegenteil, diese Kontextualisierung ist geradezu verkehrt, handelt es sich für Seel doch um ein eigenständiges Werk, um ein "Feuerwerk hellsichtiger Gedanken". Geschrieben unter dem Einfluss des nationalsozialistischen Terrors, seien die "Minima moralia" eine "Diagnose einer global organisierten Unmündigkeit". Der Reiz der Aphorismen sei das Nicht-Systematische, die Aufforderung, durch die Paradoxa zum eigenen Denken animiert zu werden, denn nichts sei so, wie es sich auf den ersten Blick liest. Seel legt dann einzelne Gedankenblitze Adornos aus, vor allem den berühmten Satz "Es gibt kein richtiges Leben im falschen"; generalisierend fasst er schließlich die Maxime von Adornos Denken wie folgt zusammen: Nur vom Unmöglichen her können wir unsere Möglichkeiten verstehen. Auch wenn man diesen Grundsatz nicht teilt, so Seel, ist man doch in jedem Fall von der Genialität Adornos gefesselt.
Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit
Nachgelassene Schriften. Abteilung IV: Vorlesungen. Band 13
Herausgegeben von Rolf Tiedemann und dem Theodor W. Adorno Archiv.
Anfang der sechziger Jahre hielt Theodor W. Adorno an der Frankfurter Universität vier Vorlesungen, die ihn "unterwegs zur \'Negativen Dialektik\'", seinem 1966 erschienenen Hauptwerk, zeigten. Als "Lehre von der Geschichte und von der Freiheit" hat er die zweite dieser Vorlesungen angekündigt. Inhaltlich handelt es sich um eine Vorstufe der Hegel und Kant gewidmeten Kapitel der "Negativen Dialektik", formal um improvisierte, frei gesprochene Vorträge, die es erlauben, dem Philosophen bei der "Arbeit am Begriff" zuzuschauen. Der jetzt zum erstenmal veröffentlichte Vorlesungstext versammelt alle wichtigen Themen und Motive der Adornoschen Geschichtsphilosophie: das Schlüsselphänomen der Naturbeherrschung; die Kritik des Existenzials der "Geschichtlichkeit" und schließlich Adornos Opposition zu dem traditionellen Begriff von Wahrheit als einem Bleibenden, Unveränderlichen, Ungeschichtlichen.
Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion
Nachgelassene Schriften. Abteilung I: Fragment gebliebene Schriften. Band 2
Herausgegeben von Henri Lonitz.
Die "Theorie der musikalischen Reproduktion" zählt zu Adornos ältesten Buchplänen; das erste Schema dazu datiert von 1927. Wiederholt nennt Adorno das geplante Buch Mitte der dreißiger Jahre als die nächste Arbeit, die er mit Rudolf Kolisch gemeinsam schreiben wolle. Zehn Jahre später beginnt Adorno, "Aufzeichnungen zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion" in ein Notizbuch einzutragen, das allein dieser Arbeit gewidmet ist und bis 1959 geführt wurde. Ein maschinenschriftlicher Entwurf von 78 Seiten, der nur einen kleinen Teil der zu behandelnden Themen umfasst, entstand noch in Amerika. Zur endgültigen Niederschrift aber kam es nicht mehr. Adorno hat den Gedanken an das Buch jedoch nie aufgegeben. Es sollte der Frage nachgehen, ob Musik - zumal die traditionelle - nicht uninterpretierbar geworden sei.
Theodor W. Adorno und Elisabeth Lenk - Briefwechsel 1962-1969
Der vorliegende Band enthält 101 Briefe aus Beständen des Adorno Archivs bzw. der privaten "Sammlung Lenk". Erläuternde Anmerkungen sowie ein Anhang, der diejenigen der im Briefwechsel erwähnten Texte enthält, die nicht mehr zugänglich sind, ergänzen die Sammlung. Der Briefwechsel hatte einen unspektakulären Anlass: Er war nötig geworden, weil Elisabeth Lenk, Adornos soeben dem Examen entronnene Schülerin, nach Paris ging, um dort weiter zu studieren und zu promovieren. Wir sehen beide Briefpartner in die Zeitereignisse verstrickt: Elisabeth Lenk, SDSIerin der ersten Stunde, lernt Andre Breton und die surrealistische Gruppe, dann die Situationisten kennen und berichtet schließlich, als Lektorin an der Universität Nanterre, aus nächster Nähe von den Mai-Ereignissen. Adorno seinerseits erscheint als jemand, der von allen Seiten gefordert, aber auch angegriffen wird, immer bereit, die Schläge auf elegante Weise zu parieren, nie beleidigt, immer sachlich, aber gegen Ende doch auch sehr gehetzt, verletzt und erschöpft.
Theodor W. Adorno - Thomas Mann: Briefwechsel 1943-1955
Herausgegeben von Christoph Gödde und Thomas Sprecher.
Im Dezember 1945 schrieb Thomas Mann jenen berühmten Brief an Theodor W. Adorno über das Prinzip der Montage in seinem Roman "Doktor Faustus". Die enge Zusammenarbeit an den Spätwerken Adrian Leverkühns - Adorno verfasste detaillierte Entwürfe, die im Anhang des Bandes abgedruckt sind - wurde zur Grundlage dieser Korrespondenz. - Thomas Mann schrieb Adorno über die "faszinierende Lektüre" der "Minima Moralia" und kommentierte ausführlich den "Versuch über Wagner". Adorno begleitete die letzten Werke Thomas Manns, den "Erwählten", "Die Betrogene" und die Wiederaufnahme des "Felix Krull", mit eingehenden Kommentaren und nicht selten mit begeistertem Zuspruch.
Ontologie und Dialektik (1960/61)
Nachgelassene Schriften. Abteilung IV: Vorlesungen. Band 7
Herausgegeben von Rolf Tiedemann und dem Theodor W. Adorno Archiv.
Adornos Vorlesung von 1960/61 muß - und kann - für jenes Buch über Heidegger stehen, das der Autor nicht geschrieben hat und nicht schreiben wollte. Es ist gleichsam die verspätete Ausführung eines Projekts, das niemand anderer als Benjamin schon um 1930, bald nach dem Erscheinen von Sein und Zeit, verfolgt hatte, ohne es auszuführen: »den Heidegger zu zertrümmern«, wie er formulierte. Für Adorno bedurfte es nicht der Erinnerung an den Plan des Freundes; wie dieser hatte er bereits unmittelbar nach Erscheinen von Sein und Zeit, also längst vor Heideggers berüchtigter Rektoratsrede, reagiert und die Fundamentalontologie abgelehnt. Heidegger galt ihm als eher bescheidener, freilich um so gefährlicherer Denker.
Theodor W. Adorno / Max Horkheimer: Briefwechsel 1927 - 1937
Herausgegeben von Christoph Gödde und Henri Lonitz.
Unter den Briefwechseln Adornos ist der sich von 1927 bis 1968 erstreckende mitMax Horkheimer nicht nur der umfänglichste, sondern auch der aufschlußreichste für Adornos Biografie und für die interne Arbeit wie die externen Wirkungen des Instituts für Sozialforschung. Die vollständige Edition dieses in weiten Teilen unveröffentlichten Briefwechsels, die auch hier erstmalig edierte Memoranden, Gutachten, Berichte und Briefe Adornos an Dritte einschließt, ist nichts weniger als eine Dokumentation der Geschichte der Kritischen Theorie und eines der zentralen Dokumente der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Im ersten Band, der 1937 endet - als Adornos Übersiedlung nach New York beschlossen ist -, stehen Horkheimers Bemühen um die finanzielle Sicherung der theoretischen Arbeit in New York im Mittelpunkt und Adornos Entschlossenheit, seine eigene Arbeit für Horkheimers Intentionen fruchtbar zu machen.
Vorlesung über Negative Dialektik
Nachgelassene Schriften, Abteilung IV: Vorlesungen, Band 16
Herausgegeben von Rolf Tiedemann.
Die "Vorlesung über Negative Dialektik" ist die letzte der vier Vorlesungen aus den Jahren 1960 bis 1966, die die Entstehung von Adornos Negative Dialektik begleiteten. Zusammen mit den drei vorangehenden Vorlesungen - "Ontologie und Dialektik", "Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit" sowie "Metaphysik - Begriff und Probleme" - bildet sie sowohl eine Propädeutik als auch den Selbstkommentar zu Adornos Hauptwerk von 1966. In der Variation von Themen, die sich dort unter dem Titel "Einleitung" finden, entfaltet Adorno in den Vorlesungen eine "Theorie der geistigen Erfahrung", in der er diejenige Philosophie zu charakterisieren versuchte, die ihm stets vorschwebte. Diese Theorie galt ihm denn auch für nichts weniger als eine Methodologie seiner Philosophie überhaupt. Die "Vorlesung über Negative Dialektik" vom Wintersemester 1965/66 ist nur zu einem guten Drittel im Wortlaut überliefert, während vom Rest lediglich die Stichworte, anhand deren Adorno gesprochen hat, abgedruckt werden können.