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Die 17. Auflage des TFF.Rudolstadt setzt mit dem Länderschwerpunkt USA, dem Instrumentenprojekt „Magic Keys“ und dem „Tanz des Jahres“ Polonaise vielversprechende Themen und dauert überdies noch etwas länger als alle Festivals zuvor. Doch dazu später.
Die USA werden sich, ähnlich wie Frankreich im Vorjahr, in einer Mischung aus populären Namen und hierzulande noch wenig bekannten Künstlern vorstellen, wobei die wichtigsten Genres und Stile hochkarätig besetzen sind.Schon das Sonderkonzert am 5. Juli 2007, ab 21 Uhr, steht ganz im Zeichen des Schwerpunktlandes. Im Hof der Heidecksburg gibt’s Old Time, Country und Bluegrass mit The Crooked Jades, Valerie Smith & Liberty Pike sowie Hayseed Dixie, die sich selbst in Europas junger Generation schon eine respektable Fangemeinde erspielt haben.
Mit Nathan Williams und seinen Zydeco Cha Chas kommt ein Juwel des Zydeco nach Rudolstadt und mit The Music Maker – als „Last & lost blues survivors" apostrophiert – authentische Althelden des Blues.
Dezidiert moderne Akzente setzen das Degenerate Art Orchestra aus Seatle, eine atemberaubende Performance-Company, und die New Yorker Projekte Balkan Beat Box und Yerba Buena, während The Vanaver Caravan Bühnen-Shows und Workshops zu traditionellen nordamerikanischen Tänzen bieten.
Alan Bern/ Paul Brody/ Michael Rodach personifizieren als Akkordeon/Melodica-Trompeten-Gitarren-Trio nebenbei die Schnittstelle zu einem anderen Rudolstadt-Standard, zum Magischen Instrument.
„Magic Keys“ ist der Titel des TFF-Instrumentenprojekts 2007. Neben Bern präsentieren sein Landsmann Wayne Sharpe, Lulinha Alencar (BRA), Maurice El Medioni (ALG), Janne Stromstedt (SWE), Hector Zazou (FRA) und Markus Zell (DEU) unter der Leitung des Berliners Wolfgang Meyering die Welt der Tasteninstrumente. Die Besonderheit des Magie-Projekts liegt darin, dass die grandiosen Instrumentalisten in dieser Zusammenstellung erstmals gemeinsam musizieren und das 90minütige Bühnenprogramm in der Woche vor dem Festival in Rudolstadt selbst entsteht.
Die Polonaise ist der TFF-Tanz des Jahres. Wer dabei zuerst an bierschwangeren Karnevalsklamauk denkt, wird allein schon durch die ebenso weitschweifige wie tiefgründige Lektüre zum Thema (Verfasser: Simon Wascher) im TFF-Programmheft geheilt.
Der deutsche Weltmusikpreis RUTH wird am Samstag, dem 07. Juli 07, gleich vierfach überreicht. Neben Folker!-Herausgeber Mike Kamp, der eine „Ehren-RUTH“ erhält, bekommen drei außergewöhnliche Künstler die mit insgesamt 7.500 € dotierten Trophäen: Die „Deutsche RUTH“ hat die prominent besetzte Jury an Achim Reichel für seine CD "Volxlieder" vergeben, während Etta Scollo die „Globale RUTH“ für ihr Projekt "Canta Rò - Hommage an Rosa Balistreri" bekommt. Und mit dem Saxophonisten Charlie Mariano geht eine weitere „Ehren RUTH“ an eine Ikone des Jazz. Ab 19.30 Uhr im Schlosshof ist er ebenso wie Scollo und Reichel im Preisträgerkonzert zu erleben.
Im überbordenden Konzert-Angebot der 20 großen und kleineren Bühnen verführen einige Namen zum Zungeschnalzen, andere wecken Neugier. Zu letzteren gehört hierzulande unzweifelhaft die Oki Ainu Dub Band (JAP). In Solo-Konzerten präsentiert Oki ein traditionelles Repertoire, während er in der Band Reggae, afrikanische Musik und Electronica mit Volksliedern der japanischen Ureinwohner und den hypnotischen Basslinien des Saiteninstruments Tonkori vermischt. Auch einen, wenn auch ganz anderen, Exotenstatus werden Die Strottern (AUT) genießen, die traditionelle Wiener Musik mit Charme und Witz ins Heute holen. Selbst die aus Berlin nach Rudolstadt ziehende Dziuks Küche rangiert noch unter „Geheimtipp“. Die verqueren Geschichten, die ihr Frontmann zu erzählen hat, sind einem großen Markt schlicht zu unverträglich.
Mit Rainald Grebe wird Dziuk in Thüringen auf einen alten Bekannten treffen – beide arbeiteten gemeinsam in Theaterproduktionen. Doch zum ganz großen Ruhm, der diesem versagt bleibt, ist jener während der letzten Jahre in Windeseile gelangt, als Kabarettist-Sänger-Schauspieler und endlich Szenestar, der sich nun emphatisch dem Volkslied verschrieben hat. Man wird hören …
Aufmerksame Begleiter der Rudolstadt-Festivals werden den „Finnen des Jahres“ suchen und ihn in Gestalt Markku Peltolas finden. „Der Mann ohne Vergangenheit“, den er in Aki Kaurismäkis gleichnamigem Film verkörperte, entfaltet mit seinem Buster Keaton Orkesteri eine imaginäre Folklore, eine lautmalerische Musik, stimmungsvoll, zwischen Melancholie und Ironie.
Eine nicht minder einprägsame Figur ist Geoff Berner aus Edmonton (CAN), der eigene Lieder zum Akkordeon singt. „Ich möchte eine eigene Klezmer-Musik entwickeln, die betrunken, dreckig, politisch und leidenschaftlich ist.“ Politisch und leidenschaftlich, das ist auch Gianna Nannini, und zwar als Sängerin wie Greenpeace-Unterstützerin. Begleitet von ihrer Rockband sowie dem Solis String Quartet führt sie ihre „Grazie“-Tour (nach 30 Bühnenjahren) aufs TFF. Beinahe genau so lang gehört das 1978 gegründete Mlimani Park Orchestra zu den Großen der tansanischen Musik, das heute eine Tanzmusik-Legende nicht nur in Ostafrika ist.
Rudolstadt allerdings ist beileibe kein Festival der Veteranen:
Im Schmelztiegel von Marseille hat sich der Watcha’Clan formiert, um in Reggae, Dub, Ska und Jungle den Balkan und die Provence, die Karibik und Nordafrika zum Klingen und Tanzen zu bringen. K’naan (SOM) floh mit 14 vor dem Krieg in der Heimat nach New York, wo er sich dem HipHop verschrieb. Heute singt der selbsternannte “Dusty Foot Philosopher” von Toronto aus gegen soziale Ungerechtigkeit in Somalia an.
Die Symbiose von Rhythmus und Botschaft gelingt auch Deutschlands bestem Ragga- Liveact, den Irie Révoltés. Die Heidelberger stehen am Samstag, dem 7. Juli, ab 24 Uhr im Mittelpunkt der 8. TFF.WorldwideClubculture im Club saalgärten.
Auffällig breiten Raum erhalten in diesem Jahr künstlerisch ambitionierte Projekte mit naher Verwandtschaft zu Kammermusik oder Neuer Musik:
Das Ensemble Creativ führt Philip Glass’ Kammeroper „Hydrogen Jukebox“ auf. Sie basiert auf 18 sehr persönliche Gedichten Allen Ginsbergs, die gemeinsam ein Porträt der USA in den Jahren 1950-1980 liefern.
Das Galata Mevlevi Ensemble (TUR) und Ali Reza Ghorbani (IRN) spühren unter dem Titel „800 Jahre Rumi” der Avantgarde-Tradition des Ordens nach, wobei den „tanzenden Derwischen“ als Synonym der orientalischen Mystik eine zentrale Rolle zukommt.
Ein Künstler, den es bislang eher ins Studio denn auf die Bühne zog, ist Idan Raichel (ISR), der 2002 mit seinem Debutalbum die israelische Musikszene ordentlich durchschüttelte und nun mit dem Idan Raichel Project die Neugier des Konzertublikums weckt.
Auch der Auftritt Djivan Gasparyans (ARM) darf getrost als einer von gesteigertem künstlerischem Wert erwartet werden. Seine Musik ist „ohne Zweifel eine der schönsten und seelenvollsten…, die ich je gehört habe“, meint Brian Eno über den Meister der Duduk, des zur Oboenfamilie zählenden landestypischen Instruments Armeniens.
Der Grund dafür, dass die 17. Auflage des TFF zugleich die längste werden wird, heißt Laurie Anderson. Die bekannteste Multimedia-Künstlerin der USA gastiert am Sonntag, 08. Juli, nach dem obligatorischen Abschlussprogramm, ab 22 Uhr im Hof der Heidecksburg. Mit ihrem neuesten Werk „Homeland“ wirft sie einen Blick auf die USA als ein Land, das sich im 21. Jahrhundert sehr verändert hat und eine grundlegend andere Nation wird. Ihr Performance-Instrumentarium ist die synthetische Sprache der Technik und die sensitive von Poesie und Lied.
Alle Künstler und weitere Informationen zum Festival sowie Onlinebestellung gibt’s unter
http://www.tff-rudolstadt.de