Hauptrubrik
Banner Full-Size

11.1.: Die Rezension: «Der Auftrag» von Heiner Müller

Publikationsdatum
Body

Mühe macht Müller - Zum 75. Geburtstag von Heiner Müller gab Ulrich Mühe sein Regiedebüt - «Der Auftrag» gerät steif und langatmig

Berlin (ddp-bln). Als der Dramatiker Heiner Müller 1995 starb, versprach Schauspieler Ulrich Mühe, ihn immer zu seinen runden Geburtstagen zu ehren. Am Freitag wäre Müller nun 75 Jahre alt geworden. Mühe wagte einen ersten Ausflug ins Regiefach und brachte in Berlin mit prominenter Besetzung Müllers 1980 uraufgeführtes Revolutionsstück «Der Auftrag» auf die Bühne.

Mit der Inszenierung wollte der 50-jährige Regieneuling nach eigenen Worten «die Auseinandersetzung mit dem Werk Heiner Müllers fortsetzen und an einen großen Dichter erinnern». Das ist ihm gelungen. Dass der Theaterabend im düsteren Bild von Erich Wonder dennoch steif wirkte, mag daran liegen, dass Hochachtung und Respekt vor dem Text Mühes inszenatorische Kreativität hemmten.

Das Premierenpublikum, zu dem unter anderen Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos), der Intendant des Berliner Ensembles Claus Peymann, «Zeit»-Herausgeber Michael Naumann und Starfriseur Udo Walz gehörten, ließ sich nach knapp zwei Stunden jedenfalls zu kaum mehr als freundlichem Applaus hinreißen. Dieser brauste lediglich in Anerkennung einzelner Schauspielleistungen auf. Allen voran gefiel Udo Samel, der die Rolle des Antoine souverän meisterte. Applaus auch für die 80-jährige Inge Keller, Grand Dame der Berliner Theaterszene, die mit ihrem Auftritt als «Erste Liebe» nicht nur dank ihres beeindruckend großen Reifrockes (Kostümbild: Michaela Bürger) einen der Höhepunkte des Abends setzte.

Der vor allem als Filmschauspieler («Schlafes Bruder», «Lola rennt», «Irren ist männlich») bekannte Herbert Knaup bewies in der Rolle des Debuisson, dass er auch auf der Bühne eine gute Figur macht. Knaup spielte den Sohn von Sklavenhaltern auf Jamaika, der während der Französischen Revolution den Auftrag bekommt, in seiner Heimat einen Sklavenaufstand vorzubereiten, schließlich aber den Anfechtungen des Verrats zum Opfer fällt, kraftvoll und lebendig. Er brachte gemeinsam mit Florian Lukas als Sasportas und Ekkehard Schall als Galloudec immer wieder Bewegung in die streckenweise zähe Inszenierung.

Der im Vorfeld mit Interesse erwartete Auftritt von Christiane Paul hingegen geriet zur Deklamation des Textes. Paul spielt in dem Stück, das motivisch auf die Erzählung «Das Licht auf dem Galgen» von Anna Seghers zurückgeht und Müllers zentrales Thema Verrat behandelt, den «Engel der Verzweiflung». «Mit meinen Händen teile ich den Rausch aus, die Betäubung, das Vergessen, Lust und Qual der Leiber», sagt der Engel. Die sonst so spritzig frische Darstellerin Paul wirkte in ihrer ersten Theaterrolle dabei aber wie erstarrt.

Trotzdem gebührt Paul Anerkennung für ihren Mut. Während andere Debütantinnen ihre erste Rolle unbeobachtet von der Öffentlichkeit in einem Stadttheater in der Provinz absolvieren, stellte sie sich in den direkten Vergleich mit Theatergrößen wie Keller, Schall oder Samel. Zu wünschen wäre deshalb, dass der Premierendruck von der 29-Jährigen weicht.

Vorstellbar, dass die höchst unterschiedlichen Erfahrungshorizonte seiner Truppe auch für Mühe ein Hemmschuh waren. Die Aufgabe, sie auf der Bühne zu einer Einheit zusammenzuführen, mag für eine erste Regiearbeit zu groß gewesen sein. Zudem arbeitete Mühe nicht in der Ruhe eines Theaterbetriebes, sondern brachte das Stück als freie Produktion auf die Bühne im Haus der Berliner Festspiele. Das erhöhte den Druck, trug aber auch dazu bei, dass die Inszenierung auf derart viel Beachtung stieß. So sind die ersten Vorstellungen in Berlin, wo «Der Auftrag» bis zum 25. Januar zu sehen ist, bereits ausverkauft. Sein Versprechen hat Mühe damit in jedem Fall eingelöst.

Ulrike Geist