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11,3% Umsatzrückgang des deutschen Tonträgermarktes 2002 +++ Musikverbände fordern Mehrwertsteuersenkung für CDs +++ Öffentlich-rechtliche Radiosender spielen kaum noch neue Musik
P R E S S E M I T T E I L U N G - Hamburg, 26.02.200311,3% Umsatzrückgang des deutschen Tonträgermarktes 2002
"Der Tonträgermarkt in Deutschland hat im Jahr 2002 einen Umsatzrückgang von 11,3% zu verbuchen. Grund sind vor allem massenhafte Musikkopien, deren Zahl im vergangenen Jahr weiter angestiegen ist. Allerdings haben uns auch die allgemeine Wirtschaftslage, eine im gesamten Handel spürbare Kaufzurückhaltung und Unsicherheiten in der internationalen Entwicklung zu schaffen gemacht", erklärt Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände.
Politische Rahmenbedingungen
"Gleichzeitig fehlen uns wichtige Rahmenbedingungen, um die ökonomische Situation unserer Branche zu stabilisieren: Insbesondere die Novellierung des Urheberrechtsgesetzes steht immer noch aus." Wegen dieser und weiterer erforderlicher Maßnahmen führen die Phonoverbände viele Gespräche mit Vertretern aus Politik und Verwaltung und haben auch den Kontakt zu Bundesjustizministerin Brigitte Zypries aufgenommen. Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag zu spät einen Regierungsentwurf zur Novellierung des Urheberrechts vorgelegt. Der war ursprünglich für Herbst 2001 geplant gewesen, verzögerte sich aber immer mehr, und schließlich wurde sogar noch die vom Europäischen Parlament genannte Umsetzungsfrist bis Ende 2002 versäumt. Ein Beschluss des Bundestags im ersten Quartal 2003 ist angestrebt, aber noch nicht sicher.
Erwartungen auf bessere Rahmenbedingungen richten sich auch auf eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für CDs. Im Gegensatz zu allen anderen Kulturgütern bezahlt man in Deutschland auf CDs den normalen Mehrwertsteuersatz von 16% statt des ermäßigten von 7%. Staatsministerin Dr. Christina Weiss hatte eine Senkung kurz nach ihrer Amtsübernahme erneut ins Gespräch gebracht. "Wir erwarten von der Staatsministerin jetzt auch Taten", erklärt Gerd Gebhardt. "Sie hat die Ungerechtigkeit erkannt, nun muss die Bundesregierung handeln." Von der Einrichtung eines Musikexportbüros erhofft die deutsche Musikwirtschaft sich bessere Möglichkeiten für die Vermarktung deutscher Musik im Ausland. Nach Auswertung der gemeinsam mit anderen Musikinstitutionen in Auftrag gegebenen Studie laufen zur Zeit Gespräche mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Ausgestaltung dieser Institution. Ziel ist es, dass das Büro die Arbeit in diesem Jahr aufnehmen kann.
Wegen anhaltender Benachteiligung von Newcomern und deutschsprachigen Künstlern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat die deutsche Musikwirtschaft die Forderung nach einer Radioquote für mehr musikalische Vielfalt erhoben. 50% aller gesendeten Titel sollen künftig Newcomer sein, davon 50% deutschsprachig. Vertreter der Musikwirtschaft haben hierfür eine Reihe von Gesprächen mit Rundfunkpolitikern des Bundes und der Bundesländer geführt, die hier die Entscheidungen treffen. Eine vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft bei media control in Auftrag gegebene Studie ergab, dass der Anteil neuer Künstler im öffentlich-rechtlichen Radio nur bei 14,3% liegt, der Anteil deutschsprachiger Künstler sogar nur bei 1,2%. "Hier besteht dringender Handlungsbedarf, denn die Sender haben einen Kulturauftrag, den sie zur Zeit sträflich vernachlässigen", erklärt Gerd Gebhardt.
Neue Maßnahmen
Legale Musikangebote im Internet werden ein wichtiger Teil des Musikmarktes der Zukunft werden. Die deutsche Musikwirtschaft unterstützt solche Angebote, die in einem schwierigen Umfeld gegen massenhafte illegale Angebote positioniert sind. Weitere Vermarktungsmöglichkeiten von Musik, z.B. als Klingeltöne, werden systematisch ausgelotet und in den Markt eingeführt.
"Der Siegeszug der DVD hat in unserem Markt maßgebliche Impulse gesetzt. Vor allem hier besteht kurz- und langfristig ein großes Wachstumspotential, das die Musikwirtschaft konsequent nutzt", erklärt Gerd Gebhardt. "Immer mehr Veröffentlichungen kommen inzwischen auch als DVD heraus. Von Livemitschnitten und Musikvideos bis zu Opern und auch ganz eigenständigen Kunstformen ist alles dabei." Inzwischen zählt der Musikkatalog rund 3000 Musik-DVDs mit stark steigender Tendenz, und die Zahl der Gold- und Platinverleihungen für Musikvideos hat im vergangenen Jahr ebenfalls zugenommen. In die Charts sind Musikvideos bereits seit Sommer 2002 integriert.
"Der ECHO 2003 war ein Zeugnis der Leistungskraft der deutschen Musikwirtschaft", erklärt Gerd Gebhardt. "Eine Musikshow der Extraklasse mit nationalen und internationalen Topstars und Einschaltquoten wie nie zuvor belegt, wie erfolgreich wir sind."
Umsatz- und Absatzzahlen im Detail
Der Tonträgerumsatz der Teilnehmer an der Verbandsstatistik sank im Vergleich zum Vorjahr um 11,3% auf 1,970 Milliarden EUR (2001: 2,220 EUR). Der Absatz sank im gleichen Zeitraum um 7,6% von 242,0 auf 223,7 Millionen Einheiten.
Der Absatz von DVDs stieg von 1,3 auf 3,0 Millionen Stück und ist damit das am stärksten steigende Absatzsegment. Hiervon wird der Musikmarkt auch langfristig profitieren. DVDs ersetzen zunehmend VHS-Cassetten, die immer weniger nachgefragt werden und mit 0,4 Millionen verkauften Einheiten an Bedeutung verloren haben (Daten: GfK). Integriert man die Musikvideos auf DVD und VHS in die Statistik des Gesamtmarktes, reduziert sich der Umsatzrückgang von 11,3% auf 10,1% (bei Anpassung der Vorjahreszahlen). Der Absatz von CD-Alben im Handel sank erneut deutlich um 9,2%. Besonders betroffen waren, wie schon im vergangenen Jahr, funk- und TV-beworbene Compilations, die um 18,5% zurückgingen. Auch das Single-Segment war um mehr als 20% rückläufig. Beide Bereiche leiden ganz besonders durch illegale Musikangebote im Internet und private Vervielfältigung.
Digitale Musikklone
Nach wie vor sind massenhafte Musikkopien das Hauptproblem der Branche. Die Zahl der an Private verkauften CD-Rohlinge ist weiterhin angestiegen und lag 2002 bei insgesamt 486 Millionen Stück. Bei einem Musikanteil von 55% (wie im Jahr 2001) wären das 267,3 Millionen CD-Rohlinge, die nur mit Musik kopiert worden sind. Die Zahl liegt damit rund 61% höher als die Summe verkaufter CD-Alben. "Wenn man ab morgen Brötchen kopieren könnte, hätte dann irgendjemand Zweifel daran, dass das für die Bäckerbranche ein ökonomisches Problem wäre? Nie ist soviel Musik gehört worden wie heute - nur bezahlt wird dafür seltener. Musikkopien sind paradoxerweise Beleg für die Attraktivität von Musik, und ein Zusammenhang zu Umsatzentwicklungen liegt auf der Hand", erklärt Gerd Gebhardt. Eine neue repräsentative Studie zum Musikkopieren in Deutschland 2002 werden die Verbände im April veröffentlichen.
Das Problem digitaler Musikklone ist inzwischen auch international angekommen. Auch in den USA, Großbritannien, Japan und anderen umsatzstarken Märkten hat es 2002 starke Rückgänge gegeben. Der Umsatz sank im ersten Halbjahr 2002 weltweit um 9,2%, detaillierte Ergebnisse für das Gesamtjahr liegen noch nicht vor.
Die Einführung von Kopierschutzsystemen auf CDs hat sich im Jahr 2002 etabliert. Auf 40-50 Millionen Exemplare schätzt der Bundesverband Phono die Summe der mit Kopierschutzsystemen ausgestatteten verkauften CDs. Herbert Grönemeyers kopiergeschütztes Album "Mensch" war in Deutschland das mit Abstand erfolgreichste Album 2002. "Die Technologie ist von Musikfans längst akzeptiert, ebenso wie bei DVDs und Software", erklärt Gerd Gebhardt. Die Zahl der Beschäftigten in der Tonträgerbranche ging im Jahr 2002 um rund 800 auf 11.400 zurück. Im Handel wurden nach Einschätzungen der Phonoverbände weitere 500 Stellen abgebaut. Gemeinsam haben Handel und
Industrie in den letzten zwei Jahren rund 3000 Arbeitsplätze abbauen müssen. Trotz zweier schlechter Jahresergebnisse in Folge wurden Arbeitsplätze nur maßvoll abgebaut. Der Druck auf die Unternehmen ist freilich groß, ihre Kosten anzupassen.
Musikverbände fordern Mehrwertsteuersenkung für CDs
"Eine Mehrwertsteuersenkung für CDs hätte sehr positive Auswirkungen auf den zur Zeit gebeutelten Musikmarkt", erklärt Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. Alexander Wessendorf, Vorsitzender des Handelsverbandes Musik und Medien (HAMM) ergänzt: "Wir würden die Steuersenkung an den Kunden weitergeben."
Dagmar Sikorski, Präsidentin des Deutschen Musikverleger-Verbandes, bekräftigt die Forderung: "Da auf alle anderen Kulturgüter in Deutschland der ermäßigte Steuersatz von 7% erhoben wird, ist es nur konsequent, auch dem Kulturgut CDs diese Präferenz zuzuordnen." Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte sich bereits Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss für eine Mehrwertsteuersenkung für CDs ausgesprochen. Das entspricht der kulturellen Bedeutung von Tonträgern. "Da müssen jetzt Taten folgen", erklärt Gerd Gebhardt. Die Europäische Kommission prüft zur Zeit, ob sie Tonträger als steuerbegünstigte Kulturprodukte zur Aufnahme in die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie vorschlägt. Die Entscheidung darüber fällt dann im Europäischen Parlament. Voraussetzung dafür ist ein positives Votum der Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten im Ministerrat. Eine Reihe von Staaten hat diese Bereitschaft bereits erkennen lassen. Abschließend entscheidet in Deutschland die Bundesregierung darüber, ob sie von einer Möglichkeit zum ermäßigten Steuersatz dann auch Gebrauch machen will. "Die anhaltende steuerliche Diskriminierung des Kulturgutes ´Tonträger´ muss endlich beseitigt werden", sind sich die Verbandschefs einig.
Öffentlich-rechtliche Radiosender spielen kaum noch neue Musik
Neuheitenanteil liegt bei 14,3%, deutschsprachige Neuheiten sogar nur bei 1,2% - 50:50 - Deutsche Musikwirtschaft fordert Radioquote für mehr musikalische Vielfalt
"Ein Neuheitenanteil von 14,3% für Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein beschämend niedriger Anteil", erklärt Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. "Der Anteil deutschsprachiger Neuheiten liegt sogar nur bei 1,2%! Dieses Ergebnis einer Untersuchung bekräftigt unsere Forderung nach einer Radioquote für mehr musikalische Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv." Im Radio wird immer mehr Bekanntes gespielt, die meisten öffentlich-rechtlichen Sender haben immer weniger Lust auf Neues - und dies, obwohl ihr Kulturauftrag die Öffentlich-Rechtlichen auf Vielfalt verpflichtet. Dabei hängt von der Musikpräsentation im Radio ein wichtiger Teil der Musikvielfalt in Deutschland ab. Deswegen fordert die Musikwirtschaft in Deutschland eine Radioquote für mehr musikalische Vielfalt. 50:50 lautet das Motto - die Hälfte aller gespielten Titel sollen neue Künstler sein, davon wiederum die Hälfte deutschsprachig. Dies ist eine Initiative der deutschen Musikwirtschaft, vertreten durch den Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, den Verband Unabhängiger Tonträgerunternehmen (VUT) und den Deutschen Musikverleger-Verband, unterstützt von der GEMA und der GVL.
Um den Anteil von Neuheiten insgesamt und deutschsprachigen Neuheiten speziell zu ermittelt, hat der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft media control beauftragt, die Sendelisten der öffentlich-rechtlichen Radiosender auszuwerten. Zu Grunde gelegt wurden alle Titel im Beobachtungsprogramm von media control, die innerhalb des Auswertungszeitraums von 1.5.2001 bis 30.4.2002 nicht älter als ein Jahr waren (so dass viele ältere Titel gar nicht mehr berücksichtigt wurden, sonst wäre der Anteil neuer Künstler noch niedriger gewesen). Die Ergebnisse zusammengefasst:
· Der Anteil von Neuheiten am Gesamteinsatz bei den öffentlich-rechtlichen Sendern liegt bei 14,3%.
· Der Anteil deutschsprachiger Neuheiten liegt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern bei 1,2% und ist damit verschwindend gering.
· Private Radiostationen senden im Vergleich 17,1% Neuheiten, also mehr als die zu Vielfalt verpflichteten öffentlich-rechtlichen.
· Der Anteil deutschsprachiger Neuheiten liegt im Privatradio mit 0,6% allerdings kaum über der Wahrnehmungsgrenze.
Es gibt aber auch Programme, die mit neuer Musik attraktive Sendekonzepte machen. Sender wie z.B. Das Ding, Radio 1 oder Eins Live zeigen, dass einige Radiomacher sich bemühen, jungen Künstlern im Radio wenigstens ab und zu eine Chance zu geben.
"Die Ergebnisse zeigen, dass die Diskussion über eine Radioquote dringend geführt werden muss. Wir sind hierzu mit Medienpolitikern des Bundes und der Länder im Gespräch. Frankreich hat uns vorgemacht, dass eine Radioquote musikalische Vielfalt im Radio sichern und attraktive, erfolgreiche Programme ermöglichen kann", sagt Gerd Gebhardt abschließend.
Weitere Informationen im Internet unter:
http://www.ifpi.de/news/253/phono2003.pdf
Für Rückfragen: Dr. Hartmut Spiesecke, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 040/ 589 747-22 . Spiesecke [at] phono.de (Spiesecke[at]phono[dot]de)
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