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2.5.: theater aktuell +++ festival und uraufführung

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Gefeierter Start von Mortiers RuhrTriennale +++ Umjubelte Premiere von "Leonce und Lena" im Berliner Ensemble +++ Kathrin-Röggla-Uraufführung in Düsseldorf

Gefeierter Start von Mortiers RuhrTriennale
orf - Die RuhrTriennale ist mit der Tragödie "Phedre" des französischen Dramatikers Jean Racine (1639-1699) verheißungsvoll in ihre Hauptsaison gestartet. Das begeisterte Publikum in der Bochumer Jahrhunderthalle feierte am Mittwochabend die Inszenierung des in Deutschland vor allem wegen seines Bayreuther "Ring"-Inszenierung hoch geschätzten französischen Regisseurs und Filmemachers Patrice Chereau mit großem Applaus.
"Phedre" wurde in Bochums großzügig umgerüsteter Jahrhunderthalle, der ehemaligen Gaskraftzentrale eines Stahlwerks, in französischer Sprache gespielt. Bühnenbildner Richard Peduzzi nahm die Herausforderung des ungewöhnlichen Aufführungsortes an. Er trennt gut 80 Meter der etwa doppelt so langen Halle ab und setzt an den Längsseiten das Publikum auf Podien, die die Spielfläche trichterartig einrahmen. Das schmale Ende schließt ein antikes, steinernes Palastportal ab. Das Spannungsverhältnis zwischen Palast und Halle unterstreicht eine Hauptabsicht des Regisseurs. Chereau will zeigen, dass Phädra, ein Stoff, den schon Euripides gestaltete, seine Gültigkeit von der Antike bis heute bewahrt hat.
Das Stück gilt in Frankreich als klassisches Meisterwerk. Die Titelheldin, Gemahlin von König Theseus, liebt ihren Stiefsohn Hippolyte. Nach langer Abwesenheit des Königs geht das Gerücht, er sei tot. Nun kann Phädra ihre Leidenschaft nicht länger verschweigen - aber Hippolyte liebt eine andere. Kurz darauf erweist sich die Nachricht vom Tod des Königs als falsch, er kehrt zurück. Eine Vertraute Phädras verleumdet den unschuldigen Prinzen, der König verflucht ihn, Hippolyte kommt ums Leben. Die Königin verzweifelt angesichts des von ihr verschuldeten Unglücks, nimmt Gift, klärt aber, bevor sie stirbt, den König über Hippolytes Unschuld auf.
Chereau arbeitet in seiner vor allem durch eine ausgeprägte Körpersprache bestimmte Inszenierung heraus, dass Herrschaft und Gewalt zu menschenfeindlichen Ordnungen, zu Unglück und Tod führen. Das Ensemble, allen voran Dominique Blanc in der Titelrolle, beeindruckte durch Sprachkunst, spielte mitunter aber zu opernhaft-pathetisch. Dennoch: eine ambitionierte Regiearbeit, ein geglückter Auftakt, ein ehrgeiziges Programm. Die RuhrTriennale setzt in einer von schrumpfenden Haushalten gekennzeichneten Kulturlandschaft ein ermutigendes Zeichen.
Die RuhrTriennale - sie wird vom Land Nordrhein-Westfalen mit 40 Millionen Euro subventioniert und soll den Strukturwandel im Ruhrgebiet unterstützen - präsentiert in ihrer jetzt beginnenden zweiten Saison bis zum 12. Oktober 23 Produktionen. In 18 Spielstätten sind 129 Veranstaltungen zu sehen: neben Oper, Schauspiel und Tanz auch gattungsübergreifende Projekte, Konzerte und eine Installation. In seinem Konzept fordert Festivalleiter Gerard Mortier, dass die meisten Aufführungen in ehemaligen Industriestandorten über die Bühne gehen sollen.

Umjubelte Premiere von "Leonce und Lena" im Berliner Ensemble
Länger als zehn Minuten haben die Besucher des Berliner Ensembles am Donnerstagabend Herbert Grönemeyer und Robert Wilson gefeiert. Sie zeigten sich begeistert von der Premiere des Lustspiels "Leonce und Lena" nach Georg Büchner.
Grönemeyer hat die Musik geschrieben, Wilson führt Regie, ist aber auch für Licht und Bühnengestaltung verantwortlich.
Vor 20 Jahren stand Herbert Grönemeyer selbst als Schauspieler auf der Bühne. Für die Premiere am BE ist er nun ans Theater zurückgekehrt. Doch diesmal spielte er nicht selbst mit, sondern ließ die Schauspieler singen. Für die mit Spannung erwartete Aufführung hatte der 47-Jährige zehn Songs komponiert.
Zu Klängen aus Jazz, Swing und Rock wird die Geschichte der beiden Königskinder Leonce und Lena erzählt. Sie sollen gegen ihren Willen miteinander verheiratet werden, verlieben sich dann aber "rein zufällig" und ohne von der Identität des anderen zu wissen, ineinander. Die Musik wurde während der Aufführung von einer Band gespielt. Nina Hoss (Lena), Markus Meyer (Leonce), Stefan Kurt (Valerio) und Walter Schmiddinger (König Peter) sangen. Dem Magazin "Stern" verriet der Popstar, dass ihn die Arbeit mit Wilson und dem Theaterensemble vor allem wegen der Abwechslung gereizt habe. Die Musik für "Leonce und Lena" sei sehr verschieden von der, die er sonst mache.
Die einzelnen Texte für die Inszenierung bezeichnete Grönemeyer als jazzig, balladenhaft, gospelig und sentimental. Auch die Aktualität des Büchner-Lustspiels habe ihn angesprochen. Die romantische Komödie, die Büchner 1836 veröffentlichte, sei sehr humorvoll. Ihn habe an der Inszenierung überzeugt, dass die Figuren auch in Problemsituationen über sich selbst lachen können.
Aber obwohl ihm die Arbeit am Theater viel Spaß gemacht habe, wolle er nicht wieder als Schauspieler auf die Bühne zurückkehren. Grönemeyer bezeichnete sich selbst als "keinen Jahrhundertschauspieler". Er sei eher durchschnittlich und nur manchmal richtig gut gewesen. Grönemeyer war 1981 durch seine Rolle in dem Kinofilm "Das Boot" bekannt geworden.
Herbert Grönemeyer ist einer der erfolgreichsten deutschen Rockmusiker. Sein aktuelles Album "Mensch" war wochenlang die Nummer eins in den Charts. Zurzeit tourt Grönemeyer durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Kathrin-Röggla-Uraufführung in Düsseldorf
Das Düsseldorfer Schauspielhaus plant in der kommenden Spielzeit 2003/2004 fünf Uraufführungen. Darunter sind eine Bühnenfassung des Filmes von Rainer Werner Fassbinder "Die Ehe der Maria Braun" sowie Stücke des 2001 gestorbenen Einar Schleef und der in Berlin lebenden Salzburgerin Kathrin Röggla. Das gab Düsseldorfs Generalintendantin Anna Badora am Mittwoch bekannt. Fassbinders Nachkriegsdrama "Maria Braun", das wesentlich den Kino-Weltruhm des Filmers begründet hat, soll am 11. Oktober Premiere haben. Die Regie führt Burkhard C. Kosminski.
Schleef hatte vor seinem Tod seinen Roman "Gertrud - Ein Totenfest" dramatisiert. Der "Monolog für Frauenchor" wird in der Regie von Thomas Bischoff am 18. Oktober uraufgeführt. Röggla stellt ihr neuestes Werk "Wir schlafen nicht" (Regie: Burkhard C. Kosminski) am 19. März 2004 am Rhein vor und behandelt darin "die schöne neue Arbeitswelt".
Die mit einer Trilogie über das Schicksal einer niederländisch-jüdischen Familie ("Simon") bekannt gewordene Dramatikerin Judith Herzberg plant für den Juni 2004 ein neues Stück für Düsseldorf, das den Arbeitstitel "Vielleicht Reisen" trägt. "Abendroth" heißt ein neues Werk im Krimi- Stil von Rejane Desvignes und Igor Bauersima, bei dessen Uraufführung (8. November 2003) Bauersima auch die Regie übernimmt.
Der Spielplan des von Stadt und Land NRW gemeinsam getragenen Hauses sei unter "erheblichen Kürzungen" zu Stande gekommen, sagte Badora. Die Auslastung des Hauses ist nach ihren Angaben binnen eines Jahres um 15 Prozentpunkte auf 75 Prozent gestiegen.